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Brauchen wir schärfere Düngeregeln?

Lesezeit: 6 Minuten

Darum geht’s: Der EU geht die Düngeverordnung (DüV) 2017 nicht weit genug. Um ein erneutes Vertragsverletzungsverfahren abzuwenden, hat das BMEL der EU-Kommission Maßnahmen vorgelegt, mit denen sie die zu hohe Nitratbelastung in den Griff bekommen will. Bauernverband und Wasserwirtschaft sehen die Maßnahmen unterschiedlich.


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Wie zu erwarten, verurteilte der Gerichtshof der Europäischen Union die Bundesrepublik Deutschland im Juni 2018 wegen unzureichender Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie. Ein Weckruf erster Klasse. Denn über 25 Jahre hat die deutsche Landwirtschaftspolitik es nicht geschafft, für eine umweltverträgliche Düngung zu sorgen. Im Gegenteil: Die Nitratbelastungen sorgen weiter für Probleme im Gewässerschutz und bei der Trinkwasserversorgung. Da hilft auch die halbherzige Novellierung des Düngerechts von 2017 nicht weiter. Die Studie von Professor Taube der Universität Kiel, auch Mitglied im Sachverständigenrat des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL), zeigt, dass die neuen Regelungen es sogar ermöglichen, bei gleichen Ertragswerten mehr Dünger auf den Feldern auszubringen als bisher. Professor Taube bescheinigt eine „weitgehende Missachtung aller agrar- und umweltwissenschaftlichen Fachempfehlungen“.


Dass die Bundesregierung der EU- Kommission angeboten hat, die Düngeverordnung nochmals zu ändern, zeigt: die Kritikpunkte des Urteils treffen zu. Es besteht dringender Handlungsbedarf, damit Deutschland die EU-Nitratrichtlinie vollständig umsetzt.


Umso unverständlicher, warum das BMEL die Änderungsvorschläge so gestaltet, dass die Landwirte die Felder weiter überdüngen können. So werden der zu hoch angesetzte Düngebedarf der Kulturen sowie die zu hohen Ausbringungsverluste weiterhin zulässig sein. Obwohl die EU-Kommission dies ebenfalls kritisierte. Die geplanten Düngeregelungen gehen außerdem nicht weit genug. Es ist auch noch nicht geklärt, ob sie wirklich abhängig vom jeweiligen Gewässerzustand gelten werden. Das ist völlig unangemessen für hochbelastete Grundwasserkörper.


Im Unterschied zu den Vorgaben der EU-Nitratrichtlinie ist zudem geplant, nur Großbetriebe zu verpflichten, ihre Stoffstrombilanz offenzulegen. Damit würde sich bei bis zu 90% der Betriebe nicht kontrollieren lassen, wie viel Stickstoff tatsächlich in den Hof rein- bzw. rausgeht.


Bedenklich ist auch, dass die von der EU-Kommission geforderte Ausweisung nitratgefährdeter Gebiete noch immer nicht erfolgt ist, und es auch keine Regelung für eine einheitliche Vorgehensweise der Bundesländer gibt.


Ob es der Bundesregierung mit diesen Vorschlägen gelingt, die EU-Kommission zu überzeugen, die angedrohten Strafzahlungen abzuwenden?


Aus unserer Sicht gehen die Vorschläge von Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner in die richtige Richtung, reichen aber bei Weitem nicht aus. Für einen nachhaltigen Gewässerschutz bedarf es mehr als ein löchriges Regelwerk. Wir brauchen eine konsequente Umsetzung der EU-Vorgaben: Es muss mit der Düngeverordnung künftig sichergestellt werden, dass die Obergrenze von 170 kg/ha Stickstoff tierischer Herkunft ohne Ausnahmen für alle Acker- und Gemüseflächen gilt. Auch müssen die Vorgaben zur Stoffstrombilanz für alle landwirtschaftlichen Betriebe gelten. Damit Böden und Gewässer sich regenerieren können, müssen gefährdete Gebiete ausgewiesen und Aktionsprogramme eingeleitet werden. Entscheidend ist zudem, dass die gemeinschaftliche EU-Agrarpolitik den Umwelt- und Gewässerschutz künftig auch mit mehrjährigen Maßnahmen fördern kann. Das sind die tragenden Pfeiler für einen nachhaltigen Schutz unserer Gewässer und Böden.


