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Der Boden als Fundament stabiler Erträge

Lesezeit: 8 Minuten

Die regenerative Landwirtschaft setzt auf Humusaufbau und ein aktives Bodenleben. Das soll Vorteile für Kulturen und Klima bringen. Die Ansätze dieser neuen Bewirtschaftungsform sind vielfältig.


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Gesunder Boden, gesunde Pflanzen, stabile Erträge – und gleichzeitig noch etwas gegen den Klimawandel tun? Gerade in Zeiten, in denen Trockenheit, Resistenzprobleme und höhere Anforderungen an den Klimaschutz im Fokus stehen, klingt das erstrebenswert. Immer mehr Landwirte wollen diese Ziele mithilfe der regenerativen Landwirtschaft erreichen.


Diese Bewirtschaftungsform ist auf den US-Amerikaner Robert Rodale zurückzuführen. In den 1980er-Jahren formulierte er den Kern des Systems so: „Es geht darum, den Kohlenstoff zurück in den Boden zu bringen. Somit bietet man den Ackerbaukulturen einen humusreichen Boden und entlastet die Atmosphäre.“


Einer der Pioniere der regenerativen Landwirtschaft im deutschsprachigen Raum ist Landwirt und Berater Friedrich Wenz aus Schwanau in Baden-Württemberg. Er bewirtschaftet einen Demeterbetrieb und bietet gemeinsam mit Pflanzenbauberater Dietmar Näser aus Neustadt in Sachsen regelmäßig gut besuchte Bodenkurse an. In diesen geben die Berater den Teilnehmern Hilfestellungen, um einen sich selbst regulierenden Boden zu bekommen. Wenz schätzt, dass in Deutschland derzeit Landwirte auf etwa 50000 ha nach dem Prinzip wirtschaften. Dabei handelt es sich sowohl um ökologische, als auch konventionelle Betriebe. Auf den Seiten 60 bis 63 stellen wir Ihnen zwei Landwirte und ihre Vorgehensweisen vor.


Dauerhaft Begrünen und flach Bearbeiten


Doch welche Maßnahmen stehen bei regenerativ wirtschaftenden Betrieben im Mittelpunkt? In erster Linie – so Wenz – gehe es darum, den Humusgehalt der Böden anzuheben. Dafür sei es wichtig, die Flächen möglichst dauerhaft zu begrünen. Landwirte sollten hierzu vielfältige Untersaaten und Zwischenfrüchte anbauen, um das Bodenleben zu ernähren.


Den Boden sollte man nur wenn nötig und dann sehr flach bearbeiten. Besonders geeignet seien dafür Geräte wie die Fräse oder der Schälpflug. Eine notwendige Ausnahme stelle die Tiefenlockerung dar. Diese belüfte den Boden. Eine tiefe und wendende Bearbeitung hingegen würde das Gefüge zerstören und dem Humusaufbau entgegenwirken.


Eine dauerhafte Begrünung und einegeringe Bearbeitungsintensität sollen es den Bodenlebewesen ermöglichen, sich vielfältig und störungsfrei zu entwickeln. Verdauen Regenwürmer, Bakterien, Pilze und andere Bodenorganismen organisches Material, machen sie nicht nur Nährstoffe pflanzenverfügbar, sondern sorgen auch für Humusaufbau.


gemeinsam für mehr HUmus


Entscheidend für eine Humusmehrung ist nach Ansicht von Friedrich Wenz auch, dass die Pflanzen und Bodenlebewesen gut zusammenarbeiten. Denn Bodenorganismen erhalten Kohlenstoff nicht nur aus Ernteresten, Zwischenfrüchten oder Wirtschaftsdüngern, sondern auch aus Wurzelabsonderungen lebender Pflanzen. Als Gegenleistung für diese Zucker- bzw. Kohlenstoffverbindungen versorgen die Bakterien – und besonders Mykorrhiza-Pilze – die Pflanzen mit Wasser und Nährstoffen.


Die Pflanzen profitieren auch, weil die Pilzhyphen im Boden festgelegten Phosphor lösen und pflanzenverfügbar machen. „Pilze und höhere Pflanzen haben eine Koevolution durchgemacht. Beide Organismengruppen profitieren in außerordentlichem Maße vonei-nander“, bestätigt Dr. Ines Fritz vom Institut für Umweltbiotechnologie der Universität für Bodenkultur in Wien (BOKU).


