Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Sonstiges

Stilllegung 2024 Agrardiesel-Debatte Bürokratieabbau

topplus Aus dem Heft

Allein im neuen Stall

Lesezeit: 6 Minuten

Familie Höckmeier baut einen genehmigten Hähnchenstall. Kurz, bevor die Küken kommen, wackelt die Baugenehmigung nach einer Klage des Bund Naturschutz. Noch immer steht der Stall leer.


Das Wichtigste zum Thema Süd extra freitags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Familie Höckmeier findet ihre Hähnchenställe immer noch sinnvoll. Das berichtet sie im April an ihrem Küchentisch, eine Woche nach der Niederlage vor dem Verwaltungsgericht (VG) München. „Tierhaltung und Ackerbau gehören für einen gesunden Nährstoffkreislauf zusammen“, sagt Landwirtschaftsmeister Josef Höckmeier, und rechnet für seinen Betrieb in Eschelbach im Kreis Pfaffenhofen a.d. Ilm einen Viehbesatz von 0,5 Großvieh-einheiten pro Hektar vor. Nicht viel im Vergleich zu Veredelungsregionen.


Als Hofnachfolger Josef Franz Höckmeier 2010 seine Technikerarbeit in Triesdorf schrieb, stand die Familie vor einer Entscheidung: Sollten sie die Biogasanlage weiter ausbauen? Oder eher die Hähnchenmast? „Wir rechneten mit steigender Nachfrage nach Geflügelfleisch“, begründet Josef Franz seine Entscheidung für die Hähnchen.


Protest vorprogrammiert


Den Höckmeiers war schon damals bewusst, dass die Dorfgemeinschaft das Vorhaben nicht einfach abnicken würde. Dennoch beantragten sie 2012 eine Baugenehmigung. Bald wurde ihnen klar, dass sie eine detailliertere Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) vorlegen müssen.


Sie investierten daher weitere 30000 € in die UVP und legten ihren Plan 2014 erneut dem Landratsamt vor.


Die Größe der Ställe ergab sich von selbst. Das Gelände inmitten der Hopfenflächen auf einem Hügel vor dem Dorf gab den Platz für zwei Ställe mit je 50500 Mastplätzen her. Zusätzlich modernisierte die Landwirtsfamilie einen alten Stall mit nun 43600 Plätzen.


Dass der Widerstand letztlich so groß werden würde, hat sie dann doch überrascht, sagt Hauswirtschaftsmeisterin Renate Höckmeier. Sie zieht einen Stapel Postkarten hervor. Die Gegner des Baus konfrontierten die Landwirte selten direkt. Aber sie verteilten Flugblätter und starteten eine Postkartenaktion.


Strategie dahinter?


Die Höckmeiers vermuten, dass die Gegner beim Unterschriftensammeln eine klare Strategie hatten. Viele Leute hätten sie so oft an der Haustür besucht, bis diese unterschrieben. „Einer Bekannten sagte man, ihr Kind darf nicht mehr mit den anderen spielen, wenn sie nicht unterschreibt“, sagt Renate Höckmeier.


Die Agrarreferentin des Bund Naturschutz (BN) in Bayern, Marion Ruppaner, wisse zwar nicht, ob das stimmt. Es sei aber in der Regel nicht untersagt, für die eigene Position zu werben. „Dies ist durch die Meinungsfreiheit nach dem Grundgesetz geschützt“, sagt Ruppaner zu Südplus. Die Unterschriften legte der BN schließlich dem Landratsamt vor und nutzte sie für eine Petition an den Landtag. Diese ist wegen des laufenden Rechtsverfahrens aber zurückgestellt.


Die ständige Auseinandersetzung hat Spuren an der Familie hinterlassen. „Sie überlagerte manchmal freudige Ereignisse wie die Geburt meiner Enkel“, sagt Renate Höckmeier. Umso mehr freuten sich die Landwirte über den Rückhalt im Freundeskreis. Und die Verpächter stimmten in vielen Fällen Vertragsverlängerungen zu, um den Betrieb bei der Futtergrundlage zu unterstützen.