Das neue Düngerecht muss seine Wirkung entfalten können. Hierzu muss die EU-Kommission Deutschland auch die Chance geben, anstatt vorschnell neue Düngeregelungen zu erzwingen. Wir Landwirte stehen zum Gewässerschutz, aber wir brauchen jetzt Planungssicherheit im Düngerecht und keine Änderungen im Jahresrhythmus. Das Vertrauen in die Verlässlichkeit der Politik ist dahin, wenn sich der nach mühsamen Verhandlungen gefundene Kompromiss noch nicht einmal in der Praxis bewähren kann. Für eine Bewertung des geltenden Düngerechts käme etwa der Nitratbericht 2020 infrage. Stattdessen will die Wasserwirtschaft jetzt mit aller Macht eine weitere Verschärfung durchsetzen, gefährdet aber auf dem Weg die erfolgreichen Wasserkooperationen. Fakt ist, dass die Veränderungen durch die neue Düngeverordnung noch nicht nach dem ersten Düngejahr im Grundwasser messbar sein können. Aber das seit 2017 geltende Düngerecht zeigt bereits Wirkung, was anhand einiger Indikatoren deutlich wird. Dazu zählen etwa eine deutliche Reduktion des Einsatzes von stickstoffhaltigen Handelsdüngern (-10%) und Klärschlamm (-27%), ein überproportionaler Rückgang der Bestände von Rindern (-3%) und Schweinen (-4%) und erhöhte Investitionen in neue Ausbringungstechnik (+20%).


Auch in der Sache stoßen die geplanten Änderungen auf erhebliche Kritik im Berufsstand. Die geplante Streichung des Nährstoffvergleichs ist keine Erleichterung, da zum einen der bürokratische Aufwand durch eine neue Dokumentationspflicht für die tatsächliche Düngung sicherlich noch höher sein wird. Zum anderen hat die nach wie vor bestehende Stoffstrombilanzvorschrift eine vergleichbare Wirkung. Da die Stoffstrombilanz in Europa ein Alleingang ist, sollte die Einführung noch einmal auf den Prüfstand.


Die Düngung unterhalb des Nährstoffbedarfs in den roten Gebieten wird sich gravierend auswirken. Das ist die Abkehr von der bedarfsgerechten Düngung. Die Folge derartiger Politik ist in Dänemark sichtbar, dort ist es nicht mehr möglich, Brotgetreide zu erzeugen. Im Gemüsebau werden einige Kulturen nicht mehr anbaubar sein (z.B. Frühkartoffel). Nach den Vorschlägen des BMEL und des BMU sollen in den roten Gebieten eine Reihe von pauschalen Auflagen gelten und die Länder freie Hand für weitere Verschärfungen erhalten. Damit schießen BMU und BMEL über das Ziel hinaus. Umso mehr wird es erforderlich sein, die Auflagen auf die roten Messstellen zu beschränken und nicht auf die kompletten roten Gebiete. Hier muss differenziert und nicht nach der Rasenmäher-Methode vorgegangen werden. Das Kriterium für rote Gebiete, wonach 20% rote Messstellen in einem Grundwasserkörper gleich den ganzen Grundwasserkörper auf rot schalten, bedeutet, dass 80% des Grundwasserkörpers grün sein können und unberechtigt mit Auflagen überzogen werden. Das muss sich endlich ändern und Länder und Wasserwirtschaft dürfen dies nicht mehr mit Verweis auf den Aufwand ablehnen. Schon jetzt führen die zusätzlichen Anforderungen im Düngerecht zu enormen Mehrkosten und Ertragsausfällen.


Wichtig ist daher, dass die Politik die Ausdehnung von Güllelagerkapazität und die Anschaffung bzw. Verwendung von emissionsmindernden Ausbringungstechniken fördert sowie eine Unterstützung einer besonders gewässerschonenden Landbewirtschaftung in der Fläche auf den Weg bringt.


anne-katrin.rohlmann@topagrar.com

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