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Gewässer: Bleiben Sie auf Abstand!

Lesezeit: 10 Minuten

Pflanzenschutz heißt auch Gewässerschutz. Wer den richtigen Abstand zum Graben nicht beachtet, riskiert Wirkstoffeinträge und Bußgelder. Wie Sie die vielen Vorgaben sicher erfüllen, verrät Dr. Stefan Lamprecht, LWK Niedersachsen.


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Manchmal möchte man schier ver­zweifeln. Landwirte, die aktuell Pflanzenschutzmittel anwenden, müssen eine Vielzahl von gesetzlichen Regelungen und Verordnungen kennen und einhalten. Sie tragen eine große Verantwortung vor allem, wenn es um den Umgang mit Herbiziden, Fungiziden und Insektiziden entlang von Gewässern geht.


In vielen Gebieten Deutschlands gewinnt man Trinkwasser fast nur aus Oberflächenwasser. Umso wichtiger ist beim Pflanzenschutz ein geeigneter Abstand dazu, damit weder das Mittel noch seine Abbauprodukte (Metabolite) in unser wichtigstes Grundnahrungsmittel gelangen. Trotzdem lassen sich in Grund- und Oberflächenwasser immer wieder Wirkstoffreste nachweisen – ein Problem für die Wasserversorger.


Sauberes Wasser:

Um die Gewässer zu schützen, kommt den Anwendungsbestimmungen und Auflagen, die man bei der Produktzulassung festsetzt, eine große Bedeutung zu. Dabei sollte jedem klar sein: Verstöße ziehen hohe Bußgelder und Kürzungen von EU-Zahlungen im Rahmen von Cross Compliance nach sich. Unabhängig davon ist der direkte Wirkstoffeintrag in Gewässer nach Wasserrecht eine Straftat.


Der gerätetechnische Fortschritt beeinflusst heute mehr denn je die Abstandsauflagen zu Oberflächengewässern. Durch den verstärkten Einsatz verlustmindernder Technik reduziert sich vor allem die Gefahr von Abdrift an schützenswerten Bereichen. Die Gerätetechnik und die verschiedenen Bestimmungen korrekt umzusetzen, liegt aber weiterhin bei den Anwendern. Damit Gewässerschutz gelingt und Sie unnötige Fehler vermeiden, müssen Sie daher einiges beachten.


Grundsätzlich darf man Pflanzenschutzmittel nicht in oder unmittelbar an oberirdischen Gewässern anwenden (§ 12 Pflanzenschutzgesetz). Der Gewässerrandstreifen gilt als besonders sensibler Bereich. Um dort den Eintrag von Wirkstoffen zu vermeiden, gelten in vielen Bundesländern länderspezifische Mindestabstände. Die so geschaffene Schutzzone entlang des Gewässers muss immer unbehandelt bleiben. Das gilt unabhängig davon, ob das Gewässer zum Behandlungstermin Wasser führt oder nicht. In Niedersachsen ist z. B. ein Mindestabstand von 1 m – gemes-sen von der Böschungsoberkante zum Schlag hin – einzuhalten. Abhängig von Düsen und Druck, den Windverhältnissen, der Hangneigung oder Randvegetation ist gegebenenfalls sogar ein grö­ßerer Abstand nötig. Die länderspezi­fischen Mindestabstände gelten für folgende drei Grabentypen:


  • permanent wasserführend,
  • periodisch wasserführend (fällt meist von Juni bis Ende September trocken, Pflanzenbewuchs lässt sich nicht zur Unterscheidung heranziehen) und
  • gelegentlich wasserführend (führt nur nach starken Regenfällen und weniger als drei Monate/Jahr Wasser, vorwiegend Landpflanzen.)


Abdrift vermeiden!

Die von der Zulassungsbehörde festgesetzten Mindest­abstände sollen vor allem den Eintrag von Pflanzenschutzmitteln durch Ab­drift verhindern. Ist der Abstand zu gering, gelangen mit dem Wind kleinere Spritztröpfchen auf sogenannte Nichtzielflächen. Das sind neben Grabenrändern auch der Randbereich zu Nachbarkulturen, Feldrainen und die Nähe zu Gärten oder Wohngebieten.


