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Die Bienen schonen und den Läusen schaden

Lesezeit: 6 Minuten

Im letzten Dürresommer kam es zum Teil zu massiven Bienenschäden infolge der Blattlausbekämpfung. Welche Lehren daraus für 2004 zu ziehen sind, erklärt Prof. Dr. Gerhard Lauenstein, LK Weser- Ems, Oldenburg. Die Bekämpfungsstrategien gegen Blattläuse in Kartoffeln müssen in allen Produktionsrichtungen neu ausgerichtet werden. Dringend erforderlich machen dies die im Dürresommer 2003 aufgetretenen Probleme mit Bienenschäden in Konsumkartoffeln und das Spektrum der zugelassenen Mittel. Worum geht es? In Niedersachsen wurden im Jahrhundertsommer 2003 folgenschwere Erfahrungen gemacht: Als die Kartoffeln während der Dürre ab Juli weitgehend ihr Wachstum einstellten, baute sich in den Konsumbeständen völlig überraschend innerhalb kurzer Zeit eine Massenvermehrung der Blattläuse auf. Es wurden Spitzenwerte von mehr als 10 000 Blattläusen je 100 Blatt erreicht. Verursacht durch die Dürre und die Saugschäden der Blattläuse begann das Kraut befallener Pflanzen abzusterben. Um weitere Schäden an den Beständen zu vermeiden, wurde zur Blattlausbekämpfung aufgerufen. An der Richtigkeit dieser Maßnahme besteht kein Zweifel. Doch trat etwas ein, was nach den bisherigen Erfahrungen nicht zu erwarten war: Es kam zu massiven Bienenverlusten, an denen auch der Einsatz von Insektiziden beteiligt war. In Niedersachsen besteht bei annähernd 2 000 Bienenvölkern ein solcher begründete Verdacht. Die Untersuchungen sind aber noch nicht abgeschlossen. Die Ursachenanalyse ergab Folgendes: Die Bienenvölker waren insgesamt durch Krankheiten (Varroatose, Nosema, Faulbrut) sowie die von den Imkern ergriffenen Gegenmaßnahmen geschwächt und infolgedessen stressempfindlich. Zudem litten sie unter Wassermangel. Die sonst verfügbaren Trachtpflanzen (Unkräuter usw.) waren weitgehend verdorrt. Es bestand Nahrungsmangel. Nahrung bot aber der in größeren Mengen verfügbare zuckerreiche Kot der Blattläuse (Honigtau) auf den Kartoffelpflanzen, der nun aufgesucht und eingetragen wurde. In dieser Situation wurden großräumig Insektizide zur Blattlausbekämpfung eingesetzt. Empfohlene Mittel waren wegen der überraschenden Nachfrage schnell ausverkauft. Auch die Sonderzulassung des bienenungefährlichen Präparates Plenum bot nur bis zum Ausverkauf einen Ausweg. So wurden verschiedene auch bienengefährliche Mittel angewendet. In den vergifteten Bienen ließen sich mit Abstand am häufigsten Insektizide mit dem Wirkstoff Dimethoat (die am weitaus billigsten waren) nachweisen. Dies zeigten die ersten Untersuchungsergebnisse der Biologischen Bundesanstalt. Haben sich Landwirte, die ihre Konsumkartoffeln gegen Blattläuse gespritzt haben, falsch verhalten? Im Juristendeutsch liegt ein Verbotsirrtum vor. Laut Bienenschutzverordnung sind blühende Kartoffeln (weil die Blüten nicht von Bienen beflogen werden) keine blühenden Pflanzen. Daher dürfen sie auch mit bienengefährlichen Insektiziden behandelt werden. Sie schreibt aber auch vor, dass Pflanzen, sobald sie von Bienen beflogen werden, nicht mehr mit bienengefährlichen Mitteln behandelt werden dürfen. Hier liegt der Konflikt. Diese Entwicklung hatte Regressforderungen von Imkern zur Folge. Die Diskussionen mit Imkerverbänden und auf politischer Ebene halten noch an. Die Bienenschutzverordnung wird nun voraussichtlich so geändert, dass bienengefährliche Mittel auf Pflanzen mit Honigtaubelag nicht angewendet werden dürfen. Folgen für die Landwirte Im Dürresommer 2003 hat sich gezeigt, dass auch Kartoffeln von Bienen beflogen werden können. Die überlappende Insektizid- Behandlung von Pflanzkartoffeln hat sich in 2003 als nicht riskant für Bienen erwiesen. Der Grund: Die Blattlauszahlen und damit die Honigtauproduktion wurden durch diese Strategie niedrig gehalten. Sie kann wie bisher mit bienengefährlichen Mitteln fort geführt werden. Die Behandlung von