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Biostimulantien – schlummerndes Potenzial?

Lesezeit: 8 Minuten

Die Wirkung von Biostimulantien ist umstritten. Es mangelt an wissenschaftlichen Beweisen. Forscher der Uni Kiel präsentieren nun erste Ergebnisse eines Langzeitversuches mit Phosphit.


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Pflanzenschutz und Düngemittel stehen zunehmend in der gesellschaftlichen Kritik. Die Politik reagiert darauf mit umfangreichen gesetzlichen Einschränkungen, um die Einträge in die Natur zu reduzieren. Gleichzeitig spezialisieren sich die Betriebe und haben die Fruchtfolge lange eingeengt. Dadurch sind die Erträge seit Jahren stagnierend oder sogar rückläufig. Die Frage, die sich den Landwirten stellt: Wie können trotz dieser Entwicklung Erträge in hoher Qualität und Menge wirtschaftlich sichergestellt werden – gibt es neue Wege?


Biostimulantien als Ausweg?


Zukünftig könnten sich sogenannte Biostimulantien zu einem wichtigen Baustein im integrierten Pflanzenbau entwickeln, um den Ertrag zu sichern und die Nährstoffeffizienz zu steigern. Das zeigt z.B. der dargestellte Langzeitversuch mit Phosphit. Der wesentliche Unterschied von Biostimulantien zu Pflanzenschutz- oder Düngemitteln besteht darin, dass ein Effekt nicht durch die Substanz direkt entsteht. Vielmehr lösen sie bestimmte Reaktionen innerhalb der Pflanze aus und wirken somit indirekt. Insgesamt können Biostimulantien ganz unterschiedliche Wirkungen hervorrufen, wie gesteigertes Wurzelwachstum, bessere Nährstoffverfügbarkeit, höhere Erträge, besserer Schutz vor Wetterextremen wie z.B.Trockenheit oder Steigerung von Qualitätsmerkmalen.


Biostimulatoren sind nicht neu im Ackerbau, führten aber in der Vergangenheit eher ein Nischendasein, da es ausreichend Alternativen gab. Die zunehmenden Probleme im Ackerbau rücken sie aber weiter in den Fokus.


Ist der Hype berechtigt?


Diese Frage stellte sich 2004 auch das Institut für Phytopathologie der Uni Kiel. Man war davon überzeugt, dass nur wissenschaftliche Belege eine breite Akzeptanz für diese Produktgruppe schaffen können. Die Wissenschaftler starteten mit Phosphit, der reduzierten Form des Phosphates, fortlaufende Feldversuche im Raps. Das Ergebnis: Ein fungizider Einfluss zeigte sich zwar nicht. Aber der Rapsertrag lag im Mittel von 14 Jahren um 2,45 dt/ha höher, als die unbehandelte Kontrollvariante. Der Raps nutzte das Nährstoffangebot besser aus und setzte zudem mehr Schoten an.


Die Gründe, warum man sich an der Kieler Uni auf eine anorganische Verbindung konzentrierte war, dass hier alle Produktinhaltsstoffe messtechnisch exakt erfasst werden können und die Umweltbedingungen bei der Ausbringung eine nicht so große Rolle spielen, wie bei sogenannten biologischen Präparaten (Algenextrakte oder Mikroorganismen). Auf Phosphit fiel die Wahl, da bereits in den 90iger Jahren internationale Studien von positiven Effekten der reduzierten Form von Phosphat berichteten. Die Blätter und Wurzeln nehmen Phosphit ähnlich schnell auf, wie das Phosphat aus den Grundnährstoffdüngern. Jedoch ist die Düngewirkung des Phosphits als gering einzustufen, da die Pflanze es nicht zu Phosphat umwandeln kann. Dennoch erschienen zahlreiche Publikationen in den letzten Jahrzehnten, die von einem gesteigerten Ertrag sowie einer verbesserten Blüte und Fruchtausbildung berichteten. Daher galt es, wissenschaftlich zu erforschen, welche Ursachen hinter diesen positiven Effekten stehen.


