Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Sonstiges

Stilllegung 2024 Agrardiesel-Debatte Bürokratieabbau

topplus Tierwohl

So teuer ist die Mast in Tierwohlställen

In Süddeutschland boomen Tierwohl- und Fütterungsprogramme für Schweinefleisch. Doch lohnt sich die Labelmast für die Landwirte? Südplus fragte beim Agrarökonomen Josef Weiß, LfL, nach.

Lesezeit: 7 Minuten

In Süddeutschland boomen Tierwohl- und Fütterungsprogramme für Schweinefleisch. Doch lohnt sich die Labelmast für die Landwirte? Südplus fragte beim Agrarökonomen Josef Weiß, LfL, nach.


Das Wichtigste zum Thema Süd extra freitags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Immer mehr Abnehmer bieten Labelprogramme für Schweinefleisch an. Welche Bedeutung haben diese Programme inzwischen?


Josef Weiß: Die Bedeutung ist nach meiner Einschätzung nach wie vor gering. Wir haben regionale Unterschiede, aber in der Summe haben sie etwa einen Marktanteil wie Öko-schweinefleisch, also ca. 1%. Nicht berücksichtigt sind die Betriebe, die nur an der Initiative Tierwohl teilnehmen, sowie die Programme mit GVO-freier Fütterung ohne Haltungsauflagen.


Welche Mehrkosten entstehen durch die GVO-freie Fütterung nach VLOG-Kriterien?


Weiß: Wenn ich den GVO-Soja durch GVO-freien Soja ersetze, würde das bei 9 €/dt Preisdifferenz ca. 5 € pro erzeugtem Mastschwein mehr kosten, bei 12 €/dt Preisdifferenz 6,30 €. Hierbei ist aber der Zuschlag für die Regionalität nicht enthalten. Wenn regional oder im eigenen Betrieb erzeugte Futtermittel eingesetzt werden müssen, z.B. regional erzeugter Soja, wird es teurer. Andererseits sinken die Umstellungskosten, je mehr ein Betrieb N/P-reduziert füttert und freie Aminosäuren einsetzt.


Die derzeit angebotenen Programme mit GVO-freier Fütterung, z.B. von der Edeka-Südbayern und von Schillerfleisch dürften deshalb für etliche Betriebe wirtschaftlich interessant sein.


Welche Mehrkosten entstehen, wenn ich nur in der Mast ab 30 kg Lebendgewicht GVO-frei füttern muss?


Weiß: In diesem Fall geht etwa ein Viertel der Mehrkosten weg, das heißt, der zusätzliche Aufwand würde dann um etwa 1,50 € pro erzeugtem Mastschwein sinken.


Welche Kosten verursachen Ställe mit 0,9 m2 Buchtenfläche pro Tier, die Landwirte über AFP fördern lassen können, im Vergleich zu Neubauten mit 0,75 m2 pro Tier ohne Förderung?


Weiß: Wir haben hier unterm Strich praktisch Kostengleichheit. Die Gebäudekosten sind rund 10 bis 12% höher, weil wir mehr umbauten Raum, aber die gleiche Technik haben. Nach Saldierung der Förderung – in Bayern ist das ein Zuschuss von maximal 100000 € – haben wir praktisch Kostengleichheit. Die Gebäude- und Kapitalkosten pro erzeugtes Mastschwein liegen bei beiden Varianten bei 22 bis 23 € pro Schwein (siehe Übersicht 1).


Die Ställe mit dem höheren Platzangebot würden übrigens Stufe 2 des Ampelsystems des LEH und das höhere Platzangebot bei der Initiative Tierwohl erfüllen und somit etwas mehr erlösen.


Wie teuer sind Pigportställe, die den Tieren etwa 0,9 m2 Buchtenfläche bieten, aber strohlos gefahren werden?


