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Emmer und Einkorn wieder entdeckt

Lesezeit: 7 Minuten

Auf 2000 ha werden in Deutschland Emmer und Einkorn angebaut. Welches Anbau- und Marktpotenzial hat das Urkorn? Eine Einschätzung von Dr. Friedrich Longin.


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Von weltweit rund 380000 bekannten Pflanzenarten werden nur wenige im großen Stil angebaut. Knappe 75% der deutschen Ackerfläche wird von nur fünf Kulturen dominiert – Weizen, Gerste, Mais, Raps, Roggen.


Die Landessaatzuchtanstalt der Universität Hohenheim arbeitet daran, das Anbau- und Marktpotenzial alternativer Kulturarten abzuschätzen und mit Sortenzüchtung bis zur Marktreife zu unterstützen. Die Idee dabei ist, solche Kulturarten, die für einen größerflächigen Anbau interessant sind, zu etablieren. Mit Dinkel ist das in den letzten drei Jahrzehnten geglückt.


Auch Einkorn (Triticum monococcum) und Emmer (Triticum dicoccum) haben Potenzial. Sie gehören zu den ältesten Kulturpflanzen der Menschheit und sind entfernt verwandt mit unserem heutigen Brotweizen. Emmer war das Hauptgetreide des pharaonischen Ägyptens, während Einkorn hingegen häufig als Beikraut in anderen Getreidebeständen wuchs. Damit eine „Wiedereinführung“ dieser Kulturarten glückt, benötigt man zuverlässige Informationen über die Anbaupotenziale und Risiken sowie die Verarbeitungsmöglichkeiten.


Weniger Ertrag.


Im Laufe der letzten 15 Jahre hat die Universität Hohenheim deswegen Hunderte Genbankeinlagerungen von Einkorn und Emmer auf deren Anbaupotential getestet und Sorten und Zuchtstämme mit Sorten von Dinkel, Hartweizen und Brotweizen verglichen (Übersicht 1).


Der Kornertrag von Einkorn und Emmer lag dabei deutlich unter dem des Weizens. So druschen die 15 Weizensorten im Mittel knappe 80 t/ha, die beste Emmersorte aber nur 42 dt/ha und die beste Einkornsorte nur 33 dt/ha. Allerdings überraschten die besten Emmersorten, die bereits das Ertragsniveau der alten Dinkelsorte „Oberkulmer Rotkorn“ hatten – eine große Sorte im Dinkel-Anbau.


Allerdings sind Einkorn und Emmer, wie der Dinkel, Spelzweizen und die Körner bleiben beim Drusch fest von einer Hüllspelze umschlossen. Erst in der Mühle beim sogenannten Gerbgang werden die Körner freigelegt und nur 60 bis 70% des Vesenertrages bleiben als Körner übrig (Übersicht 2). Somit erntet der Landwirt insgesamt knappe 40% mehr als den „echten Kornertrag“. Das Problem dabei: Auch dieses Gewicht und Volumen muss transportiert und gegebenenfalls gelagert werden.


Hoch gewachsen.


Gleichzeitig sind die Spelzen auch ein unschlagbarer Vorteil, den Dinkel, Emmer und Einkorn mitbringen, denn sie schützen das Getreide vor Verschmutzungen aus der Luft, vor Wildbiss und Krankheiten.


Die meisten Einkorn- und Emmersorten haben eine sehr große Wuchshöhe und gehen leicht bei starkem Regen oder Gewitter ins Lager. Es konnten zwar erste Sorten gefunden werden, die etwas weniger lagern. Für den Landwirt bedeutet das trotzdem, dass im Anbau von Einkorn und Emmer zuerst die Standfestigkeit gesteigert werden muss.


Das geht zum Beispiel über reduzierte Düngung, einen späteren Fruchtfolgeplatz, den Einsatz von Wachstumsreglern oder eine dünnere Aussaat. Allerdings gilt wie beim Weizen auch: Eine gesteigerte Düngung erhöht den Ertrag. Landwirte im Ulmer Raum haben schon Spitzenerträge von mehr als 55 dt/ha Emmer geschafft. Bei der Düngung muss der Landwirt also Fingerspitzengefühl beweisen.


Bei der Kostenkalkulation (Deckungsbeitrag) sollten die Erzeuger bedenken, dass bei Einkorn und Emmer ein großer Strohertrag anfällt und dass das Stroh von sehr guter Qualität ist.


Anbau und Verarbeitung:


Emmer und vor allem Einkorn blühen später als der Weizen. Einkorn wird später reif (Übersicht 1) und hat eine langsame Jugendentwicklung. Er bleibt meistens bis Mitte April in der Entwicklung stecken. Unkraut kann er selbst somit lange kaum unterdrücken. Er überzeugt aber ab Mitte Mai mit enormem Bestockungspotenzial. Auch scheint Einkorn bisher wenig anfällig gegen Roste, Mehltau und Fusarium. Dagegen ist Emmer ähnlich anfällig wie Dinkel und sehr anfällig gegenüber Gelbrost. Ein Fungizid ist also beim Emmer sehr ratsam, beim Einkorn aber nicht nötig.


