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Wertschätzung wirkt Wunder

Lesezeit: 6 Minuten

Liebesbekundung, Lob, Dankbarkeit: Was genau ist nun Wertschätzung? Peter Jantsch, Agraringenieur und systemischer Coach, zeigt, was es mit dem eher sperrigen Begriff auf sich hat.


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Ein Altenteiler wird gefragt, was er denn an seiner Frau schätze, und ob er ihr das auch persönlich sagen kann. Nach langem Überlegen sieht er sie an und sagt zu ihr: „Du hast immer so lecker gekocht!“ Die Altentei- lerin freut sich …


Was hier wie eine Reduzierung auf nur einen kleinen Aspekt seiner Frau aussieht, ist dennoch eine echte Liebeserklärung. Denn in dieser Generation herrschen oft andere Werte vor, die aus einer anderen Zeit und landwirtschaftlichen Realität kommen. Zusammen den Alltag zu meistern und dabei gut und schmackhaft zu essen, stellte ein großes Gut dar. Darüber hinaus: Geredet wird eh nicht viel, über Persönliches schon gar nicht. Sich differenziert über seine Gefühlslage auszusprechen, ist etwas, das erlernt werden muss. Und es muss einem vertraut sein, damit es leicht über die Lippen kommt.


Kinder, Stall und Ehrenamt


Ein junges Paar, erschöpft und enttäuscht, in der „Rushhour“ des Lebens, kleine Kinder, den Hof gerade übernommen, ein neuer Stall wird gebaut. Sie sollen sich sagen, was sie aneinander toll finden. „Du kannst gut organisieren“ – „Du bist witzig und intelligent“ – „Du hast Energie“ – „Du kannst offen mit Kunden umgehen“ – Du bist ein guter Vater“ – „Du siehst super aus“ – „Du kannst gut tanzen“.


Das ging eine lange Zeit hin und her, und ihnen fiel immer wieder etwas ein. Anschließend war eine Weile Stille, die mit der Zeit immer leichter und heiterer wurde. Sie haben begriffen, was sie aneinander haben. Wie gut, dass sie sich das mal gesagt haben!


Erst vor Kurzem hatte ein langjähriger Mitarbeiter gekündigt. Der Landwirt und seine Frau sind darüber sehr erschrocken und fragen ihn, warum. Irgendwann brach es regelrecht aus ihm heraus: „Ich habe das Gefühl, ihr seid nur noch unzufrieden mit mir! Früher tranken wir nach der Ernte zusammen ein Bier oder wir standen nach dem Melken zusammen und freuten uns an der erledigten Arbeit. Aber das hat komplett aufgehört! Du bist nur noch gereizt und sagst kaum noch ein Wort. Wenn ich mit zu euch an den Tisch komme, herrscht eisiges Schweigen. Wenn ich was falsch mache, dann sagt mir das klar und deutlich, aber so – nein!“


Wertschätzung und lob


Der Landwirt und seine Frau schauen sich betreten an, dann schauen beide zu Boden. Schließlich nimmt sich die Frau ein Herz und sagt, dass das nichts mit ihm zu tun hat. Sie beide haben seit Längerem Stress miteinander und wissen da nicht weiter. Darüber hätten sie auch ihre gute Laune und den Blick für ihn verloren.


Der Landwirt fügt hinzu: „Für uns bist du im Moment die tragende Säule. Wir schätzen deine Zuverlässigkeit, Ruhe und Erfahrung sehr. An dir halten wir uns gerade fest. Das ist nicht fair von uns, entschuldige. Bitte bleibe. Und danke, dass du uns die Augen für unsere Situation geöffnet hast.“


Auf Höfen wird insgesamt zu wenig gelobt. Dabei sind Wertschätzung und Anerkennung eine der stärksten Formen der Motivation. Warum findet sie dennoch so wenig Anwendung? Oft wird Wertschätzung mit Lob gleichgesetzt. Dabei ist es nicht das Gleiche. Lob bezieht sich auf erbrachte Leistung, umfasst ein positives Ergebnis und enthält meistens eine Beurteilung. Darum funktioniert es nur hierarchieabwärts. Ein Lob kann gönnerhaft wirken und den Empfänger kleinmachen. ▶


