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Eine Gefahr nicht nur für die Kartoffel

Lesezeit: 11 Minuten

Trichodoriden und TRV verursachen immer mehr eisenfleckige Knollen. Den Anbauern drohen dann enorme Qualitätsabzüge. Mithilfe eines Projektes will man dem Virus nun zu Leibe rücken.


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Die viröse Eisenfleckigkeit, verursacht durch das Tobacco Rattle Virus (TRV), bereitete in den letzten Jahren bundesweit große Probleme im Kartoffelbau. Als Symptome treten Eisenfleckigkeit und Pfropfenbildung in der Knolle sowie Ringnekrosen auf der Knollenoberfläche auf. Je früher die Infektion stattfindet, umso deutlicher können sich die Symptome ausprägen.


In anfälligen Sorten lassen sich erste Schäden Mitte/Ende Juli finden, wobei der Befall bis zur Ernte sowie auch noch im Lager weiter zunimmt. In Starkbefallsjahren weisen viele Partien über 50% eisenfleckige Knollen auf. Hohe Qualitätsabzüge bis zur Weigerung der Annahme und Entsorgung befallener Partien sind die Folgen.


Probleme nehmen zu


Überträger des TRV sind im Boden freilebende Nematoden der Gattungen Trichodorus und Paratrichodorus (Trichodoriden). Bei feuchten Böden und warmen Temperaturen können sich diese Nematoden optimal entwickeln, die Kartoffeln befallen und das Virus übertragen. Bei Starkbefall sind Wurzelschäden und Auflaufprobleme möglich. Biologisch und chemisch lassen sie sich zurzeit nicht bekämpfen.


Die deutliche Zunahme von Trichodoriden und TRV über die letzten Jahre liegt am Wegfall der Bodenentseuchungsmittel, einer intensiveren Nutzung der Flächen durch z.B. Gemüsebau, an engen Fruchtfolgen und dem Anbau anfälliger Kartoffelsorten. Aber auch die von der Politik geforderten Wasser- und Erosionsschutzmaßnahmen, wie z.B. Gründüngung, Zwischenfruchtanbau und reduzierte Bodenbearbeitung, fördern Trichodoriden stark. Sie schädigen nicht nur Kartoffeln. Auch an zahlreichen Acker- und Gemüsebaukulturen können sie leichte bis schwere Schäden verursachen (z.B. in Möhren).


Bislang hat man diese Problematik im Ackerbau nicht so viel beachtet, weil sich Schäden durch Trichodoriden z.B. an Gerste oder Mais nicht eindeutig zuordnen lassen. Ein Nachweis an den Pflanzen ist nicht möglich, da sie von außen an den Wurzeln saugen und sich davon lösen, sobald man die Pflanzen aus dem Boden zieht. Somit bleibt nur der Nachweis über eine Bodenuntersuchung.


Wegen der zunehmenden Probleme mit der virösen Eisenfleckigkeit, hat die LWK NRW das Projekt DEFENT-TRV initiiert und in Kooperation mit dem Julius Kühn-Institut (JKI) und den Kartoffelzüchtern von 2016 bis 2019 durchgeführt. Ziel war es, umweltschonende und praxisorientierte Lösungen zur Bekämpfung zu erarbeiten. Die erzielten Ergebnisse sind neu und richtungsweisend, teils aber auch ernüchternd.


Projekt: gemeinsam Paroli bieten


Weil das Projekt sehr umfangreich ist, stellen wir Ihnen in dieser top agrar-Ausgabe zunächst Folgendes vor:


  • den Weg der Virusübertragung,
  • Ergebnisse zu den Bodenproben, um den Besatz der Nematoden richtig zu ermitteln (Beprobungstiefe, -termin),
  • die Erfassung der Besatzdichte und
  • die Ergebnisse des Bodenmonitorings.


Die Virusübertragung erfolgt bei der Nahrungsaufnahme. Die Trichodoriden stechen mit ihrem Mundstachel in die Epidermiszellen der Wurzel und saugen den flüssigen Zellinhalt auf. Wenn die Zelle dabei abstirbt, können sich die übertragenen Viruspartikel nicht weiter ausbreiten. Oft ist der Saugvorgang aber unvollständig bzw. in 5 bis 10% der Fälle führen sie nur einen Probestich durch, sodass die Wurzelzelle intakt bleibt und sich das Virus ausbreiten kann. Trichodoriden können auch die Lentizellen in der dünnen Kartoffelaußenschicht junger Kartoffeln anstechen. Vom Ort der Infektion wird das TRV dann systemisch in Wurzeln, Tochterknollen und Blättern weiterverbreitet.


