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Die Top-Gerstensorten für den Norden

Lesezeit: 8 Minuten

Weil die Wirkstoffe schwinden, gewinnen gesunde Sorten wieder an Bedeutung. Nutzen Sie die unabhängigen Ergebnisse der Landessortenversuche für Ihre Sortenwahl.


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Vor allem in den Ackerbauregionen lag der Anbau von Wintergerste in den letzten Jahren nicht gerade im Trend. In Niedersachsen erreichte Gerste 2018 landesweit nur noch einen Anteil von 7,1% an der Ackerfläche. Der Durchschnittsertrag war mit lediglich 61 dt/ha enttäuschend. Auch auf Bundesebene war die Situation nicht besser: Mit 1,5 Mio. ha erreichte Wintergerste gerade einmal etwa 50% der Weizenfläche.


Gerste senkt das Anbaurisiko


Zurzeit zeichnet sich jedoch eine Trendwende ab. So ist die Anbaufläche zur Ernte 2019 wieder leicht gestiegen. Auch die ersten Ertragsdaten der Praxis sind deutlich besser als im vorherigen Dürrejahr. Offensichtlich hatte die Gerste beim Einsetzen der Hitzeperiode Ende Juni die Kornbildung bereits weitgehend abgeschlossen.


Vor allem in Zeiten zunehmender Extremwetterlagen ist es mit Wintergerste somit möglich, Anbaurisiken vorzubeugen und Erträge abzusichern. Darüber hinaus leistet Wintergerste einen wichtigen Beitrag zur Artenvielfalt. Denn anders als Weizen schafft sie sehr günstige Voraussetzungen, um Zwischenfrüchte anzubauen.


Begrenzender Faktor bleibt allerdings die Vermarktung, weil sich Wintergerste fast nur über den Futtertrog nutzen lässt. Eine interessante Nische kann jedoch der Anbau von Winterbraugerste sein. In diesem Jahr hat das Bundessortenamt die erste ertragreiche mehrzeilige Sorte für diesen Verwendungszweck zugelassen. Mehr dazu auf Seite 77.


Wie sich die geplanten Änderungen der Düngeverordnung – voraussichtlich ab dem kommenden Jahr – auswirken werden, ist zurzeit noch offen. Diskutiert wird darüber, ob Landwirte die im Herbst gedüngten Mengen im Frühjahr vom ermittelten Düngebedarf abziehen müssen. Wenn das künftig gelten sollte, wird eine bedarfsgerechte Nährstoffversorgung der Gerste besonders auf kalten und trägen Höhenlagen sowie auf Sandböden kaum noch möglich sein.


Erträge steigen langsam


Der Ertragsfortschritt geht bei Wintergerste in der Praxis nur langsam voran. Das liegt vor allem daran, dass Klimaveränderungen die Ertragsbildung in vielen Regionen behindern.


Betrachtet man ausschließlich den Zuchtfortschritt, ist aktuell ein deutlicher Sprung nach vorn erkennbar. So lagen die Ertragsunterschiede der älteren Sorten KWS Meridian (Zulassung 2011) und Tamina (2014) im Vergleich zu den neueren ertragsstarken Sorten SU Jule und KWS Orbit in den Landessortenversuchen 2018 in Niedersachsen bei 8 bis 9% (siehe Übersicht 1). Diese überdurchschnittlichen Ertragsleistungen der beiden neuen Liniensorten spiegeln sich auch in den ersten Ergebnissen dieser Ernte wider.


Hohe Erträge erzielte zudem die Sorte Quadriga. Trotz hoher Einstufung durch das Bundessortenamt (Höchstnote 9) fiel KWS Higgins im letzten Jahr mit relativ 97% ab. Langjährig erreicht sie mit relativ 102% jedoch leicht überdurchschnittliche Erträge. Auch in diesem Jahr scheint Higgins wieder bessere Leistungen zu bringen. Die Schwankungen liegen vermutlich daran, dass die Sorte stark anfällig gegenüber Zwergrost ist, und sie zu Lager neigt. Schwankende Erträge zeigt zudem die zweifach gegenüber Gelbmosaikvirus resistente Sorte Joker. Wegen ihrer frühen Reife scheint sie besonders auf schwächeren Standorten und bei Vorsommertrockenheit Vorteile zu haben. Gute, mittlere Erträge bringen zudem Mirabelle und LG Veronika.


