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Tier- kontra Umweltschutz: Wie Feuer und Eis

Lesezeit: 7 Minuten

Gesellschaft und Gesetzgeber pochen auf mehr Tierwohl und Umweltschutz in Veredlungsbetrieben. Beides zusammen geht kaum, sagt Peter Spandau von der Landwirtschaftskammer NRW.


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Der Ruf nach mehr Tierwohl und höheren Umweltschutzstandards hält unvermindert an. Passt beides zusammen?


Spandau: In der Schweinehaltung ist das schwierig. Kernproblem ist, dass die Emissionen steigen, wenn konventionelle Schweineställe tierfreundlicher gestaltet werden. Mehr Platz, ein geringerer Schlitzanteil im Spaltenboden oder größere Festflächen in den Buchten führen zu steigenden Emissionen.


Etwas besser stellt sich die Situation nur in Außenklimaställen ohne Auslauf dar. Wegen der niedrigeren Stalltemperaturen sinken die Emissionen. Sind Ausläufe vorhanden, wird die Umweltbilanz aber sofort deutlich schlechter, weil Freiflächen eine bedeutende Emissionsquelle sind.


Ein weiteres Problem tritt auf, wenn in Außenklimaställen keine Möglichkeit besteht, die Abluftfahne zu erhöhen. Besonders im Nahbereich können dann auch Gerüche problematisch werden.


Welche Umweltprobleme „erkaufen“ wir uns durch mehr Tierwohl?


Spandau: In der Tierhaltung ist das Ammoniakgas (NH3) das größte Problem. Der Ausstoß steigt, wenn Kot und Harn im Stall nicht schnell genug voneinander getrennt werden. Das Gleiche passiert, wenn die Tiere ständig durch ihre Exkremente laufen und diese immer wieder neu durchmischen.


Dabei können wir uns in Deutschland steigende NH3-Emissionen gar nicht erlauben, denn die Bundesregierung hat sich im Rahmen der NEC-Richtlinie sowie der europäischen NERC-Richtlinie dazu verpflichtet, den NH3-Ausstoß bis zum Jahr 2030 um 34% zu senken. Dieses Ziel werden wir nicht erreichen, wenn wir in der Tierhaltung künftig verstärkt auf Haltungssysteme setzen, die emissionstechnisch schwierig zu steuern sind. Besonders über die vielfach geforderten Ausläufe müssen wir diskutieren. Wir müssen gesamtgesellschaftlich klären, ob wir uns mehr Tierwohl zulasten des Umweltschutzes erkaufen wollen bzw. wo wir auch Abstriche in Kauf nehmen.


Was ist Ihnen als landwirtschaftlichem Berater lieber: Mehr Tier- oder doch mehr Umweltschutz?


Spandau: Wir müssen anerkennen, dass sowohl der Umwelt- als auch der Tierschutz Aufgaben sind, die alle Bürger und Bürgerinnen angehen. Der Verbraucher muss dann am Ende entscheiden, ob sein Schnitzel aus tiergerechterer Haltung kommen soll oder ob er letztendlich eher dazu bereit ist, statt mit 200 PS und 250 km/h über die Autobahn zu fahren doch lieber die Bahn, den Bus oder das Fahrrad zu nehmen.


Welche Interessenskonflikte bestehen darüber hinaus?


Spandau: Bei der einzelbetrieblichen Betrachtung des NH3 spielen auch der Biotop- und FFH-Gebietsschutz eine Rolle. Der sogenannte standortbezogene Immissionsschutz ist gerade für die Genehmigung eines Außenklimastalles oftmals eine große Hürde.


Schwierig wird die Genehmigung insbesondere in viehdichten Regionen mit hoher N-Vorbelastung. Genauso verhält es sich beim Geruch. Wenn am Standort bereits viele Schweine gehalten werden, wird die Genehmigung eines Tierwohlstalles mit ungelenkter Abluftfahne schwierig.


Das für den Emissionsschutz zuständige Bundesumweltamt hat einen Entwurf zur TA Luft vorgelegt. Wird das Thema Tierwohl darin berücksichtigt?


Spandau: Das Bundesumweltamt hat registriert, dass die Themen Tierwohl und Umweltschutz nicht problemlos unter einen Hut zu bekommen sind. Im aktuellen Entwurf der TA Luft findet man daher Zugeständnisse.


So verzichtet man bei großen BImSchG-Anlagen (ab 2000 Mastplätzen) mit mehr Tierwohl auf die generelle Forderung nach einer Abluftreinigungsanlage. Verschont werden sollen auch Betriebe, die einen großen Tierwohlstall bauen wollen und wo die Abluft-reinigung baulich bzw. technisch nicht möglich ist.


Dafür werden andere emissionsmindernde Maßnahmen gefordert.


