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Fleischverkauf

Siemens: Bauern sollten Konzerne direkt ansprechen

Der Siemens-Konzern verkauft in seinen Betriebsrestaurants erfolgreich das Tierwohl-Fleisch vom Hof Marklewitz. Der DAX-Konzern rät Bauern, offensiver auf Großunternehmen zuzugehen.

Lesezeit: 10 Minuten

Im Rahmen der top agrar-Aktion "Starke Bauern.Starkes Image" hatten Marketingexperten Landwirtin Diana Marklewitz dabei unterstützt, eine neue Vermarktungsidee für ihre Tierwohlschweine zu finden. Seitdem ist das Betriebsrestaurant von Siemens Kunde. top agrar sprach mit dem Dienstleister, ob das auch für andere Landwirte eine Alternative ist und was sie machen müssen.

Der Siemens-Konzern setzt in seinen norddeutschen Betriebsrestaurants verstärkt auf Tierwohl-Fleisch. Warum?

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Christof Strobl: Als Industriekonzern legen wir bei unseren Gasturbinen, der Automatisierungstechnik, der Industrie-Schalttechnik usw. größten Wert auf höchste Qualität. Zudem versuchen wir unsere Produkte immer weiter zu verbessern. Genauso halten wir es beim Thema Essen. Wir wollen unseren 117.000 Mitarbeitern in Deutschland qualitativ hochwertige Lebensmittel anbieten. Das gilt für Obst und Gemüse genauso wie für Fisch und Fleisch.

Was zählt für Sie noch, wenn es um die Nahrungsmittelversorgung der Mitarbeiter geht?

Strobl: Für uns sind auch die Themen Rückverfolgbarkeit und Nachhaltigkeit wichtig. Zudem spielt das Thema Regionalität eine immer größere Rolle. Beim Besuch der Siemens-Betriebsrestaurants achten immer mehr Gäste bewusst darauf, dass Lebensmittel nicht mehr tausende Kilometer weit transportiert werden.

Das Schweinefleisch kaufen Sie seit über einem Jahr vom Hof Marklewitz aus Lüchow in Niedersachsen. Wieso gerade von dort?

Veronika Jentsch: Die Zusammenarbeit ist eher zufällig entstanden. Im Rahmen der Berichterstattung über das top agrar-Projekt ‚Starke Bauern. Starkes Image.‘ sind wir auf den Tierwohl-Schweinestall von Diana Marklewitz aufmerksam geworden. Uns hat die Art und Weise, wie die junge Landwirtin ihre Schweine mästet, von Anfang an sehr gut gefallen. Wir haben dann Kontakt zu ihr aufgenommen und uns den Stall und den Hof vor Ort angesehen. Ein weiterer Pluspunkt ist, dass der Betrieb quasi mitten zwischen unseren norddeutschen Produktionsstandorten liegt. Die Transportwege sind daher überschaubar.

Was hat Sie als Laie an dem Stallkonzept besonders beeindruckt?

Strobl: Zuallererst, dass Diana Marklewitz ihren Schweinen deutlich mehr Platz, einen Außenauslauf und Stroh anbietet. Überzeugt hat mich auch, dass sie regional erzeugtes Getreide verfüttert und nur GVO-freie Eiweißkomponenten wie Raps, Erbsen und Bohnen einsetzt.

Jentsch: Fasziniert hat mich vor allem, dass die ganze Familie hundertprozentig hinter dem Projekt Tierwohl-Stall steht. Trotz einiger Vorbehalte von Berufskollegen stehen sie zu ihrer Haltungsform. Das Beispiel vom Hof Marklewitz zeigt, dass Bauern sehr wohl bereit sind für Veränderungen und neue Wege gehen, wenn sie darin eine Zukunftsperspektive sehen.

Diana Marklewitz produziert nach keinem Labelstandard. Stört Sie das?

Strobl: Nein, überhaupt nicht. Für uns war immer klar, dass wir gemeinsam festlegen, welche Tierwohl-Vorgaben der Betrieb umsetzen muss. Es macht doch überhaupt keinen Sinn, wenn wir Abnehmer den Bauern Auflagen machen, die am Ende kaum zu erfüllen und teuer sind und an denen die Landwirte keinen Spaß haben.

Worauf wir bei der Festlegung von Haltungsvorgaben allerdings achten, ist die Tatsache, dass wir unseren Gästen zeigen können, wie man mehr Tierwohl in der Praxis umsetzt. In diesem Zusammenhang spielt vor allem der Auslauf mit Stroheinstreu eine Rolle.

Wie klappt die Zusammenarbeit zwischen der Bauernfamilie Marklewitz und dem Industriekonzern Siemens?

Jentsch: Spitze, wir haben keinerlei Berührungsängste. Wir tauschen uns regelmäßig aus, besprechen neue Ideen und Probleme und überlegen, wo wir noch nachbessern können.

