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Gewässerschutz leicht gemacht

Lesezeit: 8 Minuten

Vor allem bei Herbizideinsätzen im Herbst besteht auf hängigen Flächen die Gefahr von Wirkstoffverlusten. Was Retentionsteiche leisten können, zeigt ein Projekt in Schleswig-Holstein.


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Noch fließen die Drainagen nicht, und die Teiche sind leer – auch in Schleswig-Holstein fehlt Regen. Sorgen macht sich Landwirt Frank Schumacher vom Hof Radlandsichten bei Bad Malente darüber jedoch nicht. Bislang kam der Regen inmitten der 5-Seen-Landschaft immer noch rechtzeitig. „Oft kann es dann auch heftig regnen“, sagt Schumacher, „wodurch die Gefahr steigt, dass sich Wirkstoffe der Herbstmaßnahmen verlagern.“


Diese Gefahr besteht insbesondere auf den hängigen Flächen seines Betriebes. Schumacher wirtschaftet in einer wassergeprägten Endmoränen-Landschaft mit Bodenarten von Moorlinsen bis Lehm (18 bis 60 BP). Auf 300 ha bewirtschaftet er Grünland und baut Weizen, Raps, Gerste, Zwischenfrüchte, etwas Mais und Ackerbohnen an.


Das Ziel des 54-jährigen Ackerbauers ist dabei: Die Pflanzenschutzmittel sollen dort ihre Arbeit machen, wo sie ausgebracht werden. Ins Grundwasser sollen möglichst keine Wirkstoffe bzw. deren Abbauprodukte gelangen. „Am liebsten ist mir natürlich, dass alles vorher abgebaut wird“, sagt der dreifache Familienvater. Denn nach 60 km entwässern die Drainagen seiner Flächen über Flüsse und Seen direkt in die Ostsee. Doch vorher durchquert das Wasser noch betriebseigene Teiche – können diese bei der Retention helfen?


Herbizidfrachten als Projekt


Um zu prüfen, wie viel Wirkstoff tatsächlich über das Drainagewasser verlagert wird, und wie viel davon in den Teichen verbleibt (Retention), hat Schumacher sich an einem Projekt mit der Abteilung Hydrologie und Wasserwirtschaft des Instituts für Natur- und Ressourcenschutz an der Universität Kiel und dem Pflanzenschutzunternehmen BASF beteiligt: Von September 2016 bis Januar 2019 untersuchten Mitarbeiter des Instituts aus dem 35 km entfernten Kiel die Wirkstoffgehalte im Drainagewasser von Schumachers Flächen (top agrar berichtete im Spezial „Nachhaltigkeit“, 2017).


Die Ausgangsbedingungen für das Projekt waren ideal: In Hofnähe sammelt ein Drainagesystem das Wasser aus einem Einzugsgebiet von insgesamt 75 ha, mit 60 ha Ackerland – Schumachers Fläche. Vom Sammler fließt das Wasser in einen Bach und dann in mehrere Teiche; durchschnittlich sind es 677 m³ pro Tag, mit den üblichen saisonalen Schwankungen.


„Es ist selten“, sagt dazu Sandra Willkommen von der Uni Kiel, „dass wir in einem so abgegrenzten hydrologischen Gebiet arbeiten können. Ein echter Glücksfall.“ Die Hydrologin hat maßgeblich an dem Projekt mitgearbeitet und verfasst gerade ihre Doktorarbeit dazu. An den Messpunkten am Bach (siehe Übersicht 1) sowie am Zu- und Ablauf des zweiten Teiches erfolgte eine automatische Probenahme täglich von September bis Februar (je nach Witterung) in den Jahren 2016 bis 2019. Nur aus dem Jahr 2018 gibt es aufgrund der Trockenheit keine Daten. Monatlich beprobten Willkommen und Kollegen auch das Grundwasser in 3 m Tiefe. „Wir haben uns dabei auf die Herbizidfrachten aus den Herbstmaßnahmen in Raps und Weizen konzentriert“, sagt Willkommen. Untersucht wurden diese fünf herbiziden Wirkstoffe:


  • Metazachlor (z.B. in Butisan),
  • Flufenacet (z.B. in Cadou oder Herold SC),
  • Prosulfocarb (enthalten in Boxer),
  • Pendimethalin (in Malibu, Stomp, Trinity usw.) und
  • Diflufenican (u.a. in Carmina 640, Pelican, Lored).