Einmal mit Virus beladen, kann ein Trichodoride mehrere Pflanzen infizieren. Frisch gehäutete Stadien müssen sich jedoch erst wieder an einer infektiösen Pflanze mit TRV beladen, weil sie während der Häutung die anhaftenden Viruspartikel abstreifen. Da sich adulte Tiere nicht mehr häuten, bleiben sie zeitlebens, bis zu einem Jahr, Überträger.


Möglich ist aber auch, dass die Trichodoriden und TRV über verseuchte Erde, die am Erntegut, an Geräten, Maschinen oder Reifen anhaftet, weiträumig auf andere Flächen gelangen. Deswegen ist bei überbetrieblicher Maschinennutzung Vorsicht geboten.


Richtiges beproben ist A und O


Um festzustellen, ob bzw. wie viele Trichodoriden vorkommen, ist die „richtige“ Beprobung des Bodens wichtig. Bislang wird in Deutschland nur in einer Tiefe von maximal 30 cm beprobt. In eigenen Versuchen ließen sich 2010 in dieser Tiefe aber nur wenige oder keine Trichodoriden finden, obwohl die Kartoffeln auf diesen Flächen stark mit viröser Eisenfleckigkeit befallen waren. Deswegen wurde die Probenahmetiefe in NRW sukzessiv erhöht. Es zeigte sich, dass sich die Nematoden vermehrt in den tieferen Bodenschichten aufhalten und mit der bisherigen Probenahmetiefe häufig nicht erfasst werden.


Dies bestätigten auch die dreijährigen Projektergebnisse: Etwa die Hälfte der Trichodoriden wurden Ende 2016 (52,1%) und Anfang 2018 (49,6%) in 60 bis 90 cm Tiefe gefunden und jeweils etwa nur ein Viertel in den Schichten 30 bis 60 cm sowie 0 bis 30 cm. Anfang 2019 traten wegen der lang anhaltenden Bodenfeuchte fast die Hälfte der Trichodoriden (48,7%) in der mittleren Bodenschicht auf und jeweils etwa ein Viertel in der obersten und untersten Schicht. Die LWK NRW empfiehlt seit 2012, mindestens bis zu 60 cm (Wurzelhorizont der Kartoffel) zu beproben, möglichst aber auf bis zu 90 cm Tiefe.


Eine zweite Herausforderung ist der optimale Probenahmetermin. Der Hintergrund dafür ist, dass sich die Trichodoriden in den Sommer- und Herbstmonaten trotz eines hohen Ausgangsbefalls im Frühjahr kaum wiederfinden lassen (eigene Versuche 2010 bis 2012). Der optimale Termin für eine Probenahme ist daher in der kühlen Jahreszeit von November bis März, weil dann die höchsten Besatzdichten zu finden sind.


Besatzdichte – nicht jede Methode eignet sich


Um die Besatzdichte der Trichodoriden in den Bodenproben für jede einzelne Bodenschicht zu erfassen, nutzte man das sogenannte Baermann-Verfahren. Diese Methode gibt die Anzahl an Trichodoriden/100 ml Boden je Fläche an. Der Nachweis von TRV im Boden erfolgte dann über den Tabak-Fangpflanzentest mit anschließender Untersuchung der Tabakwurzeln (RT-PCR).


Im Projekt wurde dazu pro Fläche jeweils eine Mischprobe aus den drei Bodenschichten eingesetzt. In diese Probe säte man eine anfällige Tabaksorte. Virusbeladene Trichodoriden übertragen während des Saugens an der Wurzel das Virus, dass sich dann in den Tabakpflanzen nachweisen lässt. Der Tabak-Fangpflanzentest hat sich als sehr zuverlässig erwiesen und wird den Landwirten in NRW seit 2010 als Hilfestellung angeboten.


