Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Milchpreis Maisaussaat Ackerboden Rapspreis

topplus Aus dem Heft

Kastration: Licht am Ende des Tunnels?

Lesezeit: 5 Minuten

Trotz Fristverlängerung bleibt der „4. Weg“ wohl versperrt. Der Begriff Schmerzausschaltung im Tierschutzgesetz verhindert eine Lösung. Es gibt auch keine Anzeichen dafür, dass der Kardinalfehler der Politik korrigiert wird.


Das Wichtigste zum Thema Schwein mittwochs per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Die Erleichterung der Ferkelerzeuger war sprichwörtlich mit Händen zu greifen, als am 29. November das Abstimmungsergebnis der Bundestagsabgeordneten zur Fristverlänge-rung bei der Ferkelkastration bekannt wurde. 421 der 650 Abgeordneten stimmten dafür. Jetzt bleiben maximal zwei Jahre, um die verfügbaren Verfahren praxisreif zu machen. Streng genommen sind es nur noch eineinhalb Jahre. Denn für Tiere, die ab Januar 2021 geschlachtet werden, müssen die Sauenhalter bereits Mitte 2020 entscheiden, welche Kastrationsalternative zum Einsatz kommt.


Ebermast oder Isofluran:

Jetzt gilt es, sich auf das Machbare zu konzentrieren. Dazu gehören drei Verfahren:


  • Ebermast: Die Ebermast funktioniert, wenn man das betriebliche Management entsprechend anpasst. Entscheidend ist, dass der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) und die Schlachtunternehmen bzw. Verarbeiter endlich Farbe bekennen. Sie müssen klipp und klar sagen, wieviele Eber sie in Zukunft abnehmen können und werden.


Clemens Tönnies hat bei dem von Agrarministerin Julia Klöckner einberufenen Runden Tisch Ende November signalisiert, vorerst alle ihm angeboten Jungeber abzunehmen. Die Frage ist nur, zu welchem Preis. Denn Schlachter haben jederzeit die Möglichkeit, den Markt über Maskenänderungen zu steuern. Zudem bleibt die Gefahr akut, dass Stinker unerkannt in den Handel „durchrutschen“. Über die Zucht und gezielte Fütterungsmaßnahmen lässt sich das Risiko jedoch reduzieren.


  • Immunokastration: Auch hier müssen LEH und Schlachtunternehmen endlich Farbe bekennen. Tönnies hat den Anfang gemacht. Er werde selbstverständlich auch immunokastrierte Tiere schlachten, so seine Aussage in Berlin. Vorraussetzung sei aber, dass ihm seine Abnehmer vorher ihre Kaufbereitschaft für das Fleisch dieser Tiere signalisieren.


Damit es nicht bei Lippenbekenntnissen bleibt, haben die Regierungsfraktionen das BMEL aufgefordert, mit den Schlachtunternehmen und dem LEH konkrete Vereinbarungen zu treffen. So steht es im Entschließungsantrag, der bei der Abstimmung zur Fristverlängerung ebenfalls durchgewunken wurde. Ziel ist, sicherzustellen, dass sich künftig auch Fleisch aus alternativen Kastrationsverfahren vermarkten lässt.


Zur Impfung selbst: Zurzeit kostet die zweifache Anwendung des Impfstoffs knapp 4€/Eber. Um den Mästern den Einstieg zu erleichtern, will Improvac-Hersteller Zoetis für größere Mastbetriebe einen Impfservice anbieten. Da der Patentschutz in zwei Jahren ausläuft und Wettbewerber wie Ceva bereits mit den Hufen scharren, wird die Anwendung künftig vermutlich preiswerter.


Die Gefahr, dass trotz Doppelimpfung und Verhaltens- bzw. Hodenkon-trolle Stinker auftreten, lässt sich jedoch nicht 100%-ig ausschließen.


  • Isofluran-Narkose: Das Narkosegas Isofluran ist inzwischen für die Kastration männlicher Ferkel zugelassen. Bis 31. Mai 2019 soll das BMEL dem Bundestag eine Rechtsverordnung vorlegen, die es geschulten Landwirten erlaubt, die Narkose selbst durchzuführen. Inhalt und Umfang dieser Schulungen werden in Abstimmung mit den Tierärzten bis zum 30. Juni 2019 festgelegt.