Spandau: Das ist grundsätzlich richtig. Allerdings enthält der Entwurf der TA Luft in diesem Punkt wenig konkrete Vorschläge. Wenn der derzeit diskutierte Text so in der Verordnung stehen bleibt, können wir uns auf endlose Diskussionen mit den Genehmigungsbehörden einstellen. Erschwerend kommt hinzu, dass noch niemand genau weiß, welche Techniken neben der Abluftreinigung zur Emissionsminderung in der Praxis wirklich dauerhaft funktionieren. Insbesondere für eingestreute Außenklimaställe haben wir keine Lösungen.


Viele Schweineställe sind nach Baurecht genehmigt. Können Landwirte diese Ställe in Zukunft ohne Probleme umbauen?


Spandau: Der Umbau zu Tierwohlställen wird insgesamt schwieriger, denn die TA Luft sieht zukünftig auch eine Prüfung der N-Deposition bei baurechtlichen Vorhaben vor. Dadurch wird die Genehmigungsfähigkeit selbst für kleinere Außenklimaställe mit und ohne Auslauf aufgrund fehlender Minderungsmöglichkeiten tendenziell eher sinken.


Der Gesetzgeber torpediert also durch neue Umweltvorschriften auch in Zukunft mehr Tierwohl. Richtig?


Spandau: Das stimmt. Aber auch ältere Gesetzesvorschriften blockieren die Weiterentwicklung unserer Stallsysteme. In einem Gutachten, das die Vereinigung des Emsländischen Landvolks in Auftrag gegeben hat, bemängelt der Gutachter, dass die Novelle des Baugesetzbuches aus dem Jahr 2013 den Umbau der Ställe hin zu mehr Tierwohl verhindert. Er schlägt vor, dass der Passus ‚Umbau der Ställe‘ gestrichen wird, um in älteren Gebäuden neue Stallkonzepte mit offenen Seitenwänden oder Ausläufen leichter zu ermöglichen.


Wie lässt sich der Zielkonflikt zwischen dem Tier- und Umweltschutz lösen?


Spandau: Wenn sich der Gesetzgeber bzw. die beteiligten Ministerien nicht einigen, sehe ich zurzeit kaum Möglichkeiten. Zwar wird intensiv an technischen Lösungen gearbeitet, wie zum Beispiel der frühen Kot-Harn-Trennung im Stall. Wie die Technik aber praktisch in Tierwohlställen eingesetzt werden kann, ist bislang völlig offen. Uns fehlen Erfahrungswerte. Und so lange technisch nichts vorangeht, herrscht Stillstand.


Der Handel kennt die Problematik, beharrt aber trotzdem auf mehr Tierwohl. Wo endet das?


Spandau: Wenn die Zügel beim Tier- und Umweltschutz vom Gesetzgeber weiterhin angezogen werden und Landwirte, sei es gesetzlich oder durch den Druck des Handels, auch noch zu mehr Tierwohl gezwungen werden, bleibt als Lösung nur die Reduzierung der Tierbestände. Offen sagt das zwar keiner, aber Fachleute vermuten schon lange, dass die Politik die Tierbestände über die Verzahnung des Tier- und Umweltschutzes absenken will.


Das wirft den Veredlungsstandort Deutschland weit zurück, oder?


Spandau: Das kann man generell so nicht sagen. Entscheidend ist, dass Schweinehalter auch mit kleineren Tierbeständen den gleichen Gewinn erzielen und ihr Einkommen sichern! Gleichzeitig muss man dem Verbraucher beibringen, dass er seinen Fleischverzehr reduziert und für das Produkt einen deutlich höheren Preis bezahlen muss. Wenn ich die aktuelle Studie der Hochschule Osnabrück betrachte, habe ich aber Zweifel, ob das gelingt. Laut Studie sind nur 16% der Konsumenten bereit, mehr Geld für Fleisch auszugeben.


Um beide Bereiche doch noch besser aufeinander abzustimmen, müssen Gesetze geändert werden. Wo muss man ansetzen?


Spandau: Die Möglichkeiten sind beschränkt, denn Deutschland ist an die Vereinbarungen im Rahmen der NEC- und NERC-Richtlinie gebunden. Gleiches gilt für die FFH-Richtlinie. Der Gesetzgeber kann wenig korrigieren.


Hinterfragen müssen wir aber, ob die Forderungen an die Schweinehalter nicht überzogen sind. Berücksichtigen muss man ehrlicherweise, dass der größte Emittent die Rinderhaltung ist und dass das deutlich größere und kostengünstigere Einsparpotenzial im Bereich der Ausbringung von Wirtschafts- und Mineraldüngern liegt.


Und was passiert am Ende, wenn nichts passiert?


Spandau: Wenn das Bauministerium, das Umweltministerium und das Landwirtschaftsministerium nicht zielgerichteter zusammenarbeiten, wird das Tierwohl auf der Strecke bleiben. Kein Schweinehalter wird trotz der Labelwünsche des Handels seinen Bestandsschutz riskieren und seine Ställe umbauen, wenn ihm dadurch Nachteile drohen. Wir brauchen endlich rechtliche Rahmenbedingungen, die eine vereinfachte Genehmigung für den Neu- oder Umbau von Tierwohlställen ermöglichen.


marcus.arden@topagrar.com

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