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Fuchsschwanz im Visier

Lesezeit: 10 Minuten

Auf den Marschböden, die Landwirt Jan Schulze-Geißler bewirtschaftet, ist der Druck mit über 1000 Fuchsschwanzähren/m2 extrem hoch. Um das Blatt zu wenden, hat er die gesamte Ackerbaustrategie auf das Ungras Nr.1 ausgerichtet – mit Erfolg!


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Hat sich Ackerfuchsschwanz auf einer Fläche breitgemacht, wird man ihn kaum wieder los. „Weil er enorm viele Samen bildet, kann sich der Pool in der Krume jährlich potenzieren“, erklärt Jan Schulze-Geißler (33), Gutsverwalter auf dem Betrieb Altenwisch in Niedersachsen bei Cuxhaven. Auf schluffigen Tonböden in der Kehdinger Marsch (60 bis 85 BP) baut er Getreide, Raps und Ackerbohnen an.


Um das hartnäckige Ungras in den Griff zu bekommen, hat er gemeinsam mit Beratern und Landwirten eine Strategie entwickelt. Das Ziel: Die Samenmengen im Boden nachhaltig senken, damit der Anbau von Getreide weiterhin möglich bleibt.


Woher kommt die Samenflut?

Dass sich der Druck mit diesem Leitungras so stark entwickeln konnte, hat nach seiner Ansicht mehrere Gründe. „Vor 10 bis 15 Jahren ließen Getreidepreise von unter 10 bis 12 €/dt weder Gestaltungsmöglichkeiten bei der Fruchtfolge noch eine hohe Intensität zu“, erklärt Schulze-Geißler. Die Folgen waren Zugeständnisse bei der Bodenbearbeitung, frühe Saattermine um den 10. September und teils dünne Saatstärken von unter 240 Körnern/m2.


Bei derart früher Aussaat bleibt für eine ordentliche Stoppelbearbeitung gegen auflaufende Ungräser zu wenig Zeit. In den langen Herbsten konnte sich der Fuchsschwanz vor allem auf den gut mit Stickstoff versorgten Hochertragsstandorten zudem optimal entwickeln. Traten Lücken in dünnen Beständen auf, nutzte sie das Ungras gnadenlos aus.


Über die Jahre hat sich so ein hohes Samenpotenzial im Boden aufgebaut. Trotz des starken Besatzes wurden die Aufwandmengen der Herbizide aus wirtschaftlichen Gründen nicht angepasst. „Das befeuerte die Resistenzentwicklung und ist bei uns jetzt ein riesiges Problem“, so der Ackerbauer.


Auf den Marschböden des Gutsbetriebes hat zusätzlich die Historie einen Einfluss auf das heutige extreme Auftreten. Ursprung des Problems ist in den Marschen oft der sogenannte Wiesenfuchsschwanz, der sich vor dem Beackern der Standorte in dem Grünland ausbreitete. Die nassen Wiesen waren ein Eldorado für das Ungras, sodass sich dort viele Fuchsschwanzarten entwickelten.


Die Bohne interessiert:

„Wegen des enormen Drucks war ein Umdenken erforderlich“, erklärt Schulze-Geißler. „Die jährlichen Herbizidkosten einzelner Flächen kletterten auf über 150 €/ha. Die Wirkungsgrade der Mittel erreichten zudem häufig nur maximal 90% – was bei dem gewaltigen Samenpool bei Weitem nicht ausreicht. Weil sich die Resistenzgefahr mit jedem übrig gebliebenen Fuchsschwanz erhöht, fährt sich so ein System zügig von selbst an die Wand.“


Daher hat er seine Ackerbaustrategie umgestellt und zunächst die Fruchtfolge um Ackerbohnen ergänzt. Mit der Sommerung erweitert sich das Zeitfenster für die Bekämpfung des Ungrases im Herbst. Jetzt baut er 30% Raps, 25% Weizen, 25% Wintergerste und 20% Ackerbohnen an. Weil viele Landwirte in seiner Region, die ebenfalls mit Fuchsschwanz zu kämpfen haben, mittlerweile auch auf die Bohne setzen, hat sich der Landhandel auf die Vermarktung eingestellt.


Viel „kaputtackern“:

Folgt Getreide nach Getreide gibt es bei ihm keine Standardstrategie. Er entscheidet flexibel nach Wetterlage. Falls möglich, lockert er direkt nach der Ernte zunächst die Fahrgassen mit einem Untergrundhaken. Dann erfolgt eine flache, rund 5 cm tiefe Stoppelbearbeitung mit dem Grubber „Köckerling Vario“. Nach seinen Beobachtungen verteilt das achtbalkige Gerät mit vielen Zinken und schmalen Scharen das Stroh gleichmäßig. Zusätzlich bleibt der Boden nach der Stroheinarbeitung feinkrümlig. Große Kluten, aus denen später der Fuchsschwanz keimen könnte, sollte es nicht geben.


