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Benetzungshemmung – die Angst der Böden vor Wasser

Lesezeit: 7 Minuten

Fällt nach längeren Trockenperioden endlich Regen, ist es für die Böden zunehmend schwerer, Wasser aufzunehmen. Die Situation verschärft sich somit weiter. Doch woher kommt diese Reaktion, wo ist sie besonders stark ausgeprägt und können Landwirte darauf reagieren?


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Diese Erfahrung hat sicherlich jeder schon einmal gemacht: Eine total vergessene Zimmerpflanze lässt ihre Blätter hängen, weil sie lange nicht gegossen wurde. Will man diesen Missstand beheben, bleibt das Wasser oftmals auf der Oberfläche stehen, bevor es dann schlagartig durch Risse in der Erde den gesamten Blumentopf durchfließt und den Topfuntersetzer flutet. So, oder so ähnlich, passiert es auch in unseren Böden. Verantwortlich dafür ist eine Benetzungshemmung des Bodens – oft auch als Hydrophobie (hydro = Wasser, phobos = Angst) bezeichnet. Sie äußert sich dahingehend, dass der einmal ausgetrocknete Boden sich beim Kontakt mit Wasser nicht spontan befeuchten lässt. Auf hydrophoben Böden bilden sich deshalb bei einsetzendem Niederschlag – wie im Beispiel des Blumentopfes – Wasserpfützen. Diese versickern, je nach Ausmaß der Benetzungshemmung, nicht oder nur sehr langsam.


In einem mehrjährig angelegten Projekt erforscht die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) jetzt erstmals die flächenhafte Ausbreitung der Benetzungshemmung von deutschen Böden, da dieses Phänomen direkte und ernst zu nehmende Konsequenzen für die Landwirtschaft haben kann.


Folgen für die Landwirtschaft


In einem benetzungsgehemmten Boden kann der von den Pflanzen in den Sommermonaten dringend benötigte Niederschlag nicht einsickern und somit den Bodenwasserspeicher nicht füllen. Gleiches gilt bei künstlicher Bewässerung. Das teuer auf die Fläche aufgebrachte Wasser kann nicht effektiv genutzt werden.


Nicht selten bilden sich trockene und feuchte Zonen im Boden direkt nebeneinander aus. Da das Wasser dann nicht den gesamten Bodenkörper durchströmt, kommt es in den feuchten Zonen zu einer erhöhten Verlagerungsgeschwindigkeit von Wasser und darin gelösten Stoffen in tiefere Bodenschichten. Dadurch verlieren die Bestände sowohl einen Teil des eigentlich zur Verfügung stehenden Wassers, aber auch die darin gelösten Nährstoffe, die in der Folge zu einer potenziellen Gefährdung des Grundwassers werden können.


Fließt das Wasser auf schlecht benetzbaren Böden oberflächlich ab, führt das häufig zu Erosion. Dadurch geht fruchtbarer Oberboden verloren. Sammelt sich in kurzer Zeit viel Wasser im Vorfluter, kann dies im schlimmsten Fall Hochwasser begünstigen.


Humus als Ursache


Der Humusgehalt ist ein wichtiger Gradmesser für die Wasserspeicherkapazität eines Bodens. Humus speichert nicht nur effektiv das Wasser, er nimmt durch seine aggregierende Wirkung auch Einfluss auf die Porengröße im Boden. Trocknet ein Boden nun aber aus, wird die organische Substanz meist zum Verursacher der Benetzungshemmung. Wie stark sich dieser Effekt auswirkt, hängt von der chemischen Zusammensetzung des Humus ab. Denn Humus ist hier nicht gleich Humus. Schlecht abbaubare organische Substanz mit weitem Kohlenstoff zu Stickstoff-Verhältnis (C/N) wirkt besonders benetzungshemmend. Das bedeutet jedoch nicht, dass es das Ziel ist, Humus zu verringern. Vielmehr sollten in der Bewirtschaftung alle Maßnahmen unternommen werden, dass der Boden möglichst wenig austrocknet.


Denn das Ausmaß der Benetzungshemmung eines Bodens hängt maßgeblich von seinem Wassergehalt ab. Nur wenn der Wassergehalt den für den jeweiligen Boden individuellen kritischen Wert (kritischen Wassergehalt) unterschreitet, tritt eine Benetzungshemmung auf. Feuchte Standorte, wie z.B. Moore, können im trockenen Zustand zwar sehr benetzungsgehemmt sein, bleiben sie jedoch ganzjährig feucht bis nass, tritt die Hemmung gar nicht in Erscheinung.


Besonders gefährdet sind sandige Böden. Dies ist zum einen auf die geringe innere Oberfläche des Sandbodens zurückzuführen, für die schon eine geringe Menge an schlecht benetzbarer organischer Substanz ausreicht, um diese effektiv zu überziehen. Zum anderen trocknen die leichten Böden aufgrund ihrer sowieso schon niedrigeren Wassergehalte im Vergleich zu schwereren Böden schneller aus. Kurze Trockenphasen reichen deshalb oft schon aus, um die Hydrophobie hervorzurufen. Auf solchen Böden wirtschaften Landwirte jeher mit einer gewissen Benetzungshemmung.


projekt erforscht ausmaß


Benetzungshemmung von landwirtschaftlich genutzten Böden ist kein neues Phänomen. Es wurde schon vor über 100 Jahren in Orangenplantagen entdeckt und beschrieben. Untersuchungen haben seitdem in vielen Ländern stattgefunden. Experten schätzen: Hydrophobie von Böden ist eher die Regel als die Ausnahme!