Die beiden Schweizer Hersteller für die Isofluran-Narkosegeräte „Pignap“ und „Porc-Anest“ sind jetzt gefordert, in den nächsten zwei Jahren genügend Geräte zu produzieren. Der Bund will den Kauf finanziell fördern. Geld soll auch für die Aufklärung der Verbraucher und das Erarbeiten von Schulungskonzepten fließen. Im Bundeshaushalt sind dafür satte 38 Mio. € vorgesehen.


Es gibt bei der Isoflurannarkose aber auch noch viele offene Fragen. Umstritten ist z.B., ob Isofluran tatsächlich zur Schmerzausschaltung bei den Tieren führt, oder ihnen die Narkose nur die Möglichkeit nimmt, den Schmerz zu äußern. In der Humanmedizin jedenfalls gilt es als erwiesen, dass Isofluran keinen Einfluss auf die Schmerzweiterleitung und Verarbeitung im Gehirn hat.


Dringend geklärt werden muss auch, wie groß die Gefährdung für die Anwender ist. Denn es gibt Hinweise, dass das Gas krebserregend ist. Insbesondere für Betriebe, die mit Fremdarbeitskräften arbeiten, ist die Anwendersicherheit ein entscheidender Punkt. Denn im Fall einer Gesundheitsgefährdung drohen dem Arbeitgeber, also dem Ferkelerzeuger, Schmerzensgeldforderungen.


„4. Weg“ politisch nicht gewollt?

Die Lokalanästhesie, der „4. Weg“, hat dagegen nur begrenzte Chancen, innerhalb der Fristverlängerung die Praxisreife zu erlangen. Dabei wäre die Anerkennung als vierte Alternative allein schon aus Wettbewerbsgründen wichtig. Denn in Dänemark, Deutschlands wichtigstem Ferkellieferanten, ist die lokale Betäubung durch den Landwirt bereits seit Anfang 2018 erlaubt.


Das Problem: Procain, das einzige in Deutschland bisher fürs Schwein zugelassene Lokalanästhetikum, zeigt nicht die erwünschte Wirkung. Und wirksamere, neuere Mittel dürfen bislang nicht eingesetzt werden. Nur „Tri-Solfen“, eine Kombination aus dem schnell wirkenden Lidocain und dem lang anhaltenden Bupivacain, hätte reelle Chancen, rechtzeitig zugelassen zu werden. Die ersten Hürden hat das Mittel bereits genommen. Der Hersteller hofft, dass man die Zulassung in der zweiten Jahreshälfte 2020 bekommt – d.h. kurz vor Ablauf der Fristverlängerung.


Sicher ist das aber nicht. Denn das entscheidende K.-o.-Kriterium für die Lokalanästhesie bleibt die in §5 des Tierschutzgesetzes geforderte „Schmerzausschaltung“. Komplett ausschalten ließ sich der Schmerz aber bei allen bisher durchgeführten Versuchen zur Lokalanästhesie nicht, nur vermindern.


Narkoseexperten halten diese Forderung ohnehin für unrealistisch. Selbst in der Humanmedizin lasse sich der Schmerz durch eine lokale Betäubung nicht 100%ig ausschalten. Und trotzdem werde die lokale Betäubung hier tagtäglich millionenfach erfolgreich angewendet. Viele Experten fordern daher, dass der im Tierschutzgesetz verwendete Begriff Schmerzausschaltung auf den Prüfstand kommt. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass die Politik unter dem Druck der NGOs bereit ist, den Begriff der „Schmerzausschaltung“ im Gesetz durch „wirksame Schmerzminderung“ zu ersetzen. SPD, Grüne und Linke haben bereits abgewunken.Kontakt:


henning.lehnert@topagrar.com


marcus.arden@topagrar.com

top agrar besser machen. Gemeinsam
Sie sind Schweinehalter oder lesen regelmäßig den top agrar Schweine-Teil und/oder die SUS? Dann nehmen Sie an einem kurzen Nutzerinterview teil.

Die Redaktion empfiehlt

top + Zum Start in die Maisaussaat keine wichtigen Infos verpassen

Alle wichtigen Infos & Ratgeber zur Maisaussaat 2024, exklusive Beiträge, Videos & Hintergrundinformationen

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.