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Cercospora: Profiteur des Klimawandels

Lesezeit: 8 Minuten

Der Cercosporapilz lässt sich in Rüben nur noch durch das Zusammenspiel von gesunden Sorten, exakten Monitorings, digitalen Prognosemodellen und wirksamen Fungiziden in Schach halten.


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Wegen den zunehmenden Extremwetterlagen leugnet kaum noch jemand den Klimawandel. Auch zurzeit zeichnet sich ein „erwärmtes“ Wettergeschehen ab. Eine Folge: Krankheiten und Schädlinge treten künftig stärker auf. Doch beeinflusst dies den Ertragsfortschritt von Rüben?


Rübe: Gewinner oder Verlierer des Klimawandels?


Aktuellen Schätzungen zufolge lässt sich in etwa die Hälfte des Ertragsfortschritts bei Rüben auf den CO2-Anstieg und den Klimawandel zurückführen. Die andere Hälfte sind verbesserte Sorten und innovative Anbaumaßnahmen. Je nach Region unterscheiden sich die Auswirkungen dieser Faktoren allerdings erheblich.


In kühlen Regionen könnten die Erträge durch höhere Niederschläge noch steigen. Krankheiten oder Schädlinge nehmen hier eher maßvoll zu. In einigen Gebieten leiden die Bestände im Sommer jedoch unter Hitzestress. Für den Südwesten belegt unsere Forschung, dass die höheren Temperaturen das Auftreten von Blattkrankheiten und Schaderregern massiv fördern.


So bleibt die Frage, ob die Rübe ihr Ertragspotenzial trotz dieser negativen Einflüsse in Zukunft wirklich nutzen kann. Die Beobachtungen der letzten drei Jahre im Südwesten zeigen, dass dies nur mit gesunden Sorten und einer ausgefeilten Pflanzenschutzstrategie gelingen kann.


Flecken mit Schrecken


Nach wie vor ist Cercospora (Cercospora beticola) die wichtigste Blattkrankheit. Das bleibt auch im Klimawandel so – wie unsere Studien belegen. Mehltau und Ramularia spielen in fast allen Beständen eine geringere Rolle. Vor allem wirken sich diese Pilzkrankheiten viel weniger auf den Ertrag aus.


Typische Symptome von Cercospora sind hellbraune bis hellgraue Flecken mit einem Durchmesser von 2 bis 5 mm. Nach außen sind sie durch einen rötlich-braunen Rand vom gesunden Gewebe abgegrenzt. Ein stärkerer Befall kann den Blattapparat vollständig zerstören. Danach wächst die Rübe neu aus und verbraucht bereits vorhandenen Zucker – vergleichbar mit einem Hagelschaden. Bleibt eine Bekämpfung aus, kann der bereinigte Zuckerertrag um bis zu 40% fallen. Solche Einbußen können besonders bei frühem und starkem Befall entstehen, z.B. in „warmen“ Beständen bei hoher Luftfeuchtigkeit. Solche Flächen sind oft in der Nähe großer Flüsse, wie dem Rhein oder der Donau zu finden.


Der Cercospora-Pilz überdauert in Form von Sporen auf Blattresten im Boden. Erste Symptome können im Sommer etwa vier bis sechs Wochen nach Bestandesschluss auftreten. Dass sich der Pilz im Bestand meist unbemerkt von unten nach oben ausbreitet, zeigt eine Studie am Institut für Zuckerrübenforschung. Ideal für seine Ausbreitung sind Temperarturen von 25 bis 30°C und eine relative Luftfeuchtigkeit von über 90%. Zusätzlich begünstigen eine hohe Anbaudichte, eine enge Fruchtfolge, Niederschläge (inkl. Beregnung) und anfällige Sorten einen Befall. Ist die Sporenbildung erst einmal in vollem Gang, wird es schwierig, die Infektion zu stoppen.


Beachten Sie die Schadschwellen!


Um Cercospora und Co. die Stirn zu bieten, arbeiten Beratungsorganisationen, staatliche Institutionen und die Zuckerindustrie intensiv zusammen. Ein Projekt von ihnen ist ein deutschlandweites Monitoring zu Blattkrankheiten, bei dem Berater repräsentative Felder auf Befall untersuchen. Dazu entnehmen sie aus dem Bestand zufällig 100 Rübenblätter (aus dem mittleren Blattapparat) und kontrollieren diese auf Cercospora, Ramularia, Mehltau und Rost.