Ergebnisse langjähriger RapsVersuche


Seit nunmehr 14 Jahren haben die Kieler Forscher Raps mit einer Spezialformulierung aus Kaliumphosphit und Ammoniumstickstoff behandelt. Der Phosphorgehalt des Phosphits entspricht 38% P2O5. Das verwendete Produkt stammt ursprünglich aus den USA und wird hierzulande unter der Produktbezeichnung „Nutri-Phite Magnum S“ vertrieben. Unter einer Vielzahl von phosphithaltigen Präparaten entschieden sich die Kieler Wissenschaftler für dieses Produkt, da es das Mittel mit der potentesten Formulierung und der höchsten Wirkstoffeffektivität war.


Der Exaktversuch mit jeweils vier Wiederholungen wurde auf dem schleswig-holsteinischen Versuchsgut Hohenschulen der Uni Kiel durchgeführt. Die langjährige Versuchsanlage bestand aus:


  • einer Herbstbehandlung mit 0,5 l/ha zur Zeit des 4-Blattstadiums,
  • einer Behandlung im Frühjahr mit ebenfalls 0,5 l/ha zum Beginn des Streckungswachstums,
  • einer unbehandelten Kontrollvariante als Vergleich,
  • einer ansonsten einheitlichen praxisüblichen Bestandesführung.


Die Parzellen wurden auf Wurzelhals- und Stängelfäuleerreger, Rapskrebs und Verticillium-Welke von Anfang Oktober bis Vegetationsende hinsichtlich Befallsstärke und -häufigkeit vergleichend zur unbehandelten Kontrolle bonitiert. Während Phoma das Befallsgeschehen dominierte, und sich Verticillium-Welke mit höheren Befallswerten zum Vegetationsende zeigte, trat Rapskrebs nur mit einer geringen Befallshäufigkeit von maximal 3% auf. Im Vergleich zur unbehandelten Kontrolle wies die Phosphitbehandlung keine Unterschiede im Befall und somit keine fungizidähnliche Wirkung auf.


Des Weiteren verglich das Kieler Team die Schotenzahl je Pflanze nach Phosphitbehandlung mit der unbehandelten Kontrolle. Dabei kam heraus: Im Mittel der Jahre bildete der Haupttrieb zwei, der erste Nebentrieb vier und der zweite Nebentrieb fünf Schoten mehr pro Pflanze. Daraus resultiert der mittlere Mehrertrag von 2,45 dt/ha verglichen zur unbehandelten Kontrolle. Unterstellt man einen Rapspreis von 35 €/dt, würde das einen monetären Mehrerlös von rund 85,75 €/ha bedeuten. Der Biostimulator Nutri-Phite Magnum S kann mit den gängigen Pflanzenschutzmaßnahmen ausgebracht werden. Kosten für eine extra Überfahrt fallen nicht an. Das Präparat schlägt mit einem Nettopreis von 28,50 €/l zu Buche (Übers. 1, Seite 57).


Die Versuche offenbaren eine weitere Erkenntnis: Der Raps nutzt durch die Behandlung mit Phosphit, die zur Verfügung gestellten Nährstoffe effizienter aus. Bei gleicher Düngung und einem Mehrertrag im Schnitt von 2,45 dt/ha zur unbehandelten Kontrolle, konnten 8,2 kg N/ha mobilisiert und geerntet werden (Übers. 2). Das Rapskorn enthält ca. 3,35 kg N/dt. Der Ertragszuwachs und die höhere N-Abfuhr sprechen für eine verbesserte N-Effizienz.


So wirkt Phosphit


Nachdem sich die positiven Effekte einer Phosphitbehandlung belegen ließen, stellt sich die Frage, welchen Einfluss Phosphit auf den pflanzenphysiologischen Stoffwechsel ausübt bzw. wodurch sich die Positivwirkungen erklären lassen.


Internationale Studien deuteten bereits an, dass die Ursache im Bereich der Pflanzenhormone und den davon abhängigen Enzymen zu suchen ist. Da Nitratreduktase ein Schlüsselenzym in der Stickstoffverwertung der Pflanze darstellt, legte man den Fokus auf dieses Enzym. Die Nitratreduktase dient der Pflanze, Stickstoffquellen für den Aufbau der Pflanzenorgane (Wurzel, Stiel, Blatt, Frucht) zu mobilisieren. Dementsprechend müsste eine erhöhte Nitratreduktaseaktivität dazu führen, dass die Pflanze diese Organe verstärkt bildet.