Eine Begrünung versorgt die Bodenfauna aber nicht nur mit Nahrung. Darüber hinaus sorgt sie auch für eine effiziente Ausnutzung des Sonnenlichts und ist in der Lage viel CO2 zu binden – anders als eine Brache. Fritz erläutert dazu: „Die Natur kennt keine Brache. Sie ist ein unnatürlicher Zustand, der das mikrobielle Bodenleben durcheinanderbringt und damit sehr viel Potenzial verschwendet.“


Insgesamt sollen sich mit der regenerativen Landwirtschaft jährlich 0,1 bis 0,2% Humus aufbauen lassen, ist die Erfahrung von Friedrich Wenz und anderen Berufskollegen. Das entspräche einem Speicherungspotenzial von ca. 8 bis 15 t/ha CO2. Ob sich mit Humusaufbau Geld verdienen lässt, lesen Sie unter „CO2-Zertifikate“ auf Seite 58. Weitere positive Effekte des Systems seien


  • ein stabiles und porenreiches Bodengefüge, welches das Wasserspeichervermögen verbessert,
  • eine strukturierte Bodenoberfläche, die Starkregenereignisse abfedern kann und
  • eine ganzjährig bedeckte, vor Wind- und Wassererosion geschützte Krume.


Den Boden düngen


Neben den angebauten Kulturen und der Bodenart beeinflusst auch die Düngung das Auftreten von Bodenorganismen. Die Nährstoffzufuhr sollte laut Wenz nicht auf die Pflanzen, son-dern auf den Boden abgestimmt sein. „Wir müssen ein Nährstoffgleichgewicht schaffen, das den Kulturpflanzen ideale Wachstumsbedingungen bietet“, verdeutlicht er den Ansatz. Hierfür gilt es zunächst, den Status quo zu ermitteln. Besonders eignen sich dafür umfangreiche Analysen wie z.B. jene nach Albrecht bzw. Kinsey. Diese Methoden stellen neben den Nährstoffgehalten auch die Basensättigung und die Kationenaustauschkapazität (KAK) dar.


Unter Berücksichtigung des Nährstoffspeichervermögens des Bodens und den angestrebten Mengenverhältnissen der Nährstoffe, liefern sie Düngeempfehlungen mit konkreten Mengenangaben. Die Düngemaßnahmen sollen nach Aussage von Berater Wenz immer auch den Boden beleben. Dies sei vor allem beim Einsatz von Wirtschaftsdüngern herausfordernd. „Das Problem einer Gülledüngung ist, dass jedes Mal Fäulnisbakterien auf den Acker gelangen. Diese führen zu einer anaeroben Zersetzung der organischen Substanz, wobei Nährstoffe verloren gehen“, erklärt er. „Gleiches gilt für eine zu tiefe Einarbeitung von Zwischenfrüchten. Die hierbei anfallende organische Substanz verfault dann, anstatt aerob zu verrotten.“


Wenz und andere Praktiker haben gute Erfahrungen mit sogenannten Rottelenkern gesammelt. Hierbei handelt es sich um einen selbst angesetzten Sud u.a. aus Pflanzenfermenten. Die darin enthaltenen Milchsäurebakterien sollen die Umsetzung der organischen Substanz lenken und beschleunigen. Der Gülle kann man diese Rottelenker direkt zusetzen, beim Zwischenfruchtumbruch müssen sie über eine mitgeführte Ausbringtechnik aufgebracht werden – man spricht von einer Flächenrotte.


Tee für Boden und Pflanzen


Ein weiteres, noch eher unbekanntes Betriebsmittel ist der Komposttee. Er wird in speziellen Behältern hergestellt und enthält gelöste und vermehrte Mikroorganismen aus Kompostmaterial. Weitere Hinweise hierzu finden Sie im Heft+.


Laut Wenz füllen immer mehr Land-wirte ihre Feldspritze mit Komposttee und nutzen ihn zur Vitalisierung von Boden und Pflanzen. Vitalere Kulturpflanzen sind toleranter gegenüber Stressfaktoren wie Trockenheit, Krankheiten oder Schädlingsfraß. Je nach Bedarf der Pflanzen kann man den Komposttee auch mit (Mikro-)Nährstoffen versetzen. Die Wirkungsweise beruhe auf der Förderung des Bodenlebens und des Wurzelwachstums.


