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Was bringt Pflanzenkohle auf dem Acker?

Lesezeit: 6 Minuten

Immer mehr Landwirte versuchen, mit Pflanzenkohle ihre Böden zu verbessern. Welche Effekte stellen die Pioniere bisher fest? Südplus hat sich umgehört.


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Mit Pflanzenkohle sorge ich für ein aktiveres Bodenleben und für wüchsigere Bedingungen. Gleichzeitig neutralisiere ich damit saure Böden“, glaubt Gunther Herrmann. Der Ackerbauer mit Getreide- und Maisanbau sowie Sonderkulturen aus Hergersweiler in Rheinland-Pfalz setzt seit mehr als sechs Jahren Kohle auf seinen Flächen ein. Er mischt sie gemeinsam mit den sogenannten Effektiven Mikroorganismen (EM) in Mist oder Kompost ein, den er nach der Rotte auf seinen Äckern verteilt. „Wir versuchen damit letztlich die fruchtbaren Terra-Preta-Böden im Amazonasgebiet nachzuempfinden“, erklärt Herrmann.


Was ist Pflanzenkohle?

Bei Pflanzenkohle handelt es sich um Kohlenstoff mit mineralischen Bestandteilen, die nach der Erhitzung (500 bis 600°C) und Verkohlung von Pflanzenmaterial im sogenannten Pyrolyseverfahren übrig bleiben. Durch hydrothermale Carbonisierung lässt sich zwar ähnliches Material (HTC-Kohle) herstellen, aber keine klassische Pflanzenkohle. Dieses Verfahren arbeitet mit niedrigeren Temperaturen (180 bis 250°C), dafür aber mit Wasser und Druck.


Obwohl die vielfältigen positiven Wirkungen der Pflanzenkohle in aller Munde sind (siehe Südplus Nr. 6/2017, ab Seite 40; top agrar Energiemagazin Ausgabe 3/2017, ab Seite 8), muss man Landwirte, die sie bereits auf ihren Äckern einsetzen, suchen. Fündig wird man vor allem bei Praktikern, die mit EM schon langjährige Erfahrung haben und generell offen sind für das Thema Bodenhilfsstoffe (siehe top agrar 8/2016, S. 50).


Nicht ohne Mikroorganismen:

Denn im Boden soll die Pflanzenkohle durch ihre große Oberfläche neben Wasser auch Nährstoffe (u.a. Nitrat) binden, sodass diese weniger ausgewaschen oder emittiert werden, aber dennoch für die Kulturpflanzen verfügbar bleiben. In verschiedenen nationalen und internationalen Studien konnte laut Professor Bruno Glaser von der Universität Halle-Wittenberg signifikant nachgewiesen werden, dass Pflanzenkohle die Kohlenstoff- und Wasserspeicherung im Boden erhöhe. Neben einer besseren Verfügbarkeit von Phosphor, sorge sie für mehr mikrobielle Biomasse und geringere Lachgas- und Methanemissionen.


Was den Ertrag angeht, sind die Ergebnisse bisher verhalten: In dreijährigen Feldversuchen konnte Dr. Markus Mokry, LTZ Augustenberg, in den Biokohle-Varianten mit 20t TM/ha nur tendenziell ein besseres Ertragsniveau als bei den Varianten ohne Pflanzenkohle (Übersicht Seite 24) feststellen. „Die Biokohle erhöhte die Gesamt-N- und C-Gehalte am Standort. Insgesamt war die Stickstoffeffizienz beim kombinierten Kohleeinsatz vereinzelt besser als bei mineralischer N-Düngung allein.“ Bei den löslichen Nährstoffen P und K habe man dagegen keine Veränderung festgestellt. Das höhere C/N-Verhältnis lasse auf den Aufbau stabiler Humusformen schließen.


Im Gefäßversuch erzielte der Wissenschaftler durch die Zugabe von 10 bis 20t TM/ha Pflanzenkohle in Kombination mit Kompost je nach Boden Mehrerträge von 7 bis 16%. Sowohl die pflanzenbaulichen Eigenschaften als auch die Bodenfruchtbarkeit entwickelten sich mittelfristig positiv. Mokry sieht den Einsatz der Kohle vor allem auf leichten Standorten mit schlechter Wasserversorgung als förderlich an. „Allerdings ist zur Absicherung von Ertrag und Qualität dennoch eine zusätzliche N-Düngung ratsam.“


Nur in Kombination:

Sie „pur“ auf die Fläche auszubringen, sei laut Experten, kontraproduktiv, weil es dabei zu einer Stickstoffblockade kommen könne. „Für eine effiziente Wirkung sollte Pflanzenkohle nur gemeinsam mit einer organischen Nährstoffquelle ausgebracht werden“, sagt Nikolas Hagemann vom Ithaka-Institut in Freiburg, das sich auf das Biorecycling von Kohlenstoff spezialisiert hat. Daher erfolgt der Einsatz in der Praxis – wie bei Gunther Herrmann – oft über die Gülle, in Mist oder in Kompost.


