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"FFH bremst mich aus"

Andreas Schanz aus Schwaben sah seine Zukunft in der Milchproduktion. Doch plötzlich sind 53 statt 15 ha seiner Mähwiesen FFH-Gebiet - das Aus für den Plan.

Lesezeit: 6 Minuten

Schnell Gelesen:

  • Milchviehhalter Andreas Schanz hat durch eine FFH-Nachkartierung statt 15 ha plötzlich 53 ha FFH-Mähwiesen.

  • Die Bewirtschaftungsauflagen bremsen seine betriebliche Zukunft als Milchviehbetrieb im Vollerwerb aus.

  • Eine wirtschaftliche Grundfutterleistung ist damit nicht möglich.

  • Ein Flächentausch ist bei einem so hohen Flächenanteil kaum realistisch.

  • Andreas Schanz bleibt nur ein Härtefallantrag oder die komplette Neuausrichtung seines Betriebes.

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"Für mich war immer klar, dass ich den Milchviehbetrieb meiner Eltern weiter führe. Geplant war ein neuer Laufstall für 80 Kühe mit Melkroboter", schildert Andreas Schanz (31) aus Römerstein-Donstetten (Lkr. Reutlingen) seine Vorstellungen.

Zum 1. Juli diesen Jahres ist die Hofübergabe geplant, spätestens dann wollte der Landwirtschaftsmeister in die Vollen gehen. Der junge Betriebsleiter träumte von mehr Komfort für die Kühe und von einer besseren Arbeitswirtschaft. Denn bisher molk er gemeinsam mit seinem Vater Christian und Mutter Heide 50 HF-Kühe im Anbindestall mit Rohrmelkanlage.

Über 50 % FFH-Anteil

Die Nachkartierung der Natura 2000-Gebiete in den Jahren 2012/2013, die auch außerhalb der bestehenden FFH-Gebiete stattfand, machten die Träume des jungen Landwirts aber jäh zunichte. Denn dadurch wurden aus seinen bisher 15 ha FFH-Mähwiesen plötzlich 53 ha! Auf einen Schlag sollte nun über die Hälfte seiner 100 ha Grünland extensiv bewirtschaftet werden. Und das bedeutet: deutlich weniger düngen und später schneiden. Damit nicht genug: „Die meisten neu kartierten FFH-Flächen sind so kleinteilig und unförmig, dass wir bei der Bewirtschaftung einen erheblichen Mehraufwand haben“, sagt Schanz (siehe Kartenausschnitte). Zum Teil seien die Flecken nur 100 bis 200 m2 groß. Da ist eine teilflächenspezifische Bewirtschaftung extrem aufwendig und ohne GPS fast nicht möglich.

Der Landkreis Reutlingen verfügt zwar über sehr viel FFH-Flächen, einen solch hohen Anteil wie Andreas Schanz hat jedoch kaum ein anderer Vollerwerbsbetrieb mit Kühen. „Natürlich stellt sich nach der Neukartierung die Frage nach meiner Zukunft in der Milcherzeugung komplett neu, denn mit dieser Futterqualität sind keine Grundfutterleistungen von 3 000 bis 5 000 kg möglich. Und somit ist die Rentabilität des gesamten Betriebszweiges infrage gestellt“, so der junge Mann. Bereits mit 50 Kühen sei die Rechnung trotz der FAKT-Förderung von jährlich 280 €/ha knapp, für eine Neuinvestition erst recht. „Unsere Milchleistung von 6 500 kg ist nur mit einem hohen Kraftfutteraufwand möglich. Denn mit FFH-Grundfutter kommen wir lediglich auf 1 700 bis 2 000 kg.“

Bis 30 % Wirtschaftlich

Betriebswirtschaftler bestätigen seine Befürchtung: „Bis zu einem FFH-Anteil von schätzungsweise 20 bis 30 % am gesamten verfügbaren Grünland ist eine wirtschaftliche Milchproduktion möglich. Denn dieser Aufwuchs lässt sich noch gut an Jungvieh oder Trockensteller verfüttern. Darüber hinaus wird es sehr schwer“, sagt Dr. Lukas Kiefer von der Universität Hohenheim. Ein tragfähiges Investitionskonzept bekomme man dann nicht mehr vernünftig gerechnet, weil die Grundfutterleistung einfach nicht ausreiche, so der Agrarökonom, der den Betrieb Schanz im Rahmen des EIP-Projektes „Nachhaltige Grünlandnutzung in ausgewählten Problemgebieten“ durchleuchtet hat.