Viele Studien sind allerdings an besonders benetzungsgehemmten Standorten durchgeführt worden und nicht repräsentativ für die Landschaft mit ihren charakteristischen Böden. Deshalb nimmt die BGR jetzt erstmals eine flächenhafte Bestandsaufnahme vor. Das Untersuchungsgebiet beschränkt sich vorerst auf Norddeutschland in einem groben Radius von 150 km rund um Hannover (siehe Übersicht). Hier treten in kurzer Entfernung zueinander verschiedenste Böden auf: Leichte Sandböden, schwerere Schluffböden und landwirtschaftlich genutzte Moorböden.


Gemessen wird die Benetzungshemmung anhand des Kontaktwinkels auf Acker-, Grünland- und Forstböden. Das ist der Winkel, der sich zwischen dem Boden, einem darauf sitzenden Wassertropfen und der Luft ausbildet. Er kann Werte zwischen 0° (komplett benetzbar) und 180° (extrem hydrophob) annehmen. Von besonderem Interesse ist die 90°-Grenze. In Böden mit Kontaktwinkeln größer 90° versickert das Wasser nicht. Niederschläge werden nicht in dem Maße gespeichert wie in komplett benetzbaren Böden. Aber auch Standorte mit Kontaktwinkel kleiner 90° können bereits ein verändertes Verhalten gegenüber Wasser zeigen.


häufiger, als man denkt


Erste Ergebnisse des BGR-Projektes bestätigen, dass Benetzungshemmungen in Böden des Untersuchungsgebietes eher die Regel als die Ausnahme sind. Folgendes lässt sich zum aktuellen Stand festhalten:


  • Knapp 80% der Bodenproben zeigen im trockenen Zustand Benetzungshemmungen (Kontaktwinkel größer als 20°), fast 40% der untersuchten Proben sogar starke Hydrophobie (Kontaktwinkel größer als 90°).
  • Die Nutzung beeinflusst die Benetzbarkeit der Flächen. Es finden sich zwar in allen drei Nutzungsformen (Acker, Grünland, Forst) komplett benetzbare, sowie nicht benetzbare Böden. Forstböden sind jedoch tendenziell am hydrophobsten. Sie zeigen im Untersuchungsgebiet im Mittel die höchsten Kontaktwinkel von ca. 90°.
  • Etwas besser stellen sich Grünlandböden mit mittleren Kontaktwinkeln von ca. 75° dar.
  • Ackerböden zeigen tendenziell die besten Benetzungseigenschaften. Hier liegen die mittleren Kontaktwinkel im Untersuchungsgebiet bei ca. 40°.
  • Die relativ schlechten Werte in Forst- und Grünlandböden lassen sich durch die oft höheren Kohlenstoffgehalte und -qualitäten (C/N-Verhältnis) bei diesen Nutzungen erklären. Besonders die im Nadelwald anfallenden Wachse und Harze sorgen zusätzlich für eine Verschlechterung der Benetzbarkeit.
  • Die Ergebnisse des Projektes bestätigen, dass sandige Böden besonders stark betroffen sind.
  • Saure (niedriger pH-Wert) und kohlenstoffreiche Böden (z.B. Moorböden) sind ebenfalls besonders schlecht benetzbar.


Dadurch ist in der Karte in der Übersicht auch ein genereller Unterschied in der Benetzbarkeit der Gebiete nördlich (sandige und/oder kohlenstoffreiche Böden) und südlich von Hannover (schluffige Böden) zu erkennen.


Gibt es Lösungen?


Die Benetzungshemmung als solche lässt sich nicht wirklich verhindern. Landwirte sollten jedoch bestrebt sein möglichst viel Wasser im Boden zu halten. Dazu gehören u.a. Maßnahmen wie Humusaufbau, wassersparende Bodenbearbeitung und Reduktion der Verdunstung durch Mulchauflagen.


Haben Landwirte die Möglichkeit ihre Flächen zu bewässern, sind sie der Benetzungshemmung nicht völlig schutzlos ausgeliefert. Durch angepasste Bewässerungstechniken lässt sich das Wasser auch auf benetzungsgehemmten Böden effektiv nutzen. Solche Böden können durch mehrfache Bewässerungen in kurzen Zeitabständen „behandelt“ werden. Durch die erste Wassergabe kann sich der Boden langsam wieder an das Wasser gewöhnen. Mit der zweiten Bewässerung wird dann im schon leicht feuchten und nun nicht mehr so stark benetzungsgehemmten Boden der Wasserspeicher für die Pflanzen gefüllt. Auf Golfplätzen z.B. wird oft der Wassergehalt künstlich durch Bewässerung so feucht gehalten, dass der Boden gar nicht erst benetzungsgehemmt wird.


Ausblick


Viele Landwirte werden bereits seit Jahren, ohne es vielleicht wirklich gemerkt zu haben, mit temporär auftretender Benetzungshemmung zu tun haben. Jedoch ist davon auszugehen, dass im Zuge des Klimawandels mit mehr Extremwetterereignissen in Deutschland zu rechnen ist. Das heißt: Häufigere und stärkere Trockenphasen gefolgt von starken Niederschlägen. Beide Extreme könnten das Auftreten und damit auch die Folgen von Benetzungshemmungen in Böden verstärken. Wie weit sich die Angst der Böden vor Wasser zukünftig auswirken wird, soll im BGR-Projekt für das Untersuchungsgebiet gegenwärtig weiter erforscht werden.


anne-katrin.rohlmann@topagrar.com


Unser Autor


Axel Lamparter, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe

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