Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Sonstiges

Stilllegung 2024 Agrardiesel-Debatte Bürokratieabbau

Aus dem Heft

Fuchsschwanz: So schnell „verbrennen“ Herbizide

Lesezeit: 7 Minuten

Ackerfuchsschwanzbekämpfung in einer Winterweizen-Monokultur – wie lange geht das gut? Ergebnisse und Konsequenzen aus einem 10-jährigen Dauerversuch.


Das Wichtigste zum Thema Ackerbau dienstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Die Bekämpfung von Ackerfuchsschwanz ist eine große Herausforderung im heutigen Weizenanbau. Dabei treten Herbizidresistenzen längst nicht mehr nur an den Marschenstandorten der Küste, sondern zunehmend auch im Binnenland auf. Betroffen sind mittlerweile alle im Getreide einsetzbaren Wirkstoffgruppen, die bei sensitiven Biotypen (empfindliche Ungras- und Unkrautpflanzen) eine sichere Bekämpfung erwarten lassen.


Ackerbauliche Maßnahmen spielen bei der Resistenzentwicklung eine große Rolle. Besonders wichtig sind Fruchtfolge, Bodenbearbeitung, Aussaattermin und Herbizidwahl. Wirtschaftliche und anbautechnische Überlegungen stehen dabei meist im Vordergrund und führen häufig zu einseitigem Herbizideinsatz.


Dies trifft auch für die Versuchsfläche in Südniedersachsen bei Northeim zu, auf der seit 20 Jahren Winterweizen in Monokultur pfluglos angebaut wurde. Die Saatzeiten lagen dabei im Zeitraum von der letzten Septemberdekade bis Mitte Oktober.


Herbizide, bis nichts mehr geht:

Die Herbizidwahl auf der Praxisfläche wurde allmählich dem steigenden Ackerfuchsschwanzdruck angepasst. Von 1992 bis 1999 waren IPU-basierte Vorlagen mit einer Nachlage von ACCase-Inhibitoren (zunächst Ralon, später Topik) das Grundgerüst der Herbizidbehandlungen. Nach dem Nachweis einer Resistenz gegenüber Ralon im Jahr 2000, wurden von 2000 bis 2002 ALS-Inhibitoren, und zwar das Sulfonyl Lexus, eingesetzt, teilweise flankiert von geringen Mengen Herold, IPU oder auch mal Glyphosat vor der Saat.


Seit 2002 wird auf der Praxisfläche auf der Basis von Atlantis WG gearbeitet. Die Aufwandmengen wurden beginnend mit 300 g/ha immer weiter gesteigert. Flankierend mussten IPU, Glyphosat, Flufenacet-haltige Präparate und auch noch weitere Sulfonylharnstoffe als Spritzfolge oder in Mischung eingesetzt werden, um den Ackerfuchsschwanz im Zaum zu halten.


Seit dem Jahr 2002 liegt auf der Fläche ein Dauerversuch mit zunächst 8, heute 11 Varianten an den gleichen Positionen. Die Parzellen sind 10 x 10 m groß und weisen keine Wiederholung auf. Der Versuch wird nicht extra beerntet. Der Drusch erfolgt zusammen mit der Praxisfläche mit normaler Großtechnik, so dass ein Verschleppen der Fuchsschwanzsamen durch den Mähdrescher nicht auszuschließen ist. Durch den weitgehenden Ausfall der Samen vor der Ernte liegt jedoch eine gewisse Kontinuität der jeweiligen Populationen der Parzelle vor. Wir werten nur die bonitierte Bekämpfungsleistung der Herbizide auf den Ackerfuchsschwanz aus.


Im Jahr 2006 wurde mit molekularen Nachweismethoden eine ACCase-Target-Site Resistenz beim Ackerfuchsschwanz nachgewiesen. Der Anteil dieser Wirkort-Resistenz in der Population lag mit 32 bis 93 % sehr hoch, was mit dem langjährigen Einsatz der FOP-Produkte Ralon und Topik zu erklären ist.


Die Besonderheit dieser zu diesem Zeitpunkt sehr selten auftretenden Mutation an der Position 2096 (Gly-2096-Ala) liegt darin, dass der Fuchsschwanz mit dieser Mutation durch die DIM-haltigen Produkte (Focus Ultra, Select) in den Resistenztests noch voll erfasst wird. Normalerweise dienen diese Produkte in den Biotests als Indikator für eine ACCase-Target-Site-Resistenz. ALS-Inhibitoren (Sulfonylharnstoffe) waren zu diesem Zeitpunkt noch voll wirksam.


Mit dem Wissen um diese Wirkort-Resistenz ist es nicht verwunderlich, dass die Wirkungsgrade der verschiedenen im Versuch eingesetzten FOPs seit 2002 immer weiter nach unten gingen. Die Bekämpfungserfolge im Zeitverlauf bis 2007 entnehmen Sie der Übersicht 1 auf Seite 94. In der abgestuften Wirkung der Varianten findet sich die unterschiedliche Wirkpotenz gegen Fuchsschwanz bzw. die Abfolge der Einführung der Produkte (Axial) wieder. Wegen der nicht mehr vorhandenen Fuchsschwanz-Wirkung in 2007 haben wir die Behandlungen im Jahr 2008 umgestellt.


Mithilfe von Samenproben wurde in Gewächshaustests erstmals 2007 und 2008 zunehmend eine metabolische Resistenz gegenüber ALS-Inhibitoren festgestellt. Diese beruht auf einer beschleunigten Entgiftung und damit Inaktivierung der Herbizide in den resistenten Biotypen.