Von Metazachlor und Flufenacet erfassten die Wissenschaftler auch die jeweiligen Zerfallsprodukte Sulfonsäure (ESA) und Oxalsäure (OA). Diese sind im Oberflächengewässer (nach der Oberflächengewässerverordnung aus dem Jahr 2016) zwar nicht relevant, lassen sich aber nachweisen.


Für das Projekt hat Landwirt Schumacher in seiner täglichen Arbeit nichts geändert. Er fuhr seine betriebsübliche Herbizidstrategie und applizierte, wie es das Wetter zuließ. Die Herbizide wählte er nach Rücksprache mit einem Berater aus. „Ab und zu habe ich die gesammelten Proben entnommen und die Probensammler neu befüllt“, beschreibt Schumacher den aus seiner Sicht kleinen Aufwand. Auch das hat der Zusammenarbeit zwischen Landwirt und Wissenschaftlern gut getan. „Es ist großartig, dass wir auch mit dem Landwirt zusammenarbeiten können“, bestärkt Sandra Willkommen.


Die wichtigsten Ergebnisse


Die letzten Messdaten verrechnet die Wissenschaftlerin gerade noch, die Ergebnisse sind ganz frisch. „Was sich deutlich zeigt, sind die verschiedenen Eigenschaften der Stoffe“, erklärt sie. Denn diese sind unterschiedlich mobil: Metazachlor ist der mobilste aller untersuchten Stoffe. Auch Flufenacet verlagert schnell, zerfällt aber auch schnell. Die Zersetzungsprodukte beider Wirkstoffe sind noch schneller im Wasser unterwegs. Diflufenican ist schon etwas bindungsfreudiger und Pendimethalin sehr bindungsfreudig (sorptiv).


Die Ergebnisse zeigen, dass die Witterung die Herbizidausträge im Einzugsgebiet enorm beeinflusst. Unter feuchten Bedingungen ließen sich am Drainageauslass (M1, siehe Übersicht 2) bis zu 10-fach erhöhte Austräge messen. Kamen im Monat Dezember 2016 kumuliert rund 1500 mg Flufenacet an, waren es zur gleichen Zeit im nassen Jahr 2017 kumuliert 14000 mg.


Hier die weiteren Ergebnisse:


  • In allen Proben ließen sich die Zersetzungsprodukte Metazachlor-OA und -ESA nachweisen, unabhängig von Applikationszeitpunkt und Witterung.
  • Frisch applizierte Stoffe ließen sich verstärkt unter feuchten Bedingungen messen. Dabei ließen sich mobile Stoffe wie z.B. Flufenacet stärker feststellen als sorptive.
  • Unter feuchten Bedingungen kommen die Stoffe innerhalb eines Tages an den Teichen an, Muttersubstanzen zuerst.
  • Unter trockenen Bedingungen erreichen die Stoffe die Teiche, sobald Wasser fließt – dann jedoch eher die Zersetzungsprodukte. Besonders mobile Stoffe kommen jedoch schon bei geringsten Niederschlägen (3 bis 6 mm) nach Trockenheit an einzelnen Feld-Drainageauslässen an.
  • Sorptive Stoffe wie Pendimethalin und Diflufenican kommen in den Teichen vor allem in den Wintermonaten durch stärkere Drainageabflüsse in höheren Konzentrationen vor.
  • Im oberflächennahen Grundwasser finden sich vor allem die Zersetzungsprodukte von Flufenacet und Metazachlor als Hintergrundkonzentration. Es ließen sich durchschnittlich 0,83 Mikrogramm je Liter (μg/l) Metazachlor-ESA nachweisen (maximal 2,16 μg/l). Metazachlor-OA ließ sich im Durchschnitt mit 0,33 μg/l ermitteln (maximal 2,56 μg/l). Vereinzelt ließen sich nach großer Trockenheit im Jahr 2019 auch geringe Mengen an Flufenacet im Grundwasser finden.


„Ich bin beeindruckt, wie genau die Messmethoden heute sind – auf ein Hunderttausendstel, das sind 0,01‰“, kommentiert Schumacher die Ergebnisse.


Hat ein kleiner Umbau Erfolg?