Konsumkartoffeln (eine oder wenige Anwendungen)mit bienengefährlichen Mitteln bei hohem Blattlausbefall ist allerdings hoch riskant, weil der Zuflug von Bienen nicht auszuschließen ist. In Konsumkartoffeln sollten keine bienengefährlichen Mittel angewendet werden, da sie dort erst zum Einsatz kommen, wenn hohe Blattlauszahlen erreicht werden. Das Problem: Hohe Blattlauszahlen bedeuten größere Honigtaumengen. Nach einer Modellrechnung von Dr. Walter Rieckmann, LK Hannover, liegt die Grenze, ab der die Honigtauproduktion der Blattläuse für Bienen attraktiv wird, bei etwa 300 bis 500 Läusen/100 Blatt. Diese Schwelle dürfte jedes Jahr ab etwa Ende Juni erreicht sein. Das Problem mit dem zugelassenen Mittelspektrum Für die Bekämpfung von Blattläusen als Saugschädlinge werden in Konsumkartoffeln Mittel mit ausreichender Wirkung benötigt. In Pflanzkartoffeln ist es komplizierter. Sie müssen vor Blattläusen als Virusvektoren geschützt werden. Hierzu ist eine Kombination systemischer (für die Abdeckung der Phase des Massenwachstums) und anderer Mittel erforderlich. Letztere (z. B. Pyrethroide) sollen eine ausreichend befallsmindernde Wirkung haben und möglichst das Verhalten der Blattläuse so ändern, dass sie weniger virusübertragende Anstiche durchführen. Das bisher für Pflanzkartoffeln geeignete Spektrum von Insektiziden hat sich aber in letzter Zeit verändert, weil Zulassungen ausgelaufen oder Neuzulassungen erfolgt sind. Die aktuelle Situation sieht wie folgt aus: Die Zulassung der Ripcord-Präparate und des baugleichen IRO 10 EC (Cypermethrin) ist beendet. Damit stehen keine Pyrethroide mehr für die vorteilhafte Mehrfachanwendung zur Verfügung. Dimethoat-Präparate für den Einsatz in Konsumkartoffeln (einmalige Anwendung) haben 2003 eine Zulassungsverlängerung meist bis 31.12.2004 erhalten. Sie sind bienengefährlich, allerdings auch konkurrenzlos billig. Die Zulassung von Tamaron (Methamidophos) einem wichtiger Baustein der Spritzfolge bei Pflanzkartoffeln läuft am 31.12.2005 aus. Das Beizmittel Gaucho 600 FS (Imidachloprid) gewinnt bei einer Wirkungsdauer von sieben Wochen (abhängig von der Befalstärke der Blattläuse) an Bedeutung. Seine Vorteile: Es fängt den kritischen Frühbefall ab und hilft, Spritzanwendungen mit den einhergehenden Befahrbarkeitsproblemen zu vermeiden. Seine Nachteile: Die verteuernde Vermarktung als Pack mit dem Fungizid Monceren und der Geräteaufwand für die Anwendung. Hohe Erwartungen wurden an die Zulassung von Plenum 50 WG (Pymetrozin) gestellt. Es wirkt systemisch und darf bis zu fünf Mal angewendet werden. Seine Schwächen: Die um etwa drei Tage verzögerte Anfangswirkung und die derzeitige Einstufung als bienengefährlich. Die Bienengefährlichkeit stellt die erwartete Monopolstellung im Konsumanbau in Frage. Der Hersteller bemüht sich dem Vernehmen nach, eine B2-Einstufung noch bis Mitte des Jahres zu erreichen. Die derzeit zur Blattlausbekämpfung in Kartoffeln zugelassenen Mittel entnehmen Sie der Übersicht. Fazit Bienenschäden im Dürresommer 2003 in Teilen Niedersachsens und die veränderte Mittelpalette erfordern neue Konzepte gegen Blattläuse. Verlauf und Stärke der Entwicklung von Blattlauspopulationen sind in den verschiedenen Anbauregionen aber derart ungleichmäßig, dass sich für die Bekämpfung keine Patentrezepte entwickeln lassen. Die Strategien müssen daher von den regionalen Stellen jährlich neu an die jeweilige Befallsentwicklung angepasst werden. Zu bedenken ist auch, dass die Blattlaus-Entwicklung im Jahre 2003 eine Ausnahme war, die sich nicht zwangsweise wiederholen muss. Andererseits müssen 2003 gewonnene Erkenntnisse umgesetzt werden. Unter Berücksichtigung der Zulassungssituation und des Bienenschutzes ergeben sich für die Bekämpfung der Blattläuse in Pflanzund Konsumkartoffeln die in den Kästen auf Seite 59 und 60 zusammengestellten Strategien für die Saison 2004.

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