Damit man die Rübenanbauer rechtzeitig informieren kann, werden die Anbaugebiete in Regionen mit unterschiedlichem Befallsanstieg unterteilt. Bei hohem Druck erfolgt eine Bewarnung bereits bei drei bis fünf Flecken je 100 Blätter, bei schwachem Druck erst ab fünf befallenen Blättern. Sind die Landwirte gewarnt, sind zusätzlich eigene Kontrollen durchzuführen. Generell liegt die Behandlungsschwelle für eine Erstbehandlung bei


  • 5% befallenen Blättern bis Ende Juli,
  • 15% bis Mitte August und
  • danach bei 45%.


Die Bekämpfungsschwellen für die Erst- und Folgebehandlungen entnehmen Sie der Übersicht 1.


Welche Strategie für 2020?


Sobald die Bekämpfungsschwellen erreicht sind, sollte man unverzüglich behandeln. Dass Strobilurine durch Resistenzen des Cercospora-Erregers langsam aber sicher an Wirkung verlieren, beobachten wir seit 2016. Anfänglich entlang des Rheins und der Donau, sind inzwischen große Gebiete betroffen. Nach den Untersuchungen der letzten Jahre und der Erfahrung aus dem Jahr 2019 kann man Strobilurine nun als nahezu wirkungslos ansehen – das gilt vor allem für Starkbefallsgebiete.


Bei Azolen treten Resistenzen im Gegensatz dazu nicht abrupt auf, sondern die Wirkung lässt langsam nach (Shifting). Somit wirken sie zwar noch in hoher Dosierung, ihre Leistung nimmt aber sehr schnell ab.


Daher wird seit zwei Jahren in Schwerbefallsgebieten der zusätzliche Einsatz von Kontaktfungiziden empfohlen. Diese greifen an mehreren Stellen der Pilzzelle an (Multi-site-Wirkstoffe) und verhindern so die schnelle Entwicklung von Resistenzen. Als Zusatz zu systemischen Fungiziden waren 2018 ein Kupferpräparat (Funguran Progress) und 2019 ein mancozebhaltiges-Präparat (Tridex DG Raincoat) zeitlich begrenzt nutzbar.


Notfallzulassung beantragt


Für beide Präparate wurden erneut Notfallzulassungen beantragt. Prüfen Sie den aktuellen Stand der Dinge, bevor Sie Ihre Bestände behandeln. Welche Fungizidempfehlungen sich unabhängig eventueller Notfallzulassungen, aber unter Berücksichtigung des Befallsbeginns ergeben, zeigt Übersicht 2 auf Seite 57. Einen Überblick über alle Fungizide liefert die Übersicht 3.


Dass der Zusatz von Kontaktfungiziden zu Azolen absolut sinnvoll ist, verdeutlichen unsere Versuche in Übersicht4. Das wichtigste Ergebnis: Das Zumischen der Kontaktfungizide Mancozeb oder Kupfer zu einem Azol-Wirkstoff erhöht den Rübenertrag und den Zuckergehalt. Im Gegensatz dazu ist der alleinige Einsatz eines Azols aufgrund der resistenten Erreger nicht mehr sinnvoll – das gilt vor allem, je stärker der Befall ist.


Der Zusatz von Kontaktfungiziden reduziert zudem den Selektionsdruck auf Cercospora und schützt somit gleichzeitig die Azole. Je nach Zulassungssituation empfehlen wir auch einen wiederholten Einsatz der Kontaktfungizide, besonders in Starkbefallsregionen.


Alles tun, damit‘s wirkt


Sollten die Azole künftig als Wirkstoff wegfallen, würde das den Verlust eines wesentlichen Bausteins des integrierten Pflanzenschutzes bedeuten. Sind dann nur noch Kontaktfungizide verfügbar, wäre der Pflanzenschutz nach Bekämpfungsschwellen, Monitoring und modernen Prognosemodellen nicht mehr umsetzbar. Kontaktfungizide helfen zwar, den Verlust weiterer Wirkstoffe zu verhindern, es braucht aber schlichtweg eine Wirkstoffvielfalt! Aktuell befindet sich nur ein einziges Fungizid mit systemischer Wirkung in der Prüfung (Fluopyram + Prothioconazol). Aber auch dieses Mittel müsste man in Kombination mit einem Kontaktfungizid ausbringen.