Um dieser Vermutung nachzugehen, legten die Wissenschaftler im Labor Versuche an. Sie zogen die Pflanzen in einem Spezialboden auf. Anschließend besprühten sie sie mit unterschiedlichen Phosphitmengen. In gestaffelten Zeitabständen untersuchten Mitarbeiter die Aktivität der Nitratreduktase. An den mit Phosphit behandelten Rapspflanzen zeigte sich am neunten Tag nach der Applikation im Vergleich zur unbehandelten Kontrolle, eine um bis zu 8% höhere Nitratreduktaseaktivität (Übers. 3).


Ähnliche Wirkung im Weizen


Nachdem die stimulierende Wirkung im Raps sowohl mehrjährig im Feld als auch unter konstanten Bedingungen im Gewächshaus nachgewiesen werden konnte, interessierte die Wissenschaftler, ob auch im Weizen das phosphithaltige Präparat die Nitratreduktase steigert. Dem war so!


Die im Labor mit Phosphit (Nutri-Phite Magnum S) behandelten Weizenpflanzen weisen am fünften, siebte und neunten Tag nach der Applikation, vergleichend zur unbehandelten Kontrolle, eine um bis zu 10% gesteigerte Nitratreduktaseaktivität auf (Übers. 4). Bestätigt sich dies Erkenntnis auch im Feld?


In einem dreijährigen Feldversuch in Schleswig-Holstein (Gut Panker/Schmoel) wird derzeit untersucht, inwieweit eine Phosphitbeize (Nutri-Phite Magnum S mit 30 ml/dt Saatgut) das Wurzelwachstum von Weizen fördert. In je vier Wiederholungen entnahmen Versuchstechniker mit Hilfe eines Stechzylinders (Durchmesser 8,5 cm, Tiefe 30 cm) aus den Parzellen, jeweils zufällig von zehn Pflanzen oberirdische Pflanzenteile und Wurzelmasse.


Die ersten Ergebnisse zeigen, dass Phosphit die frühe Wurzelentwicklung positiv beeinflusst. Die Wurzelmasse war neun Wochen nach der Aussaat (EC 20, 7.12.2019) um 7,4% und im Frühjahr (EC 29, 3.4.2019) um 50% höher als die Variante ohne Phosphit. Ob sich mit der höheren Wurzelmasse auch der Ertrag steigern lässt, müssen weiteren Auswertungen zeigen.


Dennoch beweisen die ersten Ergebnisse die positiv stimulierende Wirkung von Phosphit.


Auch Kartoffeln profitieren


Unabhängig von der Uni Kiel testete die Kürzinger agro nord GbR in Groß Lüsewitz elf Jahre lang (2008–2018) in 46 Versuchen mit zwölf verschiedenen Sorten die Wirkung von Phosphit (Nutri-Phite Magnum S) in Kartoffeln. Auch hier erfolgte die Bestandesführung praxisüblich. Ein robustes Fungizidregime schaltete Phytophthora als Einflussfaktor aus.


Die größten Effekte zeigten sich bei einer kombinierten Knollen- und Blattbehandlung. Dazu applizierten die Versuchsansteller 0,3 l/t auf die Knolle. Später folgten zwei Blattbehandlungen mit 1,5 l/ha zum Hakenstadium bzw. Beginn Knollenansatz sowie 0,7 l/ha ca. 14 Tage später.


Der Phosphiteinsatz erhöhte den Nettoertrag (Fraktion >35 mm) im Mittel der Jahre durch die kombinierte Knollen- und Blattbehandlung um 42,5 dt/ha im Vergleich zur unbehandelten Kontrolle. Auch der Stärkegehalt entwickelte sich positiv. Im Schnitt der Sorten stieg er um 0,7% (Stärkeertrag + 9,9 dt/ha). Dabei reagierten die Sorten, je nach Verarbeitungsrichtung, durchaus unterschiedlich: + 0,6% bei Agria (Industrie), + 1,4% bei Fasan (Speise) und + 1,1% bei Jasia (Stärke). Der gesteigerte Ertrag führte damit nicht zu einem Qualitätsverlust (Verdünnungseffekt). Im Mittel der Jahre konnte die Phosphitanwendung 15,3 kg N/ha mehr aus dem Boden mobilisieren.


Die langjährigen Versuche zeigen, dass bestimmte Biostimulantien durchaus eine Wirkung entfalten können.


anne-katrin.rohlmann@topagrar.com


Unser Autor


Prof. Dr. Joseph-Alexander Verreet, Uni Kiel

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