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Warum vorzeitig aus der Kastration aussteigen?

Lesezeit: 8 Minuten

Einige Lebensmittelhändler wollen schon ab 2017 kein Fleisch mehr von unbetäubt kastrierten Schweinen verkaufen. Was bezwecken sie damit? top agrar sprach mit Vertretern der Rewe Group und von Kaufland.


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Gesetzlich ist die betäubungslose Kas-tration ab 2019 verboten. Warum greift die Rewe-Group dem Gesetzgeber ohne Not zwei Jahre vor?


Breloh: Wir erheben diesen Anspruch, ab dem Januar 2017 kein Fleisch mehr von betäubungslos kastrierten Schweinen abzunehmen, nur für unsere Fleisch-Eigenmarken. Wir wollen damit ein Zeichen setzen. Denn wichtige Vermarktungspartner wie das Metzgerhandwerk und die Systemgastronomie sind beim Thema Kastrationsalternativen zum Teil noch sehr zurückhaltend.


Man kann das Problem aber nicht aussitzen. Die gesetzliche Frist wird über 2019 hinaus nicht verlängert. Wenn die gesamte Branche jetzt nicht aktiver wird, kann es 2019 zu einem gewaltigen Strukturbruch kommen, weil viele Mäster kastrierte Ferkel aus dem Ausland importieren. Die deutschen Sauenhalter bleiben dann womöglich auf ihren Ferkeln sitzen.


Welchen Termin strebt Kaufland an?


Dausch: Wir streben den frühestmöglichen Termin an. Dadurch wollen wir Orientierung und Planungssicherheit an die Vorstufen geben und mit dazu beitragen, den gesetzlich vorgegebenen Termin 2019 sicher zu erreichen.


Warum veranstalten Sie einen Wettlauf um den schnellsten Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration? Ist das ein so großer Wettbewerbsvorteil im Kampf um den Kunden?


Dausch: Das Ziel muss sein, die gesetzlichen Termine sicher und ohne Qualitäts- bzw. Imageeinbußen zu bewältigen. Es geht um keinen Wettbewerbsvorteil. Es geht erstens um aktives Tierwohl, wenn auf eine schmerzhafte Kastration verzichtet werden kann. Und zweitens erwartet der Verbraucher, dass alle notwendigen Schritte unternommen werden, um Tierwohl so früh wie möglich anzuwenden und umzusetzen.


Welche Alternativen zur Vermeidung des Ebergeruchs werden Sie akzeptieren?


Breloh: Es gibt drei Verfahren, die gesetzeskonform sind. Das erste ist die Ebermast. Das zweite die Impfung mit Improvac gegen Ebergeruch. Und das dritte Verfahren ist die chirurgische Kastration bei entsprechender Betäubung der Tiere. Alle drei Verfahren werden wir gleichrangig nebeneinander akzeptieren. Wir wollen die Möglichkeiten nicht weiter einschränken. Jeder Landwirt soll zusammen mit seinem Vermarktungspartner die für sich passende Lösung finden.


Ist die Impfung gegen Ebergeruch auch für Kaufland eine gleichwertige Alternative?


Dausch: Wir setzen aktuell auf die zwei Varianten Ebermast und Betäubung. Erkenntnisse aus Verbrauchersicht zur Immunokastration stehen noch aus. Der QS-Wissenschaftsfonds führt gerade eine Umfrage zur Verbraucherakzeptanz durch. Wenn die Ergebnisse vorliegen, werden wir die Sachlage neu bewerten.


Werden Sie das Fleisch von männlichen Schweinen künftig kennzeichnen, je nachdem, ob es aus der Ebermast, von Improvac-geimpften oder betäubt kastrierten Tieren stammt?


Breloh: Nein. Wir haben ja auch heute keine unterschiedliche Kennzeichnung für weibliche Mastschweine und Börge. Und wir werden auch in Zukunft keine solche Kennzeichnung einführen – schon gar nicht für männliche Tiere, die unterschiedlich behandelt wurden.


Was erwarten Sie von den Fleischverarbeitern?


