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Jetzt neu in Berlin: Tierwohl-Bratwurst!

Lesezeit: 8 Minuten

Diana Marklewitz hat für ihre Tierwohl-Schweine einen Absatzweg gefunden. Sie bekommt nun 49 Cent Bonus pro kg Schlachtgewicht. Mit dem Zuschlag sind auch ihre Geschäftspartner zufrieden.


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Dieser Weg wird kein leichter sein, dieser Weg wird steinig und schwer.“ Den Ohrwurm, den Xavier Naidoo 2006 anlässlich der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland gemeinsam mit der deutschen Fußball-nationalmannschaft gesungen hat, ist auch heute noch ein Hit. Und wohl kaum eine Textzeile beschreibt den Weg von Landwirtin Diana Marklewitz aus Lüchow in Niedersachsen besser als diese. Denn nachdem ihr neuer Tierwohl-Maststall im August 2017 pünktlich fertig war und sie mit mehr als 300 Gästen den Tag der offenen Tür feierte, erwartete die junge Unternehmerin ein langer und steiniger Weg bei der Vermarktung ihrer Tierwohl-Schweine.


Ständig neue Probleme:

Damit hatte Diana Marklewitz nicht gerechnet. Sie war sich sogar sicher, dass sie ihre Schweine relativ schnell an den Mann bringen würde, denn schließlich sucht der Handel händeringend Tierwohl-Fleisch. Doch alles war komplizierter als gedacht. „Der Verkauf meiner Tiere war eine große psychische und körperliche Herausforderung. Hatte ich ein Problem gelöst, stand ich bereits vor dem nächsten. Es ging sechs, sieben Monate nicht vorwärts“, beschreibt sie das Wechselbad der Gefühle.


Erschwerend kam für sie hinzu, dass sie meist allein auf weiter Flur kämpfen musste. „Bei konventioneller Mast gebe ich die schlachtreifen Mastschweine an einen Viehhändler ab, der alles Weitere regelt. Wer aber wie ich spezielle Ware produziert und dafür besondere Absatzkanäle sucht, hat diese Möglichkeit nicht. Dann ist man ganz auf sich allein gestellt“, betont sie.


Die Landwirtin musste zwei größere Probleme lösen. Problem Nr. 1 war die relativ kleine Liefermenge von anfangs 20 bis 30 Schweinen pro Woche. Es gelang ihr zunächst nicht, dafür einen eigenen Schlacht-, Verarbeitungs- und Absatzkanal aufzubauen. „Mal waren im Schlachthof keine gesonderten Bänder frei, mal winkten die Verarbeiter ab. Ein weiteres Problem war, dass Schweineschlachtkörper niemals zu 100% über einen Absatzkanal vermarktet werden. Wohin mit den Resten, hieß es dann immer wieder“, erinnert sich Diana Marklewitz.


Mehrmals musste der erste Liefertermin verschoben werden, weil es in der Lieferkette hakte. Das zermürbte die junge Landwirtin zusehends. Doch rückblickend will sie den Schwarzen Peter nicht allein den Schlachtern und Zerlegern zuschieben. „Ich habe gelernt, dass die Fleischvermarktung kompliziert ist. Die gesamte Kette ist auf Effizienz getrimmt, weil der Lebensmittelhandel ständigen Preisdruck ausübt. Es ist nicht leicht, Sonderwünsche zu erfüllen“, bricht die Unternehmerin eine Lanze für ihre Handelspartner. „Es wird dringend Zeit, dass der Handel endlich aufhört, immer nur auf niedrige Einkaufspreise zu pochen!“


Problem Nr. 2 war das Geld. Das Interesse an den Schweinen vom Hof Marklewitz war von Anfang an riesig. Aufgrund der häufigen Berichterstattung in top agrar und der Tagespresse wussten viele Lebensmittelhändler, dass Familie Marklewitz einen besonderen Stall mit doppelt so viel Platz, Auslauf usw. gebaut hat. Selbst Abteilungsleiter von großen Lebensmittelhändlern haben sich den Stall vor Ort angesehen. „Alle waren vom Stallkonzept sofort begeistert, beim Thema Geld kippte die Stimmung dann aber schnell. Zwischen 5 und 12 Cent Aufschlag pro kg, mehr wollte niemand bieten“, erklärt Diana Marklewitz kopfschüttelnd.