Die Pioniere kombinieren die Kohle zudem noch mit EM – einer Mischung aus verschiedenen aeroben und anaeroben Bakterien – um gleichzeitig das Bodenleben zu aktivieren, den Humusaufbau positiv zu beeinflussen und um möglicherweise vorhandene negative Organismen bzw. Fäulnisprozesse zu unterdrücken.


Die Industrie bietet diese Zusätze oft bereits in Kombination mit Gesteinsmehl oder Tonmineralien an, die weitere Mineralien liefern und durch ihre große Oberfläche ebenfalls Nährstoffe speichern sollen.


Langfristige Effekte?

In der Praxis sind die tatsächlichen Effekte der Pflanzenkohle noch schwer greifbar: „Direkt bodenverbessernde Effekte stelle ich bisher nicht fest. Wir bringen aber auch nur wenige Kilogramm pro Hektar und Jahr aus“, meint Thomas Unkelbach aus Hergolding (Lkr. Ebersberg), Landwirt und Vertreiber von Pflanzenkohle.


Das sieht Nikolas Hagemann, der auch im Vorstand des Fachverbandes Pflanzenkohle sitzt, ähnlich: „Insbesondere der kurzfristige Effekt kann sowohl vom Standort als auch von der Kultur abhängen.“ Und auch von der Dosis: „Bei über 10t/ha stellen sich die Wirkungen der Kohle sofort ein, bei nur 1t/ha im Jahr dauert das entsprechend länger“, sagt Prof. Glaser. Allerdings ist nach bisherigen Erkenntnissen auch Vorsicht vor einer Überdosierung geboten.


Dr. Markus Mokry, LTZ, hat bei einer Gabe von 50t TM/ha einer Mischung aus Kohle mit Gärresten ein Absterben der Pflanzen im Jugendstadium beobachtet. „Zu empfehlen sind aus meiner Sicht 20 bis 30t TM/ha Kohle.“ Die Anbieter geben für Gülle eine Dosierung von etwa 2Vol.-% Kohle (5 bis 6l pro m3) an, bei Kompost ca. 10 Vol.-% (20l/m3).


Offizialberatung zurückhaltend:

Der landwirtschaftlichen Offizialberatung reichen die bisherigen Studien und Erfahrungen mit der Pflanzenkohle für konkrete Empfehlungen im Ackerbau noch nicht aus.


Was fehlt sind bislang aussagekräftige Langzeitversuche im Feld. Vor allem auf die Frage nach der Fracht an Schadstoffen, die man sich möglicherweise mit der Kohle auf den Acker holt, erwarten sie Antworten.


Die Ackerbauern lassen sich von dieser Skepsis nicht beeinflussen: Für das Versprechen eines fruchtbareren Bodens, der in Zeiten des Klimawandels mehr Wasser speichern kann, nehmen sie hohe Kosten in Kauf. Gehandelt wird die Pflanzenkohle vielfach zu Preisen von 400 bis 470€/t netto. Für Nikolas Hagemann ist dieser Betrag für eine ordentliche Kohlequalität noch zu günstig: „Gute Pflanzenkohle ist kaum für weniger als 600€/t produzierbar.“


Im Feld zu beachten:

Wer Pflanzenkohle einsetzen will, sollte zudem darauf achten, dass sie über ein freiwilliges Europäisches Pflanzenkohle-Zertifikat (European Biochar Certificate, EBC) verfügt und somit eine gewisse Produktsicherheit erfüllt. Laut Ithaka-Institut in Freiburg könne man seine eigene, schadstofffreie Pflanzenkohle auch selbst nach dem sogenannten „Kon-Tiki-Verfahren“ herstellen.


Ideal sei die zielgerichtete Ausbringung des angereicherten Mists oder Komposts in die Wurzelzone, so Nikolas Hagemann. Dann reichten Mengen von unter 1t/ha aus. Im Grünland könne Pflanzenkohle ohne Einarbeitung ausgebracht werden. „Regenwürmer transportieren die Kohle mit der Zeit in den Boden und verringern bei der späteren Gülleausbringung die Emission von Treibhausgasen.“


Unerwünschte Nebenwirkungen gebe es bisher nicht, sagen die befragten Ackerbauern. Ackerbauer Gunther Herrmann: „Beim Einsatz kann man eigentlich nichts falsch machen, außer zu schnell Wirkungen zu erwarten.“


Wir halten fest:

Pflanzenkohle verfügt über viele für Ackerböden vorteilhafte Eigenschaften, die aber bisher vor allem in Gefäßversuchen nachgewiesen werden konnten. Im Feld gibt es kaum langfristige Erfahrungen damit. Um das Potenzial dieses „recycelten“ Düngers vollständig zu erschließen, sind jetzt mehr Praxisstudien nötig.


Kontakt: silvia.lehnert@topagrar.com

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