Um einen unbehandelten Schutzstreifen sicherzustellen, können Sie verschiedene Maßnahmen umsetzen (siehe Checkliste). Auch den direkten Mitteleinsatz sollten Sie genau planen:


  • Behandeln Sie möglichst bei wenig Wind. Böen sind zu vermeiden. Bei Geschwindigkeiten von über 3 m/s in die Richtung des Gewässers ist die Anwendung kritisch, bei über 5 m/s sollte man diese unbedingt verschieben. Zudem ist die Windrichtung entscheidend. Die genauen Wetter­bedingungen bei Ihnen vor Ort finden Sie im Internet z. B. unter www.topagrar.com/acker-wetter
  • Vermeiden Sie beim Einsatz hohe Temperaturen und eine geringe Luftfeuchtigkeit. Diese fördern die Verdunst-ung des Wassers im Spritztropfen und verkleinern diesen. Dadurch erhöht sich das Abdriftrisiko. Führen Sie daher eine Maßnahme am Gewässerrandbereich möglichst bei Temperaturen unter 25 °C und bei über 30 % Luftfeuchte durch.
  • Sorgen Sie für den richtigen Abstand des Spritzgestänges zur Zielfläche. Bei einem Abstand von z. B. 70 cm wird ca. 50 % mehr Abdrift erzeugt, als bei 50 cm. Doch Vorsicht: Stellen Sie den Abstand immer entsprechend der Verwendungsbestimmungen ein. Bei Produkten ohne NW-Auflage ist es ratsam, dass Gestänge um weitere 10 cm unmittelbar am Gewässer abzusenken.


Angrenzende Grasstreifen, Büsche oder Feldgehölze wirken abschirmend und vermindern ­unerwünschten Mitteleintrag. Windhecken sind hierfür sehr geeignet. Eine weitere Möglichkeit, um das Risiko am Gewässer zu verringern, ist den 1-Meter-­Bereich (Niedersachsen) nicht zu bewirtschaften und diesen zu begrünen. Dazu legt man bei der Saat die Fahrgasse entsprechend an.


Wachsen die Kulturen bis zur Böschungsoberkante, müssen Sie mindestens die äußeren zwei Düsen bei einer Behandlung abschalten. Trotzdem gelangen beim Einsatz von 110/120°-Flachstrahldüsen bei einer Standardspritzhöhe von 50 cm immer noch ca. 20 % des Ausstoßes der dritten Düse in die Hälfte des 1-Meter-Bereiches. Werden Boden- oder Pflanzenproben im Rahmen der routinemäßigen Kontrollen dort gezogen, können die ermittelten Wirkstoffkonzentrationen in der Probe zu ernsthaften Problemen führen. Wer dieses Risiko nicht eingehen will, vermindert den Ausstoß in den Gewässerrandbereich deutlich, indem er den Druck reduziert, das Gestänge um ca. 10 cm absenkt und langsamer fährt (stabilisiert die Gestänge­bewegungen).


Noch mehr Sicherheit bei der Ab­driftreduktion bieten asymmetrisch spritzende Randdüsen, wie z. B. die Injektordüsen IS (Lechler), AI-UB (Teejet), TD-OC (Agrotop). Ihre Ausstoßmenge ist identisch mit der herkömmlicher Düsen gleicher Größe. Wegen ihres Spritzwinkels von nur 80° ist die behandelte Fläche kleiner als bei einer 120°-Flachstrahldüse. Schalten Sie nun bei einer Pflanzenschutzmaßnahme die äußeren zwei Düsen ab und ersetzen die dritte durch eine Randdüse, können Sie bis an den 1-Meter-Bereich randscharf behandeln. Die Gefahr, den Schutzstreifen zu benetzen, ist dann fast ausgeschlossen. Um die einzelnen Düsen oder Teilbreiten bei Randbehandlungen auch vom Fahrersitz aus pneumatisch oder hydraulisch schalten zu können, bieten verschiedene Hersteller preisgünstige Nachrüstsätze an.