Breloh: Die Rohwursthersteller haben klipp und klar gesagt, dass sie kein Eberfleisch wünschen. Denn das Fett der Jungeber ist weniger fest und kann offensichtlich zu Problemen in der Rohwurstherstellung führen.


Diese Verarbeiter müssten sich dann künftig für das Fleisch betäubt kastrierter oder Improvac-behandelter Tiere entscheiden, wenn sie keine gespaltenen Märkte wollen. Die Metzger, die besonders im Süden Deutschlands bei der Vermarktung eine große Rolle spielen, sind noch rigoroser. Sie wollen weder Eberfleisch noch Improvac-behandelte Tiere. So zwingen sie ihre Vorlieferanten, entweder die Ferkel vor dem Kastrieren zu betäuben, nur weibliche Tiere zu mästen oder kastrierte Ferkel aus dem Ausland zu kaufen.


Wie hoch schätzen Sie das Risiko ein, dass geruchsauffällige Eber alle Sicherheitsschleusen durchlaufen und am Ende doch auf dem Teller der Kunden landen?


Dausch: Das Risiko ist nicht zu unterschätzen, und der Imageschaden wäre enorm – nicht nur für uns, sondern für die gesamte Branche. Der Fleischverzehr ist ohnehin rückläufig. Zudem werden als Alternative vegetarische oder vegane Produkte angeboten. Daher ist es um so wichtiger, den Produktionsprozess zuverlässig abzusichern.


Die Ebermast ist auch hinsichtlich des Tierschutzes umstritten. Es geht um Hautverletzungen durch Aufreiten, Rangkämpfe und Penisbeißen. Wie bewerten Sie die bisherigen Ergebnisse?


Breloh: Sie sprechen die Untersuchungen von Frau Prof. Dr. Weiler aus Hohenheim an. Alle Schlachthöfe, die Eber schlachten, bestätigen uns, dass sie ebenfalls Fälle von Penisverletzungen an den Eberschlachtkörpern beobachten. Das geschieht aber bei weitem nicht in dem beschriebenen Umfang, sondern betrifft etwa 10% der Schlachtkörper.


Alle bisherigen Erfahrungen zeigen, dass man bei der Umstellung auf Ebermast auch das Management anpassen muss. Ich kenne zahlreiche Ebermäster, deren Tiere nachweislich keine Penisverletzungen aufweisen. Landwirte, die nicht mit der Ebermast klarkommen, sollten sich daher vielleicht für die Impfung mit Improvac entscheiden.


Für viele Händler ist die Impfung mit Improvac aus Angst vor Negativ-Schlagzeilen in den Medien keine Alternative. Was macht das Verfahren für Sie salonfähig?


Breloh: In Belgien werden 30% aller männlichen Schweine mit Improvac geimpft. Die Tiere werden überwiegend im Inland vermarktet. In den letzten drei Jahren hat es in den Medien keine einzige Negativschlagzeile zur Eberimpfung gegeben. Warum sollte das bei uns anders sein? Im Übrigen sind es nicht die Tierschützer, die gegen Improvac sind. Im Gegenteil: Bei einer Kastrations-Tagung, zu der das Bundeslandwirtschaftsministerium und QS vor einigen Wochen nach Berlin eingeladen hatten, haben sich mehrere Tierschutzorganisationen für die Impfung mit Improvac ausgesprochen. Es sei ein hervorragendes Mittel, die betäubungslose Kastration zu umgehen. Unsere Naturland-Schweinemäster wollen demnächst vorrangig auf die Improvac-Impfung umstellen.


Herr Dausch, teilen Sie die Meinung?


Dausch: Wie übertragbar Erkenntnisse aus dem Ausland auf den deutschen Markt sind, werden wir bewerten können, wenn die Ergebnisse der QS-Verbraucherbefragung vorliegen.


Werden Sie offen über die Immuno-Kastration kommunizieren und für Improvac werben?


Breloh: Nein. Wir werben dafür, keines der drei gesetzlich erlaubten Verfahren auszugrenzen. Wir wollen nichts verbieten und nichts ausschließen. Die Landwirte sollen gemeinsam mit ihrem Vermarkter frei zwischen allen drei Verfahren wählen können.