2018 klagte der BN gegen das Landratsamt. Man habe Bedenken bezüglich der Futtergundlage und der UVP. Da hatten die Höckmeiers bereits den Bau begonnen, nachdem sie im Herbst 2016 eine Teilbaugenehmigung erhalten hatten. Freiwillig bauten sie einen Abluftwäscher ein, der Staub filtert und Ammoniak in den Dünger Ammoniumsulfat verwandelt – für eine halbe Million Euro extra. Zudem erfüllt der Stall die Kriterien der Initiative Tierwohl.


Im Sommer 2018 folgte die Ernüchterung: Der Stall war fertig, die Küken bestellt, die Aufstallung stand binnen einer Woche bevor. Da gab der Bayerische Verwaltungsgerichtshof einem Eilantrag des BN statt. Zwar sei die Fläche des Betriebs in den Jahrzehnten zuvor stetig gewachsen. Dass er auch künftig stets eine ausreichende Futtergrundlage haben wird, lasse sich daraus aber nicht ableiten, so die Richter.


Kosten da, Tiere nicht


Seither haben die Höckmeiers einen Stall für rund 2,5 Mio. € ohne Tiere – und laufende Kosten für Heizung, Kapitaldienst und Versicherung. Im Hauptverfahren zeichnete sich schon im Januar ab, dass das VG München bei der Futtergrundlage auch einen Eiweißpflanzenanbau einrechnen würde. Da der rechnerische Ertrag dabei niedriger ist als bei Weizen oder Mais, braucht der Betrieb mehr Fläche.


Vorsorglich boten die Höckmeiers an, die Mastplätze um 20000 zu reduzieren. So hätten die 250 ha, die sie langfristig gepachtet haben, als Futtergrundlage gereicht. Insgesamt bewirtschaftet die Familie 390 ha. Doch das Gericht urteilte anders.


Baurechtsexperten finden an dem Urteil nichts überraschendes (siehe top agrar 5/2019, S. 30). Die Höckmeiers gehen dennoch in Berufung. Sie sehen drei Fehler im Urteil:


  • Das VG habe den Eiweißanteil der Ration aus einem DLG-Merkblatt von 2007 angesetzt. Doch die Geflügelbranche habe diesen seither stark reduziert.
  • Das Endmastfutter enthält weniger Protein und macht 45% der Gesamtmenge aus. Das Gericht habe das nicht berücksichtigt.
  • Außerdem hätte es die Reduzierung um 20000 Plätze akzeptieren müssen.


Vom Bayerischen Bauernverband (BBV) hätte sich die Familie mehr Interesse gewünscht. „Da das Thema künftig alle privilegierten Bauvorhaben betreffen könnte, dachten wir, dass sich der Verband öfter mal bei unserem Anwalt nach dem Stand erkundigt“, so Josef Franz. Das habe letztlich nur der Landesverband der Bayerischen Geflügelwirtschaft getan.


Der BBV wiegelt ab: Man habe sich zwar in dem Fall positioniert und ein großes Problem für künftige Stallbauprojekte bemängelt. Zu viel politische Begleitung wäre aber nicht unbedingt gut für die Höckmeiers gewesen. Auf der rechtlichen Ebene habe es Austausch mit der Kanzlei der Familie gegeben, man könne deren Arbeit aber nicht ersetzen, so BBV-Sprecher Markus Peters.


Indes haben die Vorgänge Familie Höckmeier ins Grübeln gebracht. Nur, weil Ackerbau und Biogasanlage gut laufen, könne man sich den Rechtsstreit leisten, sagt Josef Höckmeier.


Risiko beim Landwirt


Er hält es für ein Versagen der Politik, dass Naturschutzorganisationen risikofrei gegen Stallbauten klagen können, während die Landwirtsfamilien Einnahmeausfälle voll tragen müssen. Dennoch wollen die Höckmeiers das Verfahren nun durchziehen. „Für uns ist es nur eine Frage der Zeit, bis wir loslegen dürfen“, sagt Josef Franz.


claus.mayer@topagrar.com

Die Redaktion empfiehlt

top + Letzte Chance: Nur noch bis zum 01.04.24

3 Monate top agrar Digital + 2 Wintermützen GRATIS

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.