Kniffelige NW-Auflagen:

Zum Schutz von Wasserorganismen in Oberflächengewässern erhalten Produkte mit gewässerschädigenden Eigenschaften zudem NW-Abstandsauflagen (NW: Naturhaushalt Wasserorganismen). Mittlerweile gibt es allein im Ackerbau mehr als 1 200 dieser Auflagen. Von den hierfür zugelassenen rund 900 Mitteln haben immerhin 80 % eine NW-Auflage. Die Abstände reichen von 5 bis 50 m. Es kommt dabei sogar vor, dass es für ein Produkt unterschiedliche Abstandsregelungen je nach Kultur oder zeitlicher Zulassung gibt. Diese Abstandsauflagen einzuhalten, erfordert vom Landwirt große Anstrengungen.


Welche Vorgaben die NW-Anwendungsbestimmungen im Detail beinhalten, zeigen beispielhaft diese üblichen Auflagen: Die NW 605 bzw. NW 607 schreiben den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln mit verlustmindernder Technik vor. Je nach Abdriftminderungsklasse der Düsen lässt sich der Regelabstand nach den Vorgaben des Mittels mehr oder weniger verkürzen. Den länderspezifischen Mindestabstand zu Oberflächengewässern darf man jedoch keinesfalls unterschreiten.


Die beiden Auflagen gelten nicht, wie alle anderen auch, für Oberflächengewässer mit gelegentlicher Wasserführung. Der Grund: Wasserorganismen finden dort oft keine Lebensmöglichkeiten. Setzen Sie keine verlustmindernde Technik (NW 606 und NW 608) ein, ist ein Abstand nach Gebrauchsanleitung des Mittels einzuplanen.


Unterschiedliche Streifenbreite:

Die NW 605­-Auflage gibt die Abstände zur Böschungsoberkante des Gewässers bei unterschiedlichen Abdriftminderungsklassen der Düsen vor. Je nach Mittel unterscheiden sich diese. Ein Beispiel dazu finden Sie in der Übersicht: Bei einer Abdriftminderung von mindestens 50 oder 75 % muss ein 5 m breiter Streifen am Gewässer unbehandelt bleiben. Daran schließt sich ein 20 m-­Streifen an, auf dem man mit mindestens 50 oder 75 %iger Drift-Minderung behandeln muss. Ab 25 m Abstand von der Böschungsoberkante müssen Sie die vorgeschriebene Ab­drift­minderung auf die-ser Restfläche nicht mehr beachten. Ein Tipp: Bei Düsen mit 90 % Abdriftminderung gilt in diesem Beispiel statt der 5 m der länderspezifische Mindestabstand (in Niedersachsen: 1 m).


Optimale Düsenwahl:

Der Einsatz moderner Düsen und die richtigen Geräteeinstellungen sind die Voraussetzung für einen gewässer- und umweltschonenden Pflanzenschutz. Dadurch lassen sich die Abstände, abhängig von der verwendeten Abdriftminderungsklasse, reduzieren. Jeder Anwender ist gut beraten, beim Neukauf mindestens einen Düsensatz mit einer Abdriftminderungsklasse von mindestens 50 % zu wählen. In Gebieten mit vielen Gräben oder Saumbiotopen ist sogar eine Düse mit 75 oder 90 % unumgänglich.


Die Injektordüsen unterscheiden sich in „lange“ (ca. 42 mm) und „kurze“ (ca. 21 mm). Bei Maßnahmen, z. B. in Getreide, Raps, Kartoffeln und beim Herbizideinsatz in Rüben, sollte man die „langen“ Injektordüsen, wie z. B. TD – TD-XL (Agrotop), Injet (Hardi), ID (Lechler), AI (TeeJet), mit einem Wasser­aufwand von nicht unter 200 l je ha und einem Druck von 4 bis 5 bar (max. 6) einsetzen. Für die „kurzen“ Injektordüsen, wie z. B. Airmix (Agrotop), MD (Hardi), IDK (Lechler) oder AIXR (TeeJet), ist 3,0 bar Betriebsdruck die obere Grenze, um Abdrift zu vermeiden.


