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Geht’s auch ohne Glyphosat?

Lesezeit: 6 Minuten

Nach derzeitigem Stand läuft die Zulassung für Glyphosat in der EU im Dezember 2022 aus. Setzt die Politik dies durch, ist eine Neuausrichtung der Ackerbausysteme erforderlich. Ob es gelingt, Ausfallraps glyphosatfrei zu beseitigen, zeigen aktuelle Praxisversuche.


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Die Zulassung von Glyphosat wird Ende 2022 voraussichtlich enden. Von Beginn an war dieses Totalherbizid der Eckpfeiler der pfluglosen Bodenbearbeitung. Technische Entwicklungen, Vorteile bei vielen umweltrelevanten Aspekten im Ackerbau und nicht zuletzt geringere Kosten machten in der jüngeren Vergangenheit die konservierende Bodenbearbeitung praxistauglich.


Fällt Glyphosat weg, stehen Mulch- und Direktsaatsysteme auf der Kippe. Denn der Wirkstoff spielt in diesen Verfahren eine tragende Rolle.


Wie breit kommt Glyphosat zum Einsatz?


Weltweit gesehen hat das Totalherbizid beim Anbau gentechnisch veränderter Kulturen eine herausragende Bedeutung. Das macht es allerdings nicht nur zum meist angewandten Herbizid, sondern lenkt auch den Blick der Gentechnikkritiker auf diesen Wirkstoff. In Deutschland ist dieser Anwendungsschwerpunkt verboten.


Vielmehr wird Glyphosat in hiesigen Anbausystemen wie folgt eingesetzt:


  • Zur Bekämpfung von mehrjährigen Unkräutern/Ungräsern,
  • zum Beseitigen resistenter Ungräser vor der Saat,
  • zur Unterbrechung der Grünen Brücke in pfluglosen Anbausystemen,
  • zur Grünlanderneuerung und
  • in geringem Umfang zur Sikkation.


Vor allem bei der Entwicklung umweltgerechter Anbausysteme spielte der Verzicht auf die wendende Bearbeitung mit dem Pflug in den letzten Jahrzehnten eine wichtige Rolle. Weitreichende Vorteile für Agrarökosysteme sind z.B. die verringerte Bodenerosionsgefahr – und somit geringere Einträge von Pflanzenschutzmitteln und Phosphat in Oberflächengewässer – sowie eine geringere Stickstoffmineralisation im Herbst (Grundwasserschutz). Für die landwirtschaftliche Praxis kommen neben diesen Argumenten geringere Kosten zum Tragen – eine klassische Win-win-Situation.


Auch die staatlich gestützte landwirtschaftliche Umweltberatung z.B. in Wasserschutzgebieten befürwortete in der Vergangenheit die pfluglose Wirtschaftsweise. Befragungen des Landesbetriebs Landwirtschaft Hessen unter Landwirten und Auswertungen von Dauerversuchen zur Bodenbearbeitung zeigen für konventionell wirtschaftende Betriebe immer wieder Folgendes: Ressourceneffiziente, umweltverträgliche Wirtschaftsweisen im Ackerbau nutzen Glyphosat als Systembaustein. Ein einfaches Praxisbeispiel ist in der Übersicht auf Seite 72 dargestellt.


Glyphosat – ein Systembaustein


Diese Beispielfruchtfolge zeigt, wie man Problembereichen im Pflanzenbau (Bodenerosion, Biodiversität, zu geringe Nährstoffeffizienz, starker Ungrasdruck, hoher Pflanzenschutzmitteleinsatz), die durch zu enge Fruchtfolgen entstanden sind, durch geänderte Anbausysteme begegnen könnte. Trotz des Glyphosateinsatzes ist der Behandlungsindex geringer als in engen wintergetreidebetonten Fruchtfolgen mit intensiver Bodenbearbeitung. Hier die weiteren Vorteile des dargestellten Ackerbausystems:


  • Aufgelockerte Fruchtfolge mit einem Wechsel von Sommerung und Winterung oder Halmfrucht bzw. Blattfrucht. Die Wechselwirkungen von der Fruchtfolgegestaltung und der pfluglosen Bodenbearbeitung senken die Stückkosten des Weizens.
  • Mittlere Pflanzenschutzintensität mit einem kalkulierten Behandlungsindex von 3,9.
  • Glyphosat ersetzt den Pflug und schafft einen reinen Tisch. Die abwechslungsreiche Fruchtfolge garantiert zusätzlich die Unterbrechung von Infektionszyklen durch Vielfalt. Die Erntereste muss man nicht zwangsläufig einarbeiten.
  • Permanente Bodenbedeckung durch Mulch- und Direktsaat sowie Zwischenfruchtanbau gewährleisten ein hohes Maß an vorsorgenden Bodenschutz.
  • Verbesserte Stickstoffeffizienz des Gesamtsystems durch die Zwischenfrüchte, Blattfrüchte und die Kulturartenvielfalt (kein Stoppelweizen, dafür Sommergerste und Leguminosen).
  • Günstige Klimabilanz durch die pfluglose bzw. konservierende Bodenbearbeitung und den Zwischenfrucht- sowie Leguminosenanbau.
  • Hohe Bodenbiodiversität, zusätzlicher Lebensraum in den Zwischenfrüchten/Stoppeln für Niederwild und Vögel.