Die Leistungen der Hybriden, wie z.B. Galileoo, Toreroo und Bazooka, reichen trotz hoher Erträge in den LSV von relativ 103 bis 104% auch im letzten Dürrejahr nicht aus, um die hohen Saatgutkosten zu begleichen. Hierfür sind je nach Getreidepreis etwa 4 bis 5% Mehrertrag gegenüber den Liniensorten erforderlich. Nicht umsonst haben einige Gerstenzüchter ihre gerade erst begonnenen Hybridgerstenzuchtprogramme wieder eingestellt. Dennoch: Die Hybriden brachten in den LSV bislang sehr konstante Erträge.


Die zweizeiligen Sorten wurden wegen ihrer geringen Anbaubedeutung im Norden nur auf Sandstandorten und in der Marsch geprüft. Derzeit stehen mit KWS Infinity, Zita und Valerie noch drei Sorten im LSV. Die Ergebnisse: Im Vorjahr konnte vor allem Infinity ertraglich überzeugen. Langjährig liegt die Sorte mit relativ 97% leicht unter dem Durchschnitt. Mit relativ 96% erzielte Zita langjährig ähnliche Erträge, sie ist jedoch standfester und gesünder. Die neue Sorte Valerie erreichte im Ertrag die Note 7. Sie ist resistent gegenüber Typ 1 und 2 des BaYMV-Virus.


Standfest und gesund – darauf kommt es an


Wegen des Klimawandels und des Wegfalls vieler Fungizide wird es immer wichtiger, dass die Sorten standfest und gesund sind. Die Eigenschaften wichtiger Wintergerstensorten entnehmen Sie der Übersicht 2.


Von dem umfangreichen Sortiment zählen günstigerweise die im Ertrag überzeugenden Sorten Quadriga, SU Jule, KWS Orbit, Mirabelle sowie die neuen Gerstensorten SU Laurielle und Diadora sowie die Hybriden Toreroo und SY Galileoo zu den standfesteren Vertretern. Setzen Sie vor allem auf sehr wüchsigen Standorten und bei früher Saat keinesfalls auf die lageranfälligen Sorten KWS Higgins, Joker, KWS Meridian oder Pixel. Auch Melia (Neuzulassung 2019) ist sehr lang und lageranfällig. Die weiteren Neuzulassungen wie Journey und KWS Flemming sind langwüchsig und mittel standfest.


Achten Sie in Gerste zusätzlich auf die Halmstabilität. Überragend sind in diesem Merkmal vor allem SU Jule und Mirabelle zu beurteilen. Auch in puncto Stabilität der Ähre sind beide Sorten sehr gut eingestuft. Trotz einer guten Bewertung durch das Bundessortenamt neigte KWS Orbit in dieser Ernte stärker zum Halmknicken, Ährenknicken kommt bei ihr jedoch nur selten vor.


In Bezug auf das Halmknicken sind, wie bei der Lagergefahr, KWS Higgins, Joker, KWS Meridian und vor allem Pixel schwach zu beurteilen. Auch von den neuen Sorten fällt hier keine positiv auf.


Zwergrost ist Erreger Nr. 1


Infolge der Klimaveränderung entwickelt sich bei den Blattkrankheiten in der Gerste vor allem Zwergrost zum Hauptschaderreger. Auffällig ist, dass der Pilz immer früher infiziert. Der vermehrte Anbau anfälliger Sorten fördert sein Auftreten zusätzlich.


Anfällig sind besonders KWS Kosmos, KWS Higgins, KWS Orbit und KWS Meridian. Die Ertragsverluste dieser Sorten lagen in den LSV-Varianten „ohne Fungizid und Wachstumsregler“ auch in diesem Jahr bei 20 bis 27%. Dies entspricht einem hohen monetären Verlustrisiko von etwa 300 bis 400 € je ha. Der Minderertrag gesünderer Sorten wie Toreroo, Mirabelle, Galileoo und SU Jule liegt dagegen nach ersten Versuchsauswertungen nur bei 4 bis 15%. Von den neuen Sorten liegt der Verlust bei Diadora ebenfalls in diesem Bereich. Wer diese gesünderen Gersten-sorten anbaut, kann den Fungizidaufwand und das Anbaurisiko deutlich mindern.