Die Leistungen von Komposttee und Rottelenkern sind wissenschaftlich allerdings umstritten. „Die Mühlen der Wissenschaft mahlen langsam, besonders bei einem so komplexen Thema wie der Bodenmikrobiologie“, schätzt Wenz die Situation ein. Für ihn sind die Resonanzen und Erfolge der Landwirte, die auf das Konzept setzen, bereits ein überzeugender Beweis dafür, dass die Mittel wirken.


Etwas anders sieht dies Wissenschaftlerin Fritz von der BOKU: „Zu Komposttee gibt es schon viele Publikationen. Die Ergebnisse sind zwar tendenziell positiv, aber nicht besonders deutlich. Die mikrobielle Population aus Komposttee kann nun mal nicht das ausgleichen, was in der Vergangenheit durch Unverständnis an Schaden angerichtet wurde.“


Wohlfühlzone für unkräuter und Ungräser?


Doch was bedeutet einer der Kernpunkte des Systems – die dauerhafte Begrünung – für Ungräser und Unkräuter? Denn mit dem Verzicht des Pfluges fällt auch ein wertvolles Werkzeug weg, um Infektionsketten (Virosen) zu unterbrechen und Unkräuter zu bekämpfen. Friedrich Wenz erklärt den Ansatz des Systems so: „Die regenerative Landwirtschaft versucht diesen Problemen über eine gesunde Krume entgegenzuwirken. Unser Job als Bauer ist es, die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sich der Boden selbst regulieren kann. Denn wenn man das Bodenleben ins Gleichgewicht bringt, haben es Unkräuter schwerer. Gerade die gängigsten Störenfriede gehören zu den Pionierpflanzen auf nacktem Boden. Vogelmiere, Ackerfuchsschwanz und Co. bevorzugen Ackerböden, die oft mechanisch bearbeitet werden und zeitweise brach liegen, wodurch sich ein bakterienbetontes Bodenleben entwickelt.“


Schaffe man es hingegen, das Verhältnis zu Gunsten der Pilze zu verschieben, ergebe sich nach Meinung des Beraters eine günstige Umgebung für die Kulturpflanzen. Die Keimung und Konkurrenzkraft der Unkräuter hingegen würde gehemmt. Eine ständige Unterbrechung des Bewuchses verhindere aber oft ein ausgeglichenes Verhältnis von Bakterien und Pilzen. Da besonders die Bodenpilze auf die Energieversorgung durch Pflanzenwurzeln angewiesen seien, sei es wichtig, diese durch Untersaaten und Zwischenfrüchte zu fördern. „Je nach Rahmenbedingungen kann es einige Zeit dauern, bis sich die förderliche Zusammensetzung der Bodenorganismen etabliert. Konventionelle Betriebe können in dieser Phase gezielte Herbizidmaßnahmen durchführen“, so Wenz. Hierin bestehe übrigens ein großer Unterschied zum Biolandbau.


Kein einheitliches Label


Einheitliche und strenge Regeln, wie regenerative Landwirtschaft auszusehen hat, gibt es nicht. Jeder Praktiker muss für seinen Betrieb den richtigen Weg finden. Während der Biolandwirt sowieso schon auf synthetischen Pflanzenschutz und Dünger verzichtet, kann sein konventioneller Kollege auch weiterhin darauf zurückgreifen, wenn nötig.


Daher ist laut Wenz vorerst auch nicht geplant, Produkte aus regenerativer Landwirtschaft mit einem einheitlichen Label zu kennzeichnen, wie man es etwa von Bioerzeugnissen kennt. Zu jung sei die Bewegung, zu vielfältig die Akteure. „Wir stehen gerade erst am Anfang einer dynamischen Entwicklung, wollen alle mitnehmen und Grabenkämpfe vermeiden“, äußert sich Wenz dazu. Ein Label, das strikte Richtlinien vorschreibt, stehe diesem Ansatz eher im Wege. Der generelle wirtschaftliche Vorteil des Konzepts steckt eher darin, die Kosten für Pflanzenschutz und Düngung zu senken und durch fruchtbare Böden hohe und stabile Erträge zu erwirtschaften – und das auch bei zunehmenden Wetterextremen.


Lorenz Bücheler


daniel.dabbelt@topagrar.com

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