Lässt es das Wetter zu, erfolgt eine weitere flache Stoppelbearbeitung, um den Auflauf und eventuelle Wirtschaftsdünger einzuarbeiten. Je mehr Samen zu dieser Zeit gekeimt sind, desto besser. Das Samenpotenzial in der Krume soll so immer weiter ausgedünnt werden.


Die Grundbodenbearbeitung führt Schulze-Geißler in der Regel mit dem 3-balkigen Mulchsaatgrubber „Köckerling Trio“ durch. Die bis zu 35 cm tiefe Bearbeitung lockert den Boden, soll aber möglichst wenig mischen und wenden. „Als Baustein in unserer Strategie setzen wir vor Gerste und Bohnen auch schon mal den Pflug gegen den Aufwuchs ein“, erklärt er. „Auch bei der Pflug-arbeit ist uns ein exaktes Umschichten ohne zu mischen wichtig.“


Anders als üblich, bereitet der Landwirt sofort nach der Grundbodenbearbeitung das Saatbett vor und lässt es je nach Witterung mindestens 4 Wochen liegen. Ziel ist es, dass möglichst viele Samen an der Oberfläche keimen. Kurz vor der Getreidesaat bekämpft er das Ungras dann mit Glyphosat. Dieses Verfahren nennt man Scheinbestellung. Bei der Aussaat des Getreides achtet er darauf, den Boden-eingriff so gering wie möglich zu halten. Der Grund: Sobald sich ein Fuchsschwanzsamen bewegt und einen Lichtreiz erhält, keimt er. Bei der Saat sind daher Einscheibenschare von Vorteil.


Folgt Weizen nach Raps, kann man bei feuchten Böden warten, bis der Fuchsschwanz von selbst aufläuft. Ist es eher trocken, bearbeitet Schulze-Geißler die Rapsstoppeln sehr flach (maximal 2 cm) mit dem Köckerling Vario. Sein Ziel ist es auch hier, viel Auflauf zu erzeugen. Je nach Situation beseitigt er diesen mechanisch oder mit Glyphosat. Keinesfalls darf man die Samen vergraben. Liegen sie tief in sauerstoffarmem Boden, fallen sie in die sekundäre Keimruhe und erhöhen den Samenpool im Boden. Auch im Raps ist es ihm wichtig, bei der Saat wenig Boden zu bewegen.


Der Vorteil der Ackerbohnen in seiner Fruchtfolge ist, dass die Sommerung viel Zeit für ein mechanisches Bekämpfen des Ungrases lässt. Mit einer mehrmaligen Stoppelbearbeitung, kombiniert mit einer Winterfurche und einem Glyphosateinsatz vor der Saat, vermindert er den Samenvorrat im Boden. Die Sommerblattfrucht bietet auch den Vorteil, dass im Frühjahr generell nur wenig Fuchsschwanz aufläuft.


Seine Herbizidstrategie:

In Getreide geht Schulze-Geißler wie folgt vor: Die Aussaat erfolgt bei ihm nicht vor dem 1. Oktober. „Das Wetterrisiko nimmt dann zwar zu, dennoch ist ein später Saattermin beim Fuchsschwanzbekämpfen das A und O“, erklärt er. „Die Aussaattechnik sollte dann natürlich möglichst schlagkräftig sein.“ Wie stark sich eine späte Saat auf den Auflaufdruck des Ungrases auswirkt, zeigt die Übersicht.


Bei der Sortenwahl achtet er zudem darauf, dass die Blätter der Sorten nicht so steil gestellt sind. Sie sollten früh die Reihen schließen und auflaufende Ungräser unterdrücken. Im Weizen setzt er z.B. Tobak, Barock, Elixer oder Expert ein. In Gerste sind es Wootan (Hybride), California (zweizeilig) oder SU Ellen. Um den Effekt zu verstärken, wählt Schulze-Geißler hohe Saatstärken von teils mehr als 350 Körner/m2. „Das Risiko von Lücken ist in einer Dünnsaat einfach zu hoch. Ist der Boden nicht bedeckt, entsteht ein Fuchsschwanz-Nest.“


Fest eingeplant sind bei ihm Flufenacet-haltige Bodenherbizide. Um Auflaufschäden zu vermeiden, achtet er bei der Saat penibel darauf, dass alle Körner 2 bis 3 cm mit Erde bedeckt sind. Für die Wirkung dieser Mittel ist die späte Saat günstig, weil die Böden ab Oktober häufig feucht sind.


Der Einsatz erfolgt bei Schulze-Geißler sobald das Getreide spitzt. Volle Aufwandmengen sind für ihn bei Herbiziden selbstverständlich. Aus Resistenzgründen mischt er dem Bodenherbizid im Weizen oft noch den Boxer-Wirkstoff zu. Später zur Vegetationsruhe im November/Dezember folgen bei Bedarf blattaktive Mittel wie Axial 50 in Gerste und Traxos im Weizen (auf Raureif). Beide Herbizide funktionieren aber nur auf Flächen, auf denen die FOPs wie Agil-S oder Targa Super noch wirken.