Die Zusammenarbeit funktioniert auch deshalb, weil Sie und Ihre Kollegen sich persönlich sehr stark dafür einsetzen. Sehen Sie Chancen, dass andere Industriekonzerne Ihrem Beispiel folgen?

Strobl: In jedem Fall. Ich weiß, dass viele Unternehmen ihr Essensangebot in der Betriebsgastronomie weiter optimieren wollen. In Kürze werden wir uns gemeinsam mit Kollegen aus anderen Branchen den Hof ansehen. Mal sehen, ob sich daraus für Diana Marklewitz weitere Absatzwege ergeben.

Wie viel Tierwohl-Fleisch beziehen Sie pro Jahr?

Strobl: Bereits im ersten Jahr konnten wir über 40 t Tierwohl-Fleisch allein an unseren norddeutschen Standorten verkaufen. Das hört sich vielleicht zuerst wenig an. Die Menge entspricht aber bereits über 90 % des bei uns verkauften Schweinefleisches. Das ist ein großartiger Erfolg.

Was sind die Verkaufsrenner?

Jentsch: Die Klassiker sind natürlich das Schnitzel und die Currywurst. Currywürste bieten wir mittlerweile sogar in zwei Geschmacksrichtungen an. Der typische Berliner Gast favorisiert nämlich eine andere Geschmacksrichtung als der Mitarbeiter im Raum Hannover.

Wir legen außerdem sehr großen Wert darauf, dass wir möglichst das ganze Schwein verwerten. Dieser Aspekt spielt bei der Menü- und Kostenplanung immer eine große Rolle. Aktuell sind wir bei deutlich über 90%. Möglich ist das, weil wir an den unterschiedlichen Standorten verschiedene Produkte vom Schwein in den Menüplan aufnehmen.

Was sagen die Köche zum Tierwohl-Fleisch?

Strobl: Unsere Köche waren zunächst skeptisch. Sie sahen vor allem Schwierigkeiten im Aufbau einer weiteren Produktlinie mit getrennten Warenströmen. Zudem kam die Frage auf, wie wir die gesamte Prozesskette vom lebenden Schwein im Mastbetrieb bis zum fertigen Schnitzel auf dem Teller organisieren. Die Skepsis ist inzwischen aber vollständig verflogen. Alle Küchenchefs schwärmen von unserem neuen Angebot.

Was schätzen die Köche am Fleisch?

Strobl: Der größte Pluspunkt ist die sehr gute Produktqualität. Im Vergleich zu den bislang eingekauften Fleischwaren ist der Bratverlust mit unter 10% deutlich geringer, sagen uns die Küchenchefs. Auch geschmacklich überzeugt das Fleisch.

Können die Gäste zwischen dem Tierwohl-Fleisch und konventioneller Ware aussuchen?

Jentsch: Im Grunde genommen nicht mehr, wir bieten wegen der großen Nachfrage jetzt fast ausschließlich das Fleisch vom Hof Marklewitz an. Und die Stimmen, die konkret danach fragen, werden immer mehr. Im Winter haben wir zusätzlich eine Kundenzufriedenheits-Analyse erstellt. Das Ergebnis war eindeutig: Unsere Gäste bevorzugen das Tierwohl-Fleisch vom Hof Marklewitz und sie wünschen sich noch mehr nachhaltig erzeugte Produkte.

Akzeptieren die Gäste auch einen höheren Preis?

Strobl: Für unsere Gäste war die leichte Preiserhöhung überhaupt kein Thema. Aus meiner Sicht gab es auch deshalb keine Diskussionen, weil wir unseren Gästen bei jedem Restaurantbesuch vor Augen halten, dass wir nun qualitativ höherwertige Lebensmittel anbieten. Den höheren Preis haben wir übrigens so kalkuliert, dass wir den Bonus pro kg Schlachtgewicht, den wir an Diana Marklewitz zahlen, refinanziert bekommen.

Damit liefern Sie den Beweis, dass der Verbraucher durchaus bereit ist, ohne Murren einen Mehrpreis zu bezahlen. Sehen Sie das auch so?

Strobl: Das darf man nicht verallgemeinern. Als Restaurantbetreiber haben wir es sicherlich leichter als der Lebensmitteleinzelhandel. Wir können konventionelles, günstigeres Fleisch sehr schnell aus dem Sortiment nehmen, wenn wir merken, dass das Tierwohl-Fleisch gut ankommt. Diese Möglichkeit besteht im Supermarkt nicht. Hier muss die Auswahl viel größer sein und günstige Angebote sind nun mal verlockend.

Wie klären Sie Ihre Gäste über das neue Angebot auf?

Strobl: Wir nutzen mehrere Möglichkeiten. Angefangen haben wir mit Infoflyern zur Haltung der Tiere auf dem Betrieb Marklewitz. Diese legen wir im Gastbereich aus und stellen zusätzlich Infowände auf. Weitere Informationen zur Haltung der Tiere usw. präsentieren wir auf Monitoren im Ausgabe- und Gastbereich.