Die Aussichten bei den Fungiziden sind demnach alles andere als rosig. Um die Rüben gesund zu halten, gilt es daher, alle weiteren Möglichkeiten zu nutzen. Hier eine Checkliste:


  • Beobachten Sie das Monitoring der Beratung.
  • Führen Sie Behandlungen termingerecht nach Schwellenwert durch. Nutzen Sie dafür Prognosemodelle wie Cercbet3 und 3+ (siehe Zusatzinfo „Prognosemodelle“ auf Seite 60).
  • Behandeln Sie morgens oder abends bei Temperaturen unter 25°C mit einer Aufwandmenge von 300 bis 400 l/ha.
  • Wählen Sie Doppelflachstrahldüsen – sie benetzen die Pflanzen besser.
  • Reduzieren Sie nicht die Aufwandmenge und führen Sie Folgebehandlungen rechtzeitig durch.
  • Wechseln Sie unbedingt die Wirkstoffe und kombinieren Sie systemische Mittel mit Kontaktfungiziden (Zulassungen beachten).
  • Bauen Sie nach Möglichkeit Sorten mit einer guten Blattgesundheit an. ▶


Cercospora künftig mit gesunden Sorten managen


Inwieweit die Anfälligkeit der Sorte für den Behandlungstermin eine Rolle spielt, wird aktuell in mehreren Versuchen bundesweit geprüft. Der Hintergrund: Deutlich gesündere Sorten aus Deutschland und Europa sind neu am Markt. Es ist zu erwarten, dass Landwirte damit spätere Behandlungen einsparen können. Die Arbeitsgemeinschaften suchen seit Jahren gesündere Sorten für Starkbefallsgebiete, die eine gute bis sehr gute Resistenz gegen Cercospora mit einem hohen Leistungsniveau im Zuckertrag kombinieren.


Das System, anfällige Sorten mit einem hohen Fungizideinsatz gesund zu halten, ist unter südwestdeutschen Bedingungen nicht mehr haltbar. Der Verlust wirksamer Fungizide tut in Schwerbefallsgebieten ein Übriges. Dazu kommt Folgendes: Rübenmotten vermehren sich in absterbenden „Cercosporabeständen“ offensichtlich noch besser bzw. entfalten ihre schädliche Wirkung besonders, wenn die Rübe bereits durch Blattkrankheiten gestresst ist. Zwar können leistungsfähige Sorten trotz starker Erkrankung noch gleich hohe Erträge liefern wie resistentere. Dennoch ist das auf Dauer der falsche Weg, da sich das Potenzial an krank machenden Sporen ständig erhöht.


In Gebieten mit hohem Cercosporadruck ist meist auch Nematodentoleranz gefragt. Im deutschen Sortiment ist diese Kombination bisher jedoch eine Ausnahme – erste EU-Sorten erfüllen jedoch diese Anforderung. Bereits heute konzentriert man sich in Versuchen auf die Frage, wie und wann man gesündere Sorten gegen Blattkrankheiten behandeln muss, um die Kosten zu reduzieren und Erträge zu optimieren.


Rübenanbauer sind gut beraten, bei der anstehenden Saatgutbestellung für 2021 möglichst auch gesündere Sorten für stark von Blattkrankheiten gefährdete Flächen zu bestellen.


Wie geht es weiter?


Eine begrenzte Vielfalt bei den Fungiziden einerseits, aber neue Chancen in puncto Sorten andererseits. Für Landwirte und Berater bedeutet dies, dass flächendeckende Monitorings und Beratung in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen werden. Um den richtigen Spritztermin zu treffen, gilt zudem, den Einsatz moderner Prognosemodelle wie Cercbet3+ zu intensivieren. Am wichtigsten ist aber, der Sortenwahl noch mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Die Züchter haben bereits den Fokus auf tolerante und resistente Sorten gesetzt.


Folgende vorbeugende Maßnahmen sollten zusätzlich für jeden Anbauer selbstverständlich sein:


  • Senken Sie das Infektionspotenzial durch eine gute Feldhygiene.
  • Wählen Sie beim Einsatz von Fungiziden Kombinationen von Azolen mit Kontaktfungiziden.
  • Kommen neue Mittel auf den Markt oder erhalten andere eine Notfallzulassung, sind diese ebenfalls in die Strategie einzubeziehen.


Wichtig ist es auch, dass die Beratung und die Wissenschaft gemeinsam alternative Bekämpfungsverfahren entwickeln und prüfen. Nur so lassen sich die Rübenbestände auch in Zukunft gesund halten.


daniel.dabbelt@topagar.com

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