Fleisch für Berlin:

Es half auch wenig, dass sie ihren Gesprächspartnern detailliert vorrechnete, dass doppelt so viel Platz, Stroheinstreu, GVO-freies Futter usw. Geld kosten. „Am Ende bekam ich jedes Mal zu hören, dass der Markt nicht mehr hergibt und man es sich als Lebensmittelhändler auf keinen Fall erlauben könne, höhere Zuschläge als die Konkurrenz zu zahlen“, zeigt sich die engagierte Landwirtin auch heute noch zerknirscht.


Auch ihre Argumente, dass sich der Markt für Tierwohl-Fleisch noch im Aufbau befinde, jede neue Markteinführung nun mal Geld koste und man langfristig denken müsse, wischte man schnell beiseite. Zu groß war die Angst der Lebensmittelhändler, von der Konkurrenz als Preistreiber gebrandmarkt zu werden. „Wenn einer anfängt, ist der größte Schritt getan“, appelliert Diana Marklewitz an alle Beteiligten, endlich umzudenken.


Zwischenzeitlich hatte die junge Frau schon fast die Hoffnung aufgegeben und sich damit abgefunden, dass auch sie ihre Tierwohl-Schweine zu den üblichen Marktpreisen „verscherbeln“ muss. Doch es kam anders.


Im Rahmen der top agrar-Aktion „Starke Bauern. Starkes Image.“ entwickelte sich der Kontakt zu Richard Mischau aus Berlin. Mischau, dessen mittelständisches Unternehmen seit 1936 Fleisch und Wurst im Großraum Berlin verarbeitet und verkauft, zögerte nicht lange und sprach Diana Marklewitz direkt an. „Für einen großen, weltweit agierenden DAX-Konzern suchte ich Schweinefleisch, das nach höheren Tierwohl-Standards produziert wird. Der Konzern erweitert derzeit sein Frühstücks- und Mittagsangebot für die Mitarbeiter. Konkret soll ein Angebot unterhalb des Biosegments etabliert werden“, berichtet der Fleischfabrikant. Zudem legt Mischaus Abnehmer großen Wert auf die Themen Regionalität, Nachhaltigkeit und verantwortungsvollen Fleischeinkauf.


Der junge Geschäftsinhaber zögerte nicht lange, griff zum Hörer und rief Diana Marklewitz persönlich an. Schnell zeichnete sich ab, dass man ins Geschäft kommen könnte. Die wöchentliche Liefermenge von zunächst 20 bis 30 Schweinen passte grob zu dem, was Richard Mischau suchte. Schon kurze Zeit später trafen sich beide in Berlin mit Vertretern des Industriekonzerns, um die Einzelheiten zu besprechen.


Gemeinsam Kriterien gesucht:

Auch bei diesem Gespräch war man sich in vielen Punkten schnell handelseinig. Diana Marklewitz musste garantieren, dass sie ihren Tieren doppelt so viel Platz wie gesetzlich zur Verfügung stellt, dass alle Tiere Außenauslauf haben, dass die Tiere Stroh fressen können und das nur GVO-freies Futter gefüttert wird. Antibiotika darf die Landwirtin bei Bedarf einsetzen, aber nicht prophylaktisch. „Ich war überrascht, dass mir die Vertreter des Konzerns nicht sofort irgendwelche strikten Vorgaben oder Label von Tierschutzvereinen aufs Auge gedrückt haben. Wir haben gemeinsam überlegt, welche Tierwohl-Maßnahmen ich überhaupt erfüllen kann“, freut sich Diana Marklewitz.


Das Geld hatte keine Priorität:

Und dann wurde es spannend, denn schließlich mussten sich alle Parteien auch noch über die finanziellen Modalitäten einigen. „Ich hatte mich auf lange und harte Diskussionen eingestellt. Meine Erwartungshaltung war aufgrund der vorher gemachten Erfahrungen auch nicht besonders hoch“, erinnert sich die Landwirtin an ihren ersten Berlin-Besuch in der Konzernzentrale.