Vorteile bieten einige neu entwickelte Injektordüsen, wie z. B. die IDN oder ID 120-025/120-03 (Lechler) und TTI 025/03/04/05 (TeeJet). Mit diesen lassen sich – abhängig von der Obergrenze des Betriebsdruckes – alle drei Abdriftminderungsklassen mit einem Wasseraufwand von ca. 200 bis 400 l/ha realisieren. So müssen Sie bei einem „Klassenwechsel“ die Düsen nicht austauschen und die Wasseraufwandmenge (l/ha) nicht anpassen. Auch die Konzentration der Restflüssigkeit im Behälter verändert sich nicht. Ein randscharfes Behandeln am Gewässerrand ist dann mithilfe von Randdüsen möglich.


Gerät richtig eingestellt?

Auch die Verwendungsbestimmungen sind sehr wichtig. Dies sind für jede Düse festgesetzte Geräteeinstellungen, wie z. B. Spritzdruck oder Gestängehöhe, mit denen sich die jeweils vor­geschriebene Abdriftminderungsklasse (50, 75 oder 90 %) überhaupt erst erreichen lässt. Diese sind strikt zu beachten.


Die Kontrollen der letzten Jahre haben jedoch gezeigt, dass einige Anwender diese Bestimmungen gar nicht kannten oder mit deren Umsetzung überfordert waren. Laut einer Befragung kauften sie sich guten Gewissens einen Satz verlustmindernder Düsen, machten sich aber keine Gedanken über die dazu nötigen Geräteeinstellungen. Anderen reichte der Vermerk „90 % Abdriftminderung“ auf dem Kontrollbericht der letzten Gebrauchtgeräteprüfung. Die Folge: Bei Kontrollen ließen sich erhöhte Wirkstoffkonzentra­tionen auf der Böschungsoberkante finden. Den Verursacher kostete dies meist ein hohes Bußgeld und die Analysekosten des beauftragten Labors mit ca. 1 000 €. Zusätzlich wird in der Regel die EU-Prämie um 3 % gekürzt.


Wichtige Hilfe:

Damit Ihnen das nicht passiert, informieren Sie sich genau über die gerätetechnischen Einstellungen für die verschiedenen Düsen. Das Julius Kühn-Institut (JKI) bietet Ihnen dafür als Entscheidungshilfe Folgendes:


  • drei Universaltabellen für verlustmindernde Flachstrahldüsen – Feldspritzgeräte (Düsengrößen 02-035, Düsengrößen 04-08 und Düsen mit 90 % Verlustminderung) und
  • das Verzeichnis „Verlustmindernde Geräte – Verwendungsbestimmungen“.


Aus den Universaltabellen lässt sich für jede verlustmindernde Düse der Druckbereich für die gewünschte Ab­driftminderungsklasse ablesen. Ein Beispiel: Die Düse IDK 120-04 C erreicht bei einem Spritzdruck von 1,5 bar 90 % Abdriftminderung, bei 1,7 bis 2,0 bar 75 % und bei 2,1 bis 3,0 bar 50 %. Ab 3,2 bar hat diese keine verlustmindernde Wirkung mehr.


Im Verzeichnis lassen sich aus der Eintragung der Düse die jeweiligen Verwendungsbestimmungen einfach ablesen. Die Düse IDK 120-04 C ist z. B. mit der Eintragungsnummer 231-01 für die Abdriftminderungsklasse 90 % eingetragen. In einem 20 m breiten Randbereich ist mit einem Druck von 1,5 bar und einem Zielflächenabstand von 50 cm zu spritzen, um diese Abdriftminderung zu erreichen.

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