Betroffen war erwartungsgemäß zunächst Lexus. Aber auch Atlantis „glänzt“ in den Untersuchungen von 2008 bis 2010 nicht gerade durch extrem hohe Wirkungsgrade. Auch für dieses Präparat kann vor allem bei Betrachtung der aktuellen Bekämpfungswerte zumindest von einer erhöhten metabolischen Resistenz ausgegangen werden. Nachgewiesen wurde diese jedoch bislang nicht.


Alle Wirkstoffe verschlissen:

Wie beim Vorliegen dieser extrem resistenzfördernden Rahmenbedingungen auch die ALS-Inhibitoren (Sulfonylharnstoffe) in der Reihenfolge ihrer Wirkpotenz auf diesem Standort „gegen die Wand gefahren“ wurden, macht Übersicht 2, Seite 94 deutlich. Dies gilt auch für das derzeit und auf absehbare Zeit wirksamste Ackerfuchsschwanz-Herbizid Atlantis. Bis 2010 konnten wir hier nur eine leichte Schwankung in der Wirkungsstärke beobachten. Wie die Daten aus 2010 und 2011 zeigen, war dies der Vorbote des völligen Wirkungsverlustes dieses Mittels.


Des Weiteren wird hier deutlich, dass nach Verschleiß eines Herbizids aus der gleichen Wirkstoffgruppe, in diesem Fall Attribut, die nachfolgende Anwendung mit dem vermeintlich stärkeren Herbizid nur kurzfristig zu mäßigem Erfolg führt.


Den derzeitigen Behandlungsplan mit den aktuellen Bekämpfungsbonituren und der Historie der einzelnen Varianten entnehmen Sie Übersicht 3. Zu der Historie ist zu erwähnen, dass der Versuch in einer Region liegt, in der auch reduzierte Aufwandmengen zur Ungrasbekämpfung in der Vergangenheit eingesetzt wurden. Diese ließen in Fruchtfolgen in der Praxis bei normalen Saatterminen und gelegentlichem Pflugeinsatz auch durchaus ausreichende Wirkungsgrade erwarten.


Reduzierte Aufwandmengen:

Im Versuch sollte mit dem Einsatz reduzierter Aufwandmengen geklärt werden, ob damit die Resistenzselektion schneller geht als mit vollen Aufwandmengen. Diese Frage stellte sich vor allem in Verbindung mit der nachgewiesenen Wirkort-Resistenz. Mit heutigem Wissensstand erscheint diese Vorgehensweise nicht mehr sinnvoll.


Die höchsten Wirkungsgrade – die aber für eine effektive Bekämpfung immer noch völlig unzureichend sind – wurden im Jahr 2012 durch eine zweimalige Anwendung von Sulfonylen im Herbst und Frühjahr erzielt. Der Atlantis-Einsatz im Frühjahr konnte auf dieser Fläche am ehesten durch eine Vorlage mindestens eines weiteren Sulfonylharnstoffes im Herbst unterstützt werden. Dies soll keineswegs eine Empfehlung sein! Es demonstriert lediglich den Endpunkt der Einsatzmöglichkeiten der Herbizide in der gegebenen Anbau-Konstellation der pfluglosen Weizen-Monokultur.


Auf den empfehlenswerten und in der Praxis gängigen Zusatz von AHL zum Atlantis WG wurde in diesem Versuch aus versuchstechnischen Gründen verzichtet.


Auffallend ist an diesem schweren Standort die sehr schlechte Wirkung der Bodenherbizde, die nur zu einem geringen Teil durch die schwierigen, weil trockenen Anwendungsbedingungen des Herbstes 2011 zu erklären ist. In den Gewächshaustests der Fuchsschwanz-Samenproben dieses Standortes mussten auch bei Flufenacet schon Minderwirkungen beobachtet werden.


Wie geht es weiter?

Nachdem auf diesem Standort nun alle Herbizide zur Ungrasbekämpfung verschlissen sind, stellt sich die Frage: Wie weiter? Um es kurz zu machen: Nach einem Bewirtschafterwechsel steht auf der Versuchsfläche nun Raps. Die Wirkungsgrade nach einem Einsatz von Focus Ultra waren zunächst recht ansprechend. Die recht gute Wirkung dieses DIMS ist in Anbetracht der „besonderen“ Wirkort-Resistenz auch nicht verwunderlich. Weiterhin ist auch noch ein Einsatz von Kerb im Dezember geplant.


Nun sollten pflanzenbauliche Ansätze in Kombination mit einem Fruchtfolge-übergreifenden Resistenzmanagement das Problem mildern. Ob sich die Situation auf dieser Fläche wieder deutlich entschärft, bleibt abzuwarten. Die Praxis sollte jedoch größten Wert darauf legen, dass es gar nicht erst so weit kommt. Auch wenn das mittlerweile auf allen Kanälen gesungene Lied des Resistenzmanagements manchmal schon etwas abgedroschen klingt und man es vielleicht schon nicht mehr hören kann oder es ja bisher vielleicht auch noch ohne ging: Diese Fläche des Dauerversuches zeigt sehr anschaulich, wohin ein Nichtbeachten aller Regeln des Integrierten Pflanzenschutzes führen kann.


Mittel- bis langfristig kann eine nachhaltige Pflanzenproduktion nur durch einen ausgewogenen Pflanzenbau und eine integrierte Anwendung von Mischungen und/oder Spritzfolgen unterschiedlicher Herbizide möglichst verschiedener Wirkstoffklassen zum Erfolg führen. Nicht zuletzt auch aus dem Grund: Herbizide Alternativen sind auf absehbare Zeit nicht in Sicht!

Die Redaktion empfiehlt

top + Letzte Chance: Nur noch bis zum 01.04.24

3 Monate top agrar Digital + 2 Wintermützen GRATIS

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.