Bei der Ernte ist zu beachten, dass sowohl Einkorn wie Emmer begrannt sind und die Grannen nicht gut brechen. Einkorn und Emmer haben das Potential einen hohen Rohproteingehalt zu bilden. Das kam in den Versuchen der Universität Hohenheim nur leicht zum Vorschein, weil Durum und Brotweizen die vierfache Stickstoffdüngermenge erhalten haben. Die Eigenschaft von Einkorn und Emmer, hohe Rohproteingehalte zu bilden, hilft für die Verarbeitung allerdings wenig, da die Proteinqualität als schlecht einzustufen ist.


Die Vorzüge des Urkorns.


Trotzdem kann man mit Einkorn und Emmer gute Gebäcke realisieren – wenn man die backtechnologischen Besonderheiten kennt. Mit reduzierter Teigtemperatur (20°C statt 30°C) und geringerem Energieeintrag in den Teig (vorsichtig und kurz mischen, nicht kneten) sowie der Beigabe von Ascorbinsäure oder Acerolakirschsaftpulver lässt sich die mäßige Backeignung verbessern. Auch für die Herstellung von Teigwaren, Bier und Whiskey sind Einkorn, das schöne große Körner ausbildet, und der kleinkörnige Emmer interessant.


Im Hinblick auf die Inhaltsstoffe schneidet Einkorn zwar agronomisch schlechter ab als der Emmer, enthält aber im Vergleich zu Brotweizen fast achtmal so viel Lutein im Korn. Das bewirkt die tiefgelbe Farbe von Gebäcken und schafft einen intensiven, nussigen Geschmack.


Darüber hinaus hat Einkorn mehr essenzielle Mineralstoffe (Zink, Eisen, Selen u.a.), ein besseres Fettsäuremuster und höhere Gehalte an weiteren sekundären Inhaltsstoffen als alle anderen Weizenarten.


Welche Sorte soll es sein?


Bisher gibt es wenige geschützte Sorten, die dem Landwirt zur Verfügung stehen. Und alles sind Wintertypen. Beim Emmer sind das der schwarze „Ramses“ und der weiße „Heuholzer Kolben“, in Österreich der weiße „Farvento“.


Alle Sorten sind langstrohig und relativ anfällig gegenüber Gelbrost. „Ramses“ ist von der Frosthärte und den Verarbeitungseigenschaften im Vorteil, im Ertrag ist allerdings der „Heuholzer Kolben“ stärker.


Ab Herbst 2016 steht deutschen Landwirten vermutlich eine weitere Emmersorte mit guter Resistenz gegenüber Gelbrost und besserer Standfestigkeit zur Verfügung. Sie wird vermutlich „Späths Albkorn“ heißen. Beim Einkorn gibt es aktuell nur die Sorte „Terzino“ zu kaufen, die sehr lang-strohig, aber gesund ist. Vom Anbau hofeigener Sorten mit unbekannter Herkunft und Qualität ist abzuraten.


Um die Einführung solcher Arten im Markt zu erleichtern, versucht die Pflanzenzüchtung ohne Gentechnik die Standfestigkeit und den Ertrag zu steigern. Und beim Emmer zusäzlich die Resistenzen gegen Pilzerkrankungen.


Ein Ausblick:


Die aktuelle Anbaufläche von Einkorn und Emmer ist noch gering und es liegen keine genauen statistischen Zahlen vor. Grob geschätzt sind es knappe 1000 ha für Einkorn und 1000 ha für Emmer in Deutschland. Der größte Teil davon ist in Kontrakten gebunden, freie Ware ist für einen Müller nur schwierig zu bekommen.


Die Tendenz beim Einkorn ist leicht steigend, der Anbau von Emmer nimmt hingegen deutlich zu. Die traditionellen Dinkelmüller und -händler haben den Emmer für sich entdeckt und versuchen, den Anbau zu fördern. Entscheidend wird bei Einkorn und Emmer sein, stabile Wertschöpfungsketten zu schaffen. Denn Urkorn kann man nicht an Börsen kaufen, sondern nur durch Vertragsanbau erhalten.


Auch Saatgut ist rar, da die Nachfrage bisher verhalten war. Eine stabile Steigerung ist nur zu erreichen, wenn Saatguthändler, Landwirte, Müller und Endprodukthersteller gemeinsam Strategien entwickeln. Erste Erfolg versprechende Modelle sind bereits umgesetzt. Auch das Verbraucherinteresse ist da.


Einkorn und Emmer sind prädestiniert für regionale Produktionsketten, die Verbraucher stärker nachfragen. Zudem bewirkt die Wiedereinführung dieser Arten eine Steigerung der Biodiversität und der Anbau kann extensiver als der Weizenanbau erfolgen. Somit tragen Einkorn und Emmer zum Umweltschutz bei.


Einkorn und Emmer sind prädestiniert für regionale Produktionsketten, die Verbraucher stärker nachfragen. Zudem bewirkt die Wiedereinführung dieser Arten eine Steigerung der Biodiversität und der Anbau kann extensiver als der Weizenanbau erfolgen. Somit tragen Einkorn und Emmer zum Umweltschutz bei.


Wie eine Absatzgemeinschaft erfolgreich Urkorn vermarktet, lesen Sie auf Seite 18.

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