Weiß: Die kosten etwa gleich viel wie die genannten konventionellen Systeme. Die Gebäudekosten sind etwas geringer, aber wir haben einen höheren Arbeitszeitbedarf, vor allem wegen der Reinigung der Festflächen. Bei den Direktkosten sind die Unterschiede gering, weil den geringeren Energiekosten im Pigport eine etwas ungünstigere Futterverwertung gegenübersteht.


Was kosten Tierwohlställe mit 1,1 m2 pro Mastschwein, die etwa der Haltungsstufe 3 des LEH entsprechen?


Weiß: Wir haben bei dieser Variante mit einer Minimaleinstreu von 100 g pro Tier und Tag gerechnet. Die Kosten steigen erheblich an, weil der umbaute Raum größer und mehr Technik erforderlich ist, um das Stroh einzubringen bzw. den Mist und die Reste des Strohs wieder aus dem Stall zu entfernen. Es ist mehr Arbeitsaufwand erforderlich, vor allem für die Einstreu und die Reinigung. Wir rechnen hier mit rund 2 Akh pro erzeugtem Mastschwein. Exakte Zahlen haben wir dazu leider nicht. Aber wir wissen aus der Praxis, dass sich der Reinigungsaufwand deutlich erhöht. Und das benötigte Stroh müssen wir natürlich auch berücksichtigen.


Welche Kosten sollten die Landwirte pro dt Stroh ansetzen?


Weiß: Wir haben drei große Kostenblöcke für das Stroh: den Materialwert, die Bergungs- und schließlich die Lagerungskosten einschließlich der Bereitstellung des Strohs im Stall. Der Strohwert trägt mit rund 20% zu den Gesamtkosten bei, die Arbeitserledigung und Technik mit 40% und die Lagerungskosten ebenfalls mit 40%. In der Summe ergeben sich einschließ-lich der Mehrwertsteuer rund 12 € pro dt Stroh.


Was entspricht das an Strohkosten pro erzeugtem Mastschwein?


Weiß: Je 100 g Strohverbrauch pro Tier und Tag ergibt das 1,45 € pro erzeugtem Mastschwein, bei 300 g wären es 4,30 € und bei 500 g sogar 7,25 €. Nicht berücksichtigt sind dabei das Verteilen des Strohs im Stall und der zusätzliche Entmistungsaufwand.


Bei einem Auslauf und 300 g Stroh pro Tier und Tag steigen die Gesamtkosten pro Tier noch einmal um knapp 15 € pro erzeugtem Mastschwein. Wie kommt dieser nochmalige Kostensprung zustande?


Weiß: Bedingt durch den Auslauf steigen die Gebäudekosten. Ebenso der Strohaufwand und der Arbeitszeitbedarf, weil ich mehr Stroh zu bewegen und mehr Fläche zu reinigen habe. Da mehr Mist anfällt, haben wir auch höhere Technikkosten angesetzt. Gegenüber der Variante mit 1,1 m2 und Minimaleinstreu ergibt das Mehrkosten pro erzeugtem Schwein von 5 € fürs Gebäude, 3 € für die Arbeit, 4 € bei den Direktkosten und 3 € fürs Stroh.


Decken die Zuschläge für gängige Tierwohlprogramme, z.B. das Wertschätze-Programm von Kaufland oder das Hofglück-Programm der Edeka-Südwest, die Mehrkosten ab?


Weiß: Das Wertschätze-Programm entspricht wegen des höheren Platzbedarfs von 40% dem Tierwohlstall mit 1,1 m2. Weil Stroh nur als Beschäftigungsmaterial gefordert ist, sind die Strohkosten etwas geringer, sodass ich in der Rechnung in Übersicht 1 rund 1 € abziehen kann. Trotzdem habe ich noch einen Mehraufwand von 16 bis 17 €. Wenn ich dann noch die Mehrkosten für die GVO-freie Fütterung rechne, dann ist der Wertschätze-Zuschlag von 20 € eigentlich zu gering, zumal ich diesen nicht für alle Tiere bekomme.