Zusätzlich zu den Messungen führten Willkommen und Kollegen im ersten Teich einen Markierversuch durch, in Kooperation mit der Professur für Hydrologie der Universität Freiburg. Sie gaben dafür die chemischen Substanzen Bromid, Uranin und Sulforhodamin-B in den Bach und prüften an vier Schöpfstellen, wo sich die Substanzen nachweisen ließen (Übersicht 2). „Wir waren von dem Ergebnis sehr überrascht“, sagt Willkommen. „Mithilfe des Versuchs konnten wir sehen, dass der Hauptanteil der Stoffe nur etwa 3 Stunden im ersten Teich verweilte. Vom Zulauf floß es quasi direkt zum Ablauf.“ Es zeigte sich, dass der Teich durch das enge Zusammenliegen von Zu- und Abfluss nur zu 17% durchströmt wurde.


Zudem ließ sich beobachten, dass das Wasser vom Bach teilweise den ersten Teich umging: Es floß zum einen oberflächlich direkt in den zweiten Teich und nutzte zum anderen eine alte Drainage. Damit sich Wirkstoff jedoch ausreichend anlagern und zum Teil durch Licht abgebaut werden können, müssen sie länger im ersten Teich verweilen.


In Absprache mit den Forschern traf Schumacher zur Herbstsaison 2018 folgende Maßnahmen: Zunächst schüttete er einen Damm auf. Dieser verhindert nun, dass Wasser oberflächlich davonfließt und Teich 1 umgeht. Zusätzlich verlegte er den Abfluss aus Teich 1 zu Teich 2 (Übersicht 2).


Dadurch wird das Fließverhalten besser gelenkt und die Fließstrecke von 20 m auf jetzt 70 m verlängert. Durch den Dammbau muss obendrein das gesamte Wasser durch beide Teiche fließen. „Wir haben erreicht, dass sich die Stoffe vollständig verteilen“, sagt Willkommen. Von den Maßnahmen erhofft sie sich, die Retention in den Frühjahrs- und Sommermonaten zu steigern. Die Anpassung des Teiches erbrachte Schumacher in Eigenleistung. Den Materialaufwand von rund 2000 € übernahmen die Projektteilnehmer. „Ich finde es toll, mit so einer kleinen Maßnahme eine so große Wirkung erzielen zu können“, meint der Landwirt.


Der Erfolg zeigte sich nach einem erneuten Markierversuch: Das Wasser aus dem Drainagezufluss passiert den ersten Teich nun in 15 Stunden, statt wie vorher in drei Stunden. So verbleiben mehr der eingegeben Stoffe im Teich. Zudem hat sich die Verweilzeit im gesamten Teichsystem verlängert: Statt drei Tage verweilt das Drainagewasser jetzt zehn Tage in den Teichen. In dieser längeren Verweilzeit können sich die Stoffe verstärkt an Sedimente und Pflanzen binden, um dann u.a. durch Licht abgebaut zu werden. Die Messungen ergaben, dass die Retentionsleistung unter geringen und moderaten (<1000 m³/Tag) Abflüssen um 75% gestiegen ist. Zwar variiert die Retention saisonal, die Wirkstoffe konnten jedoch in den Herbst- und Wintermonaten bis zu 36% im Teich zurückgehalten werden (ø 16%), wie Übersicht 3 verdeutlicht. Den negativen Rückhalt von Diflufenican und Flufenacet-ESA führt Willkommen auf eine Rücklösung zurück.


Es bleibt immer etwas zu tun


Für Frank Schumacher steht als nächstes an, dem zweiten Teich einen neuen Untergrund zu verpassen. Denn während der erste Teich während der Eiszeit entstanden ist, wurde der zweite in den 1980er-Jahren als Fischteich angelegt. Der Teichgrund besteht aus einer sandigen Schicht. Sandra Willkommen hat herausgefunden, dass sich das Wasser dort mit dem Grundwasser austauscht. „So könnten auch Abbauprodukte ins Grundwasser gelangen“, gibt Willkommen zu bedenken. Das will Frank Schumacher sobald wie möglich verhindern. Eignen würde sich dazu lehmiges Material oder eine Teichfolie.


Künftig wünscht sich der Landwirt, dass solche Drainage- bzw. Retentionsteiche gefördert werden. Sollten die Feldmaßnahmen zum Gewässerschutz, wie z.B. einen weniger mobilen Wirkstoff zu nutzen, mal nicht ausreichen, können Teiche die Gewässer zusätzlich schützen. Die Wirkung hat das Projekt bewiesen.


friederike.mund@topagar.com

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