Bislang nahm man an, dass es ohne Trichodoriden-Funde im Boden auch zu keiner Infektion mit TRV kommt. Allerdings hat die LWK NRW schon im Zeitraum von 2010 bis 2013 in 14,3% der Bodenproben keine Trichodoriden gefunden (eigene Versuche und Praxisflächen), obwohl der anschließende Tabaktest positiv war. Diese Beobachtung ließ sich durch das Projekt bestätigen. Hier wurden auf 14,8% der Flächen keine Trichodoriden gefunden, obwohl der Tabaktest positiv ausfiel. Im Projektverlauf zeigte sich, dass sich das eingesetzte Baermann-Verfahren speziell für die Extraktion von Trichodoriden weniger eignet als andere Methoden. Dass mit dem sogenannten Oostenbrink-Elutriator ein im Durchschnitt 7-fach höherer Besatz an Trichodoriden im Vergleich zum Baermann-Verfahren nachweisbar ist, zeigen Untersuchungen des JKI. Um die verschiedenen Versuche und Jahre aber miteinander vergleichen zu können, wurde auf einen Wechsel zu einer anderen Methode innerhalb der Projektlaufzeit verzichtet. Für die amtliche Diagnostik von Bodenproben auf Trichodoriden scheint allerdings eine Umstellung auf effizientere Verfahren zwingend nötig zu sein.


Bodenmonitoring offenbart enormen Besatz


Innerhalb der Projektzeit wurden im Rahmen eines Bodenmonitorings auf 122 Befalls- oder Verdachtsflächen in den nordrhein-westfälischen Kartoffelanbauregionen Kleve/Wesel, Heinsberg/Viersen, Borken, Warendorf, Gütersloh und Paderborn Bodenproben gezogen. Die Probenahme erfolgte durch die Firma Kerkenpass mit einem vollautomatischen Probenehmer zur Nmin-Beprobung in drei Schichten bis 90 cm Tiefe. Das Ergebnis: Von den untersuchten Flächen waren durchschnittlich 70,8% positiv auf Trichodoriden und durchschnittlich 57,9% positiv auf TRV – Jahresunterschiede waren allerdings zu beobachten.


Von diesen 122 Flächen wurden 45,1% positiv auf beides getestet (Trichodoriden und TRV). Auf 26,2% traten zwar Trichodoriden auf, TRV ließ sich aber nicht finden. Und andersherum traten auf 14,8% der Flächen – wie zuvor erwähnt – keine Trichodoriden auf, obwohl der Test auf TRV positiv war. Nur 13,9% waren befallsfrei. Diese Befallszahlen sind alarmierend, aber nicht unbedingt verwunderlich, da die Kartoffelberater und Landwirte bevorzugt Befalls- oder Verdachtsflächen ausgewählt hatten. Trotzdem geben diese hohen Werte zu Denken.


Auf den Befallsflächen ließen sich mit dem Baermann-Verfahren durchschnittlich 11,8 Trichodoriden/100 ml Boden feststellen. Die höchste im Projektzeitraum gefundene Anzahl lag in NRW bei 53 Trichodoriden/100 ml Boden. Ab einem Wert von über 50 je 100 ml Boden waren in NRW deutliche Auflaufprobleme von Kartoffeln zu beobachten. Die höchste auf einem der bundesweiten Züchterstandorte ermittelte Besatzdichte lag bei 100 Trichodoriden/100 ml Boden.


Bedenkt man, dass sich mit dem Oostenbrink-Elutriator deutlich mehr Trichodoriden nachweisen lassen, ist insgesamt von einer noch höheren Besatzdichte auszugehen. Auch ist damit zu rechnen, dass negativ getestete Flächen möglicherweise doch belastet waren.


Bislang ging man auch in der Fachliteratur davon aus, dass die viröse Eisenfleckigkeit besonders ausgeprägt beim Anbau von Kartoffeln auf sandigen Böden bzw. in Getreidefruchtfolgen auftritt – und das vor allem in feuchten Jahren. Im Projekt traten Trichodoriden und TRV in NRW aber nicht nur auf Sandböden auf, sondern auf allen untersuchten Bodenarten (S, lS, ssL, sL, uL), wie Übersicht 1 zeigt. Die höchste Anzahl an Trichodoriden/100 ml Boden je Fläche wurde auf schluffigem Lehm (ø33,3) gefunden, dann folgten stark lehmiger Sand und sandiger Lehm (jeweils ø10) und Sand (ø7,25). Die niedrigste Anzahl wurde auf lehmigem Sand (ø3,78) nachgewiesen. Diese Erkenntnis ist in NRW bekannt, für Deutschland aber weitgehend neu. Ein Grund hierfür könnte sein, dass der Anbau von zahlreichen anfälligen Industrie- oder Speisesorten in NRW bevorzugt auf „schweren“ Böden erfolgt.