Wie reagieren Sie im Einkauf, wenn es plötzlich Gegenwind für eine der drei Alternativen gibt?


Dausch: Wir werden argumentativ und inhaltlich vorbereitet sein und mit bestem Gewissen für die eingesetzten Varianten einstehen. Sollte es neue Erkenntnisse geben, müssen wir diese einbeziehen. Außerdem werden für alle drei Alternativen Regeln benötigt. Eber dürfen zum Beispiel nur solche Landwirte mästen, die das auch wirklich wollen und sich dabei um die speziellen Ansprüche der Tiere kümmern.


Breloh: Wenn es mediale Angriffe gibt, werden wir dem Sektor mit allen unseren Argumentations- und Kommunikations-Instrumenten zur Seite stehen. Außerdem wird – wenn überhaupt – nicht der Landwirt angegriffen, sondern wir.


Auf keinen Fall werden wir Kurzschlusshandlungen vollführen. Im schlimmsten Fall könnte der Landwirt die zweite Impfung aussetzen und die Tiere als Eber ausmästen.


Drohen uns gespaltene Märkte? Werden Schlachtkörper von männlichen Schweinen künftig mit Preisabzügen bestraft?


Breloh: Ich befürchte, dass es dazu kommen kann, wenn wichtige Marktpartner weder Eberfleisch noch die Impfung mit Improvac akzeptieren. Das Fleisch von weiblichen Tieren würde dadurch stärker nachgefragt. Die Diskussion, die wir bereits bei den Legehennen haben, wo männliche Küken nichts mehr wert sind, dürfen wir bei den Schweinen nicht zulassen. Auch die männlichen Schweine müssen weiterhin uneingeschränkten Zugang zum Markt bekommen.


Alle drei Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration verteuern die Produktion eines Schlachtschweins. Wer soll diese Mehrkosten tragen?


Breloh: Hier muss man unterscheiden. Die Ebermast kostet zusätzlich, wenn ich große bauliche Maßnahmen umsetzen muss, um die Tiere zum Beispiel getrennt geschlechtlich mästen zu können. Andererseits profitiert der Mäster aber auch von den besseren biologischen Leistungen der unkastrierten Schweine.


Auch die Improvac-Impfung kostet Geld. Für den Impfstoff und das Impfen selbst werden derzeit rund 5 € pro Tier veranschlagt. Schon ab 2018, wenn der Patentschutz ausläuft und Generika angeboten werden, wird sich der Preis jedoch vermutlich halbieren. Zudem lassen sich Improvac-Tiere bis zur zweiten Impfung wie normale Eber mästen. Und nach der Impfung steigen dann noch einmal die Zunahmen, und die Futterverwertung verbessert sich, sodass die Mäster auch hier ökonomische Vorteile haben. Was bleibt, sind die Mehrkosten der Kastration mit Betäubung. Wer dieses Fleisch will, muss dafür tiefer in die Tasche greifen.


Wie gehen Sie mit ausländischem Schweinefleisch um? Stellen Sie an diese Chargen die gleichen Anforderungen wie an deutsche Ware?


Dausch: Unser Frischfleisch in Deutschland stammt zu 100% von Tieren, die in Deutschland aufgezogen, geschlachtet, zerlegt und verpackt wurden. Und die Belieferung der deutschen Kaufland-Fleischwerke erfolgt auf Basis der QS-Kriterien sowie weiterer Standards wie dem IFS Food (International Featured Standard Food).


Breloh: Auch das Frischfleisch der Rewe-Gruppe stammt ausschließlich aus deutschen Betrieben. Ausländisches Schweinefleisch wird dagegen häufig in Teilstücken gekauft und dann hier verarbeitet. Für diese Verarbeitungsware haben wir zurzeit aber noch keine Auflagen definiert. Zugegeben, hier liegt noch ein langer Weg vor uns.Das Interview führte top agrar-Redakteur Henning Lehnert.

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