Im Frühjahr nutzt er im Weizen – falls nötig – Atlantis in voller Menge plus 30 l/ha AHL zur Wirkverstärkung. „Der Einsatz muss möglichst früh ab dem 15.3. erfolgen“, erklärt er. „Leider funktioniert das Mittel bei uns nicht mehr auf allen Flächen zuverlässig.“


Im Raps erzielt Schulze-Geißler mit den Vorauflaufherbiziden keine akzeptable Wirkung mehr. Auch FOPs wie Agil-S wirken allenfalls minimal und dienen bei ihm nur noch zur Bekämpfung von Ausfallgetreide. Abhängig vom Resistenzgrad der Fläche setzt er im 2-Blattstadium des Fuchsschwanzes daher Focus Ultra oder das schärfer formulierte Select 240 EC ein. „Das Problem dabei ist aber, dass das Ungras auch gegen diese DIMs zum Teil bereits Resistenzen gebildet hat“, so der Landwirt.


Neben einer späten Rapssaat (nach dem 20.8.) bleiben ihm aber nur die DIM’s übrig, um die erste Ungraswelle zu kontrollieren. „Der Fuchsschwanz darf keinesfalls zu weit entwickelt in den Winter gehen“, erklärt er. „Andernfalls lässt er sich später mit dem Mittel Kerb Flo nicht sicher in Schach halten.“ Dieses Herbizid setzt der Landwirt in voller Menge im Dezember oder Januar ein. Damit der Wirkstoff Propyzamid voll wirkt und sich nicht so schnell abbaut, sind Bodentemperaturen von unter 8°C erforderlich. Günstig sind zudem feuchte Böden während des Einsatzes. „Weil der Wirkstoff bisher nicht resistenzgefährdet ist, sind 100% Wirkungsgrad im Raps möglich“, so der Landwirt. Voraussetzung dafür ist aber, im Herbst bis zum „Kerb-Termin“ zu kommen.


In Bohnen läuft im Sommer nur wenig Fuchsschwanz auf. Standardmäßig setzt er Kombinationen mit Bandur ein.


Um seine Herbizidstrategie immer weiter zu verbessern, prüft ein Pflanzenschutzunternehmen auf seinen einzelnen Flächen, welchen Resistenzgrad die Fuchsschwanzherkünfte haben. Mithilfe dieser Daten weiß er sicher, welche Produkte auf welchen Flächen noch funktionieren.


Was bringt‘s?

Mit seiner Strategie erreicht Jan Schulze-Geißler beim Weizen sichere Erträge von bis zu 10 t/ha, bei Raps bis 5 t/ha und bei Ackerbohnen durchschnittlich 6 t/ha. „Abgesehen davon, dass wir die alte Fruchtfolge nicht hätten fortführen können, erzielen wir unterm Strich in etwa dieselben Deckungsbeiträge wie früher“, so der Landwirt. Weitere Vorteile: Entzerrung von Arbeitsspitzen, niedrigere Arbeitserledigungskosten, sinkende Kosten für Pflanzenschutz. Einziger Wermutstropfen ist der diesjährige Befall seiner Ackerbohnen mit sogenannten Nano-viren. Das drückte den Ertrag.


Künftig will er sein Vorgehen weiter optimieren. Neben dem Mähdrescher und den Transportfahrzeugen wird er bei einem Flächenwechsel auch die Bodenbearbeitungsgeräte noch konsequenter reinigen, um Sameneinschleppungen auf andere Flächen zu vermeiden.


Wünschenswert, so der Landwirt, wären auch technische Lösungen. In Aus-tralien arbeitet ein Hersteller an einem Gerät (Seed Destructor), das an den Mähdrescher angehängt wird. Es zermahlt die in der Spreu enthaltenen Ungrassamen während der Ernte. Erste Hersteller in Deutschland zeigen offensichtlich verstärktes Interesse.


Ganz oben auf seiner Prioritätenliste steht aber die Erneuerung der Drainagen. „Nasse Stellen, die der Fuchsschwanz liebt, müssen weg.“ In 2017 plant er, einige Flächen komplett neu zu drainieren. Fuchsschwanznester, die den Druck deutlich erhöhen, will er damit weiter eindämmen. Matthias Bröker


Ganz oben auf seiner Prioritätenliste steht aber die Erneuerung der Drainagen. „Nasse Stellen, die der Fuchsschwanz liebt, müssen weg.“ In 2017 plant er, einige Flächen komplett neu zu drainieren. Fuchsschwanznester, die den Druck deutlich erhöhen, will er damit weiter eindämmen. Matthias Bröker


Auch ein englisches Projekt hat dem Fuchsschwanz den Kampf angesagt. Erste Ergebnisse lesen Sie auf der Folgeseite.

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