Welchen Einfluss haben die angebauten Kulturen?


Im Bodenmonitoring zeigte sich auch, dass die Flächen aller untersuchten Hauptkulturen hoch mit Trichodoriden belastet waren. Lediglich die Zwiebeln waren nur zu einem Drittel betroffen und die Spargelfläche war befallsfrei. Die Anzahl an Trichodoriden/100 ml Boden je Fläche war bei Spargel, Weißkohl und Zwiebeln am niedrigsten. Die höchsten Werte ließen sich in Winterweizen, -triticale und Ackerbohnen/Erbsen/Buschbohnen finden. Die Anzahl an Flächen mit TRV war insgesamt zwar niedriger, aber auch hier war der Boden fast aller Hauptkulturen hoch belastet. Lediglich die Zwiebelflächen waren nur zu einem Drittel betroffen, die Weißkohlfläche war befallsfrei (Übersichten 2 und 3).


Bei diesen Ergebnissen ist zu berücksichtigen, dass zur Zeit der Probenahme das neu ausgesäte Getreide bereits auf den Äckern stand, die Flächen mit den Sommerkulturen aber schon geräumt waren. Für die Auswertungen der Hauptkulturen nutzte man deswegen nur die Flächen mit Sommerkulturen, auf denen an den Probenahmeterminen keine Zwischenfrüchte, Grünroggen oder Gras standen. ▶


Zudem ist zu beachten, dass bei der Ernte von Kartoffeln, Rüben oder Möhren viel Boden mechanisch bewegt wird. Weil die Trichodoriden sehr empfindlich auf mechanischen Stress und Austrocknung reagieren, wäre vermutlich mit höheren Besatzdichten zu rechnen gewesen.


Zwischenfazit: Eine solch hohe Belastung mit Trichodoriden und TRV über alle Kulturen hinweg war erschreckend. Ein weiteres unerwartetes Ergebnis war auch der positive Nachweis von TRV in den Wurzeln von Ausfallgetreide. Getreide kann demnach als Wirtspflanze nicht nur die Trichodoriden vermehren, sondern ist auch ein gutes Reservoir für das Virus.


Interessant waren auch die Ergebnisse zum Vergleich von Mulch- und Pflugsaat (durchschnittlich über alle Kulturen und Jahre). Bei Mulchsaat war die Anzahl an Trichodoriden deutlich höher (12,1 Trichodoriden/100 ml Boden je Fläche) als bei der Pflugsaat mit 7 Trichodoriden/100 ml Boden je Fläche).


Ausblick


Für diese Probleme gibt es aber Lösungen. In diesem Beitrag ging es zunächst darum, auf die Komplexität der Erreger, die Herausforderungen bei der Bodenprobenahme und den Laboranalysen, dem bisher nicht gekannten Einfluss der Kulturen sowie der erschreckend hohen Verseuchung der Flächen hinzuweisen. Mithilfe umfangreicher Maßnahmen, bestehend aus resistenten Kartoffelsorten, gezieltem Zwischenfruchtanbau unter Berücksichtigung der Feldhygiene, konsequenter Unkrautkontrolle, der Schwarzbrache auf Starkbefallsstandorten sowie routinemäßigen Bodenuntersuchungen ist aber eine nachhaltige Bekämpfung von Trichodoriden und TRV durchaus möglich. Wichtig ist, dies über die gesamte Fruchtfolge zu planen und konsequent durchzuführen. Die weiteren Projektergebnisse finden Sie in den kommenenden top agrar-Ausgaben.


matthias.broeker@topagrar.com


matthias.broeker@topagrar.com


Die Förderer: Die IGF-Vorhaben K 81/16 AiF (AiF-Nr. 19237 BG/1 und BG/2) der Forschungsvereinigung Gemeinschaft zur Förderung von Pflanzeninnovation e.V. (GFPi) wurden über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

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