Doch die Überraschung folgte auf dem Fuße: Nach nur zwei Stunden einigte man sich auf einen Tierwohlbonus von 49 Cent je kg Schlachtgewicht. Das Geld überweist der Industriekonzern direkt an Diana Marklewitz, die Schlacht- und Verarbeitungsstufe bleibt außen vor. „Damit hätte ich nicht gerechnet“, schildert sie die damalige Situation. Doch Fleischfabrikant Richard Mischau erklärt: „Mein Abnehmer hat mir noch mal klipp und klar gesagt, dass der Bonus aus seiner Sicht deutlich über den bislang in der Branche diskutierten Beträgen liegen muss. Nur dann gehen die Bauern beim Thema Tierwohl auch mit.“ Mischaus Abnehmer befürchtet auch nicht, dass ihm die Kunden abspringen. Denn am Ende ist jede Fleischportion nur unwesentlich teurer.


Logistische Herausforderung:

Nachdem die finanziellen Aspekte geklärt waren, stand die Frage im Raum: Wie wird das Geschäft im Detail abgewickelt? Wie viele Tiere werden pro Woche geliefert? Wer schlachtet, zerlegt und verarbeitet die Ware, sodass diese termingerecht und wie bestellt ankommt? Was passiert mit den Stücken, die der Abnehmer nicht haben möchte?


In diesem Punkt half wiederum Richard Mischau Diana Marklewitz weiter, er war der wichtigste „Strippenzieher“. Der Berliner Fabrikant stellte u.a. den Kontakt zu Klaus Voigt von der Firma Vion her. Voigt ist Geschäftsführer des Standortes Perleberg in Brandenburg. Mit dem Standortchef überlegte Diana Marklewitz in persönlichen Gesprächen vor Ort, an welchen Schlachttagen die Schweine am besten geliefert werden können und wie man die Schlachtkörper im Kühlhaus separieren kann. „Das ist für den Schlachthof eine nicht zu unterschätzende logistische Herausforderung. Aber die bekommen es hin, weil sie es wollen“, lobt Diana Marklewitz das Entgegenkommen.


Vom Vion-Standort Perleberg transportieren Lkw die Schlachthälften dann direkt nach Berlin, wo sie bei Richard Mischau weiterverarbeitet werden. Seine Aufgabe besteht darin, die Ware nach den Maßgaben des Endkunden zu portionieren. „In der jetzigen Probephase testen wir, welche Produkte vom Hof Marklewitz von den Leuten am besten nachgefragt werden“, erklärt Richard Mischau das Prozedere.


In den nächsten Monaten soll die Absatzmenge sukzessive gesteigert werden, sodass die Kapazitäten im Betrieb besser ausgelastet werden. Der Start ist aber schon jetzt gelungen: Der Vermarktungsanteil beträgt rund 80% des Schlachtkörpers, insbesondere die Edelstücke gehen erwartungsgemäß gut. Dazu gehören Lachse, Filets, Kassler usw. Aber auch Verarbeitungsware wie zum Beispiel Brat- und Currywürste, Gulasch, Geschnetzeltes usw. produziert Mischau bereits für den neuen Vermarktungsweg.


Den restlichen Schlachtkörper setzt der Unternehmer derzeit problemlos über andere Absatzkanäle ab. Parallel dazu hat sich sein Abnehmer bereit erklärt, kurzfristig weitere Fleischteile in die Menüplanung zu integrieren. „Wo ein Wille ist auch ein Weg“, bringt es Diana Marklewitz auf den Punkt.


Langfristige Partnerschaft:

Das wichtigste Ziel von Diana Marklewitz ist jetzt, die Zahl der wöchentlich gelieferten Tierwohl-Schweine weiter zu erhöhen. Momentan liefert sie rund 30% der schlachtreifen Schweine an Richard Mischau, der Rest wird konventionell verkauft. Damit kann die Landwirtin aber gut leben. Sie erklärt: „Wir sind jetzt dabei, zu lernen und die Abläufe weiter zu optimieren. Doch das braucht Zeit.“ Und wer die engagierte Mästerin kennt, weiß, dass sie auch die nächsten Steine aus dem Weg räumen wird.


Kontakt:marcus.arden@topagrar.com

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