Neben Zwergrost spielen in Gerste weiterhin die bekannten Blatt- und Netzflecken eine Rolle. Gegenüber diesen Krankheiten weisen die meisten Sorten mittlerweile eine mittlere bis gute Gesundheit auf, sodass diese beiden Pilze in letzter Zeit kaum noch eine Relevanz erlangten.


Mehltau tritt meist nur in der frühen Phase auf. Gegen diesen Pilz zeigt lediglich SU Jule eine kleine Schwäche. Ramularia-Blattflecken befallen die Gerste erst ab dem Ährenschieben. Sortenunterschiede in der Anfälligkeit gegenüber dieser Krankheit gibt es jedoch bislang kaum. Wegen des angekündigten Wegfalls des Wirkstoffs Chlortanonil (u.a. in Amistar Opti) könnte dadurch ein weiteres Problem beim Anbau von Wintergerste entstehen.


Qualität weiterhin beachten


Nach wie vor spielt das Hektolitergewicht beim Verkauf der Gerste eine wichtige Rolle. In diesem Merkmal variieren die Sorten in einem sehr weiten Bereich, wie Übersicht 3 zeigt. In der Kornqualität überzeugen vor allem Quadriga, SU Jule, Mirabelle und KWS Orbit. Damit bestätigen sie auch in diesem Punkt ihre Anbauwürdigkeit.


Eine deutliche Schwäche beim Hektolitergewicht zeigen dagegen Joker und Pixel. Auch KWS Kosmos und KWS Meridian zählen eher zu den schwächeren Sorten. Von den neuen Sorten wurden vor allem KWS Flemming und Melia positiv eingestuft. Gleiches gilt für die zweizeilige Sorte Valerie. Durchschnittliche hl-Gewichte sind von KWS Infinity und Zita zu erwarten.


Vermehrung zeigt Bedeutung


Der Umfang der Vermehrungsflächen gibt einen guten Hinweis, wie bedeutsam die Sorten in der Praxis sind. Bei den neuen Sorten spiegelt sich in den Zahlen jedoch auch die Hoffnung der Züchter wider.


Bundesweit steht KWS Kosmos mit gut 3000 ha Vermehrungsfläche deutlich an der Spitze. Trotz durchschnittlicher Erträge und mittlerer bis hoher Anfälligkeiten hat die Sorte sogar noch leicht zugelegt.


An zweiter Stelle folgt mit California eine zweizeilige Sorte, die bereits länger nicht mehr im LSV steht, in der Praxis offensichtlich jedoch noch überzeugt. Sie zählt zu den kurzen, standfesten und gesunden Kandidaten. An die dritte Stelle positioniert sich mit Quadriga wiederum eine mehrzeilige, gesunde und ertragsstabile Sorte. In Niedersachsen liegt sie mit ca. 500 ha an der Spitze der Vermehrungsfläche.


Mit Sandra folgt dann eine weitere zweizeilige Sorte, die ebenfalls nicht mehr geprüft wird. Gegenüber California ist Sandra etwas lageranfälliger und im Ertrag schwächer eingestuft. Zudem ist sie nur wenig winterfest.


Anders als in Niedersachsen konnte die anfällige Sorte KWS Higgins bundesweit nochmals leicht zulegen. Deutlich verloren hat dagegen die ältere Sorte KWS Meridian.


Erstaunlicherweise wurde die bereits im Jahr 2001 zugelassene Sorte Lomerit in diesem Jahr wieder stärker vermehrt. Ein Beleg dafür, dass die Praxis trotz ihrer bekannten Lageranfälligkeit dem Zuchtfortschritt der neuen Sorten skeptisch gegenübersteht.


Dennoch: Große Hoffnungen setzen die Züchter derzeit in die neueren Sorten KWS Orbit, SU Jule, SY Galileoo sowie Mirabelle – das zeigen ihre Vermehrungsflächen deutlich. Für die kommende Ausaat sollte ausreichend Saatgut verfügbar sein.


matthias.broeker@topagrar.com


Unser Autor


Dr. Ulrich Lehrke,


LWK Niedersachsen

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