Die Biomilchviehhaltung, die Mutterkuhhaltung und auch die Weidemast scheiden als Alternativen ebenfalls aus, weil die FFH-Mähwiesen nicht beweidet werden dürfen. „Und der Verkauf von FFH-Heu, das häufig mit Herbstzeitlose versetzt ist, bringt mich auch nicht weiter“, sagt der Unternehmer. Das zuständige Landratsamt in Reutlingen schlägt ihm den Anbau von Ackerfutter vor, um ausreichend hochwertiges Futter für das Milchvieh zu erhalten. Familie Schanz lehnt ab: „Wir sehen nicht ein, mit gutem Ackerfutter das FFH-Grünland zu subventionieren, zumal wir so viel Grünland zur Verfügung haben“, bringt es Vater Christian Schanz auf den Punkt. Insgesamt bewirtschaftet der Betrieb noch rund 100 ha Ackerland.

Ihr Problem ist kein Einzelfall: Laut Umweltministerium in Stuttgart prüft das Regierungspräsidium Freiburg aktuell im Raum Kolbingen bei vier Betrieben mit viel FFH-Mähwiesen, wie eine existenzielle Bedrohung vermieden werden kann.

Option Flächentausch?

Eigentlich ein Paradox: Die wertvollen FFH-Mähwiesen sind durch die Bewirtschaftung der Bauern über Jahrzehnte entstanden und machen jetzt ihre Existenz zunichte. „Einerseits wollen wir regionale Lebensmittel, zwingen aber die Landwirte auf der anderen Seite dazu, Importfuttermittel einzusetzen. Politik und Naturschutz müssen hier dringend nachsteuern“, so Kiefer.

Mit vorwiegend FFH-Flächen von B- und C-Qualität hat Schanz theoretisch noch die Option Flächen zu tauschen. Auch das Umweltministerium schlägt ihm diese Lösung auf Betriebs- oder Gebietsebene vor. Doch bei einem so hohen FFH-Anteil wie im Betrieb ist die Wahrscheinlichkeit, genug geeignete Tauschflächen zu finden noch geringer als sie ohnehin schon ist. Die Betriebsentwicklung würde zudem solange auf Eis gelegt, bis diese Flächen aufgewertet und anerkannt wären. Im gesamten Landkreis wurden laut Landratsamt bisher rund 3,9 ha FFH-Fläche verlagert, sieben weitere Projekte seien in Planung.

Wenig Gesprächsbereitschaft

Andreas und Christian Schanz sind von den Vorschlägen und der Unterstützung seitens der zuständigen Ämter enttäuscht. Schon bei ihren Voranfragen zum Flächentausch haben sie Gesprächsbereitschaft seitens des Naturschutz vermisst. Sie fordern: „Wir brauchen flexiblere, einzelbetrieblichere Lösungen. Und wenn die Gesellschaft diese Flächen erhalten will, brauchen wir letztlich auch eine höhere Förderung, um davon leben zu können.“

Die Kooperationsbereitschaft des Naturschutzes ist vermutlich auch deshalb begrenzt, weil sich der Erhaltungszustand der FFH-Mähwiesen in Deutschland in den letzten sechs Jahren verschlechtert hat. Die EU-Kommission habe deshalb laut Umweltministerium bereits die Vorstufe eines Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.

Wie geht es weiter?

Außer einem Härtefallantrag steht für den Betrieb Schanz jetzt der Einstieg in die Biolegehennen-Haltung im Raum. Da er bereits über 780 Legehennen in Kleinvolieren hält, lag dieser Schritt nahe. Geplant sind 12 000 Plätze. Allerdings müsste der 2,4 ha große Auslauf für die Hennen im FFH-Gebiet liegen.

Ob das geht, prüft das Landratsamt Reutlingen gerade. Direkt auf einer als FFH-Mähwiese kartierten Fläche seien die Chancen dafür gering, so die Antwort gegenüber Südplus. Allenfalls bei portionsweiser Nutzung ließe sich eventuell ein Konzept entwickeln. Andreas Schanz: „Ich erwarte vom Naturschutz eine Lösung!“

Flächentausch: Alles nur Theorie?

In Baden-Württemberg besteht die Möglichkeit einer Verlagerung (Floaten) von FFH-Flächen im Betrieb oder einer Zusammenlegung von homogenen Bewirtschaftungseinheiten im Gebiet (Clustern). Beide Verfahren sind aufwendig und langwierig.

Problematisch ist beim Floaten, geeignete, neue Ersatzflächen zu finden. Denn FFH-Mähwiesen dürfen in FFH-Gebieten nur innerhalb des Gebietes verlagert werden. Für Flächen außerhalb ist eine Ersatzfläche im gleichen Naturraum möglich. Beim Clustern muss hinterher die Gesamtbilanz im Gebiet wieder ausgeglichen sein.

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