Glyphosatverbot – Welche Konsequenzen?


Fällt Glyphosat in Zukunft weg, wird man die in der Übersicht aufgeführten konservierenden Bodenbearbeitungssysteme durch eine intensivere Bearbeitung auch mit dem Pflug ablösen müssen. Nachteilig ist beim Pflugeinsatz obendrein, dass enge Fruchtfolgen dann langfristig machbar bleiben. Somit ist es irreführend, wenn man die Umweltverträglichkeit eines Ackerbausystems ausschließlich auf diesen Wirkstoff fokussiert. Folgendes Beispiel verdeutlicht dies: Weil ein Glyphosatverzicht den Zwischenfruchtanbau und das Anlegen von Stoppelbrachen erschwert, wird die Alternative oft eine Winterfurche sein.


Im Praxisbeispiel wurden bewusst Zwischenfrüchte vor Sommerungen und Leguminosen integriert. Die Förderung der Bodengare dieser tragenden Fruchtfolgebausteine minimiert die Eingriffsintensität, sodass sich die Folgefrüchte pfluglos oder sogar direkt säen lassen. Das fördert wiederum das Bodenleben und somit die Bodenbiodiversität. Dass diese trotz Glyphosat im Vergleich zur intensiven Bearbeitung mit dem Pflug wesentlich höher ist, zeigen auch wissenschaftliche Studien.


Keine praxistauglichen Alternativen in Sicht


Setzt die Politik trotzdem ein Verbot aller glyphosathaltigen Produkte durch, müssen Ackerbausysteme neu ausgerichtet werden. Viel diskutierte Möglichkeiten scheitern aber an einer praktikablen Umsetzung und den Kosten. Auch die Idee, mithilfe konkurrenzstarker Zwischenfrüchte in Kombination mit einer Direktsaat auflaufendes Ausfallgetreide und Unkräuter zu unterdrücken, ist nur ein Ansatz für wenige Standorte und Betriebstypen.


Der breiten Praxis müssen flexible und überschaubare Lösungen zur Verfügung stehen. In vielen Fällen wird das – wie bereits erwähnt – eine Intensivierung der Bodenbearbeitung bedeuten, mit den bekannten Folgen für die Umwelt. Wirtschaftlich betrachtet werden Grenzstandorte des Ackerbaus am stärksten betroffen sein. Denn hier sind die Vorteile der konservierenden Bodenbearbeitung wie Arbeitseffizienz, Dieselverbrauch oder Maschinenkosten am deutlichsten zu spüren. Wer dort weiterhin pfluglos säen will, muss die idealen Bodenbearbeitungstermine punktgenau treffen. Wetterkapriolen oder Arbeitsspitzen machen dies zu einer echten Herausforderung. Lässt sich z.B. ein Ungras wegen des Glyphosat- und Pflugverzichts aufgrund einer falsch terminierten Bearbeitung nicht bekämpfen, werden diese konkurrenzstarken Einzelpflanzen die Resistenzsituation auf dem Schlag zusätzlich anheizen.


Dass auch der Zwischenfruchtanbau problematischer wird, zeigt Folgendes: Ohne Glyphosat sind nicht abgefrorene oder misslungene Zwischenfruchtbestände mit Ungrasdurchwuchs ohne Pflugeinsatz kaum händelbar. Ein sauberes Saatbett für die Folgekultur ist dann nur mit mehreren Bearbeitungsgängen herzustellen. Durch die intensive Bearbeitung im Frühjahr leidet aber der Garezustand des Bodens. Letztlich lassen sich Zwischenfrüchte in Mulchsaatverfahren dann nur noch nach frühräumenden Kulturen wie Wintergerste anbauen, um vor der Saat genug Zeit für die Bodenbearbeitung sicherzustellen.


Die trockenschüttende Sommerfurche vor Zwischenfrüchten könnte daher eine Renaissance erleben. Nachteilig ist jedoch auch hierbei, dass der Pflug zwar einen sauberen Tisch für eine Mulchsaat schafft, durch den Einsatz aber die Kosten steigen.


Im Endeffekt wird auch der Anreiz für den Anbau erlösschwacher Sommerungen wie Leguminosen oder Sommergetreide ohne Glyphosat schwinden. Grund dafür ist wiederum die teure Grundbodenbearbeitung. Sommerungen wären dann nur noch z.B. bei Ungrasproblemen eine Option.


matthias.broeker@topagrar.com

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