Wertschätzung dagegen ist Anerkennung auf Augenhöhe. Bei ihr geht es darum, Respekt zu zeigen, Freude zu teilen oder Anerkennung auszusprechen für etwas, was gut gelungen ist. Dabei wird der ganze Mensch gesehen, unabhängig vom Ergebnis. Wertschätzung ist deshalb in „jede Richtung“ möglich.


Nicht gemotzt ist Lob genug?


Was bewirkt kritisieren? Vielfach wird geglaubt, wenn man jemanden für ein Fehlverhalten ordentlich kritisiert, würde das zu Verbesserungen in seinem Verhalten führen. Aber: Kritik wird oft, auch wenn sie sachlich gemeint ist, als persönlicher Angriff empfunden.


Aus der modernen Hirnforschung ist bekannt, dass diejenigen Verhaltensmuster aktiviert werden, auf welche die Aufmerksamkeit gerichtet ist. Und da ist es für das Gehirn egal, ob kritisiert oder gewertschätzt wird. Aufmerksamkeit ist Aufmerksamkeit. Mit Kritik an unerwünschtem Verhalten (Aufmerksamkeit = Aktivierung) lässt sich erwünschtes Verhalten nicht fördern.


Wollen wir ein erwünschtes Verhalten stärken, müssen wir diese Stärken betonen (Aufmerksamkeit = Aktivierung). Der Verzicht auf Kritik bringt es nicht (keine Aufmerksamkeit = keine Aktivierung). Das geht nur durch aktives Wertschätzen. „Nicht gemotzt ist Lob genug“ ist also auch aus neurobiologischer Sicht falsch.


Wertschätzung hingegen fördert die Leistungsfähigkeit und Arbeitsplatz-Zufriedenheit von Mitarbeitern, das ist in zahlreichen Untersuchungen belegt. Wertschätzung zu erhalten tut gut und ist eine der stärksten Formen der Motivation. Es zeigt, dass man als individuelle Person gesehen und wahrgenommen wird. Man wird an seine Stärken erinnert und an das, was einen auszeichnet. Wenn man sich als Mensch anerkannt und gewertschätzt fühlt, fällt es einem viel leichter, sachliche Kritik zu hören und anzunehmen.


Eine Kultur des Wertschätzens führt zu positiven Beziehungen und schafft ein gutes Betriebsklima. Das hat eine höhere Mitarbeiter-Zufriedenheit zur Folge, verringert Unfälle und wirkt sich positiv auf die Leistungsfähigkeit des Betriebes aus. Eine wertschätzende Unternehmenskultur verringert nachweislich die Fehltage von Mitarbeitern und stärkt die Bindung an den Arbeitgeber.


Auch Eigenlob kann guttun


Nicht nur Wertschätzung zu erhalten, setzt positive Emotionen frei, auch wenn man selbst Wertschätzung äußert.Aktives Wertschätzen erhöht den Selbstwert: „Ich bin ein Mensch, der dazu beiträgt, dass es anderen Menschen und dem Betrieb besser geht!“ Und obwohl der Spruch „Eigenlob stinkt“ fest in unseren Köpfen verankert ist – Wertschätzen darf man auch sich selbst! Wenn einem etwas gelungen ist, wenn man sich etwas hart erarbeitet oder etwas Neues gelernt hat, darf man das würdigen! Das können auch kleine Dinge sein.


Wertschätzung zu geben, ist eigentlich weder kompliziert noch teuer. Oft kostet sie nur Überwindung. Sie ist eine Quelle für Motivation und Kraft, die oft brachliegt. Und sie ist gerade in Zeiten, in denen die Landwirtschaft so vielen Anfeindungen von außen ausgesetzt ist, enorm wichtig.


anja.rose@topagrar.com

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