Wie rechnet sich das Hofglück-Programm? Hier haben wir einen Mindestpreis von 2,19 € pro kg SG bzw. 40 ct pro kg über VEZG-Preis. Dafür beträgt der Mindestpreis fürs Ferkel 75 € pro Tier. In der Endmast sind mit Auslauf 1,5 m2 gefordert. Zudem sind Strohhaltung, GVO-freie Fütterung und Langschwanz vorgeschrieben.


Weiß: Auch hier wird es sehr knapp, vor allem, wenn wir die Kosten für den Langschwanz berücksichtigen, die wir schwierig einschätzen können. Allein für Stall, Arbeit, Direktkosten und Stroh haben wir schon einen Mehraufwand von rund 30 ct pro kg SG, hinzu kommen die höheren Ferkelkosten von rund 20 ct/kg SG plus die Kosten für die GVO-freie Fütterung. Dann bewegen wir uns schon bei Mehrkosten von 55 bis 60 ct/kg SG.


Wie beurteilen Sie die zehnjährige Preisgarantie der Edeka?


Weiß: Das ist ein gewisses Risiko für den Landwirt. Denn es könnte sein, dass in zehn Jahren mit dem Programm Schluss ist. Der Stall ist in zehn Jahren aber noch nicht abgeschrieben.


Wie ist die Wirtschaftlichkeit zu beurteilen, wenn die erforderlichen Haltungsvoraussetzungen mit einer Umbaumaßnahme erfüllt werden können?


Weiß: Dann kann es für den Landwirt interessant sein, vor allem wenn der vorhandene Stall schon weitgehend die bestehenden Kriterien erfüllt. Allerdings ist der Umbau eines konventionellen wärmegedämmten Stalles mit Zwangslüftung in einen Tierwohlstall oftmals schwierig. Nicht immer ist es bautechnisch möglich, einen Auslauf oder Außenklimabereich einzurichten oder dafür eine Genehmigung zu bekommen?


Welche Vollkosten ergeben sich bei der Biohaltung und deckt der Marktpreis sie ab?


Weiß: Bei der Ökoschweinehaltung haben wir große einzelbetriebliche Unterschiede. Nach unseren Kalkulationen ergeben sich Vollkosten von 3,70 bis 3,75 € pro kg SG ohne Mehrwertsteuer (siehe Übersicht 2). In den letzten drei Jahren hat der Marktpreis im Durchschnitt die Vollkosten abgedeckt. Allerdings handelt es sich um einen sehr engen Markt. Deshalb ist fraglich, ob der Preis hält, wenn weitere Landwirte in die Bioschweinehaltung einsteigen. Umsteller sollten deshalb den Absatz vorher geklärt haben.


Welches Fazit ziehen Sie für die Wirtschaftlichkeit von Labelprogrammen?


Weiß: Die Aufschläge decken vielfach nur knapp die höheren Kosten der Programme ab. Allerdings sind die Kosten betriebsindividuell sehr unterschiedlich. Der Markt, sprich die Nachfrage, ist noch klein, obwohl viel darüber gesprochen wird.


Der Zuschlag sollte allerdings höher sein als die errechneten Mehrkosten. Denn es besteht das Risiko, dass nicht alle Tiere einen Zuschlag bekommen und das Programm nur zeitlich begrenzt läuft. Und die Landwirte sollten auch Teilhabe an der Wertschöpfung dieses Premiumproduktes haben. Viele Vermarkter orientieren sich nur an den höheren Kosten der Landwirte. Das wollen sie ausgleichen. Aber damit springen sie zu kurz. Die Landwirte haben auch einen Anspruch auf einen Risikozuschlag und einen Unternehmergewinn.


klaus.dorsch@topagrar.com

Mehr zu dem Thema

Die Redaktion empfiehlt

top + Letzte Chance: Nur noch bis zum 01.04.24

3 Monate top agrar Digital + 2 Wintermützen GRATIS

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.