Jentsch: Ganz bewusst zeigen wir auch das Gesicht von Diana Marklewitz. Die Restaurantbesucher sollen sehen, wer die Tiere betreut, aus denen später die Gerichte zubereitet werden. Natürlich können sich die Gäste auch direkt auf der Homepage unter www.hof-marklewitz.de informieren. Auf den Aufbau der Homepage haben wir von Anfang an viel Wert gelegt. Momentan arbeiten wir noch an einem Imagefilm. In diesem können wir später sozusagen live zeigen, wie die Haltung der Tiere im Detail funktioniert.

Am Anfang war es mühsam, einen passenden Vermarktungsweg aufzubauen. Wo hakte es?

Strobl: Das große Problem ist, dass die Fleischverarbeitung und -vermarktung enorm auf Effizienz getrimmt ist. Alles muss immer möglichst billig sein, weil der Handel ständig Preisdruck auf seine Lieferanten ausübt. Große Schwierigkeiten hatten wir mit der Suche nach einem Schlachter und Verarbeiter, die relativ kleine Abnahmemengen gesondert verarbeiten. Wir sind jedoch dabei, die Prozesse mit unseren Zulieferern weiter zu optimieren und effizienter zu gestalten. Nach und nach spielt sich das immer besser ein.

Jetzt suchen Sie nach Lieferanten, die Ihnen Rind-, Huhn- und Putenfleisch liefern können, finden aber kaum Landwirte. Wo liegt das Problem?

Strobl: Das größte Problem ist, dass wir gar nicht wissen, wo wir suchen sollen. Mir fehlt zum Beispiel eine Seite im Internet, wo wir Erzeuger finden, die Fleisch, Eier, Obst und Gemüse anbieten. Die Bauern sollten eine Internetplattform gründen, auf denen sie ihre Höfe und ihr Angebot präsentieren. Als Abnehmer hätte ich dann die Möglichkeit zu schauen, wer zum Beispiel rund um Berlin Tierwohl-Fleisch, Eier oder Gemüse produziert.

Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, muss der Berg zum Propheten kommen. Sollten die Bauern selbst aktiver werden und den Kontakt zu Großkonzernen mit eigenen Kantinen suchen?

Strobl: Für unser Unternehmen würde ich mir das wünschen. Und ich glaube, dass auch andere Industrieunternehmen Interesse an einem direkten Kontakt mit den Erzeugern hätten.

Wie groß ist das Absatzpotenzial in der Großgastronomie überhaupt?

Jentsch: In Deutschland essen allein in den über 960 Betrieben, die Mitglied beim Deutschen Institut für Gemeinschaftsgastronomie sind, täglich über 650.000 Menschen. Für die Bauern lohnt es sich also allemal, einmal darüber nachzudenken und nachzuhaken, ob man mit dem einen oder anderen deutschen oder internationalen Konzern ins Geschäft kommen kann.

Landwirte sind es aber nicht gewohnt, die Vermarktung selbst in die Hand zu nehmen. Wie tritt man an Sie bzw. Ihre Kollegen heran und welche Infos benötigen Sie?

Strobl: Wie bereits erwähnt, wäre für uns ideal, wenn wir im Internet eine Seite hätten, wo sich Bauern mit ihren Höfen und Produkten präsentieren. Dann könnten wir als Abnehmer schauen, wer für uns interessant ist und Kontakt zu dem jeweiligen Betrieb aufnehmen.

Wichtig bei der Präsentation ist, dass wir Informationen dazu finden, wie die Tiere gehalten werden, welches Futter sie bekommen und welche Vermarktungsmengen pro Woche möglich sind. Ganz wichtig sind natürlich auch aussagekräftige Bilder oder kleine Videos. Dadurch können wir uns einen besseren Eindruck verschaffen.

Jentsch: Die Bauern sollten mehr Mut haben und die Vermarktung ihrer Schweine stärker selbst in die Hand nehmen. Das Beispiel von Diana Marklewitz zeigt doch, wie das geht. Mein Appell lautet: Liebe Bauern, klopft ruhig bei den Konzernen an die Türen und werdet im Internet sichtbar!

Ein Landwirt liest dieses Interview und hat Interesse an einer Zusammenarbeit. Wie soll er sich melden?

Strobl: Unsere Kontaktdaten stehen im Internet unter https://new.siemens.com/de/de.html. Am einfachsten ist es, im Suchfeld den Namen einzugeben. Alternativ findet man mich auch unter https://new.siemens.com/de/de/unternehmen/ueber-uns/unternehmens struktur/real-estate/sre-restaurant-services.html

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Diese 50 Kantinen hat die Jury zu den besten Deutschlands gekürt, Quelle: Focus:

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