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Hilfsmittel – wem helfen sie wirklich?

Lesezeit: 10 Minuten

Für die einen sind Bodenhilfsstoffe oder Stärkungsmittel nichts als Hokuspokus, andere schwören darauf. top agrar hat die Wirkung bei Landwirten und Beratern hinterfragt.


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Mindestens 30% mehr Feinwurzeln, Mehrerträge ohne zusätzlichen N-Aufwand, weniger Fusariumbefall bei Mais – mit diesen Versprechungen warb ein Anbieter eines Bodenhilfsstoffs kürzlich auf den DLG-Feldtagen. Viel traut sich auch der Hersteller eines anderen Produktes zu: „Sie können 50 bis 60% des handels-üblichen N-Aufwandes bei Einsatz unseres Mittels einsparen.“


Das klingt verlockend, vor allem wegen der anstehenden Novelle der Dünge-Verordnung. So hoffen einige konventionell wirtschaftende Landwirte, mithilfe dieser Präparate ihre Nährstoffbilanz zu entlasten ohne dabei Ertrag aufs Spiel zu setzen. Ganz andere Probleme wollen Ökolandwirte damit lösen. Bei ihnen reicht die N-Versorgung der Kulturen ohne Mineraldüngung oft nicht aus. Sie erhoffen sich z.B. vom Einsatz N-bindender Mikroorganismen höhere Erträge und bessere Qualitäten. Beide haben eins gemeinsam: Sie erwarten eine gute Wirkung der oft teuren „Hilfsmittel“.


Keine gesetzliche Prüfung:

Genau das ist der Knackpunkt. Denn bei diesen Präparaten ist ein Wirksamkeitsnachweis per Gesetz nicht vorgeschrieben. Die Boden- und Pflanzenhilfsmittel fallen rechtlich unter die Düngemittel-Verordnung (DüMV). Es sind Stoffe ohne wesentlichen Nährstoffgehalt. Das heißt, sie enthalten weniger als 1,5% N, 0,5% P2O5, 0,75% K2O, 0,3% S, 0,7% Cu und 0,5% Zn. Bei höheren Nährstoffgehalten wären sie als Düngemittel einzustufen. Die offizielle Definition nach Verordnung lautet:


  • Bodenhilfsstoffe sind Stoffe, die den Zustand des Bodens verbessern oder die Wirkung von Düngemitteln erhöhen sollen. Bei gewerbsmäßiger Abgabe ist eine Kennzeichnung gemäß DüMV nötig.
  • Pflanzenhilfsmittel sind Produkte, die direkt auf Pflanzen einwirken.


Zusätzlich gibt es die Pflanzenstärkungsmittel, die unter das Pflanzenschutzrecht fallen. Infos dazu entnehmen Sie dem Kasten auf Seite 52.


Der einzige Weg, um die Wirkung der Präparate statistisch absicherbar beurteilen zu können, sind unabhängige Versuche. Problematisch ist aber die Vielzahl an Produkten. So gibt es derzeit schätzungsweise 700 verschiedene Pflanzen- bzw. Bodenhilfsmittel. Dazu kommen 500 Pflanzenstärkungsmittel.


Nachfolgend stellen wir Ihnen einige Versuchsergebnisse von Mitteln vor, die am Markt relevant sind und erklären ihre Wirkweise.


Düngen mit CO2?

Bereits seit einigen Jahren ist das Produkt Agrosol auf dem Markt, seit 2014 auch Agrosol liquid. Laut Hersteller sollen die Produkte die CO2-Effizienz von Pflanzen erhöhen und sie dadurch ertragreicher machen.


Agrosol enthält vermahlene Mineralien, die mit einem Sprühnebel auf die Blattoberfläche aufgebracht werden. In der Liquid-Version sind zusätzlich Pflanzenhormone wie Cytokinine und Auxine enthalten. Über die Spaltöffnungen gelangt ein kleiner Anteil der Stoffe in die Pflanze und soll dort die CO2-Aufnahme fördern.


Vierjährige Versuche zur Wirkung von Agrosol hat die Landwirtschaftskammer in Oberösterreich durchgeführt. „Wir legten Versuche in Wintergerste und -weizen in vierfach wiederholten Parzellen an und brachten das Produkt mit der Feldspritze aus“, so Franz Kastenhuber von der Landwirtschaftskammer. Das Ergebnis: In Wintergerste brachte das Mittel einen leichten Mehr-ertrag von 2,88 dt/ha, in Weizen von knapp 2,0 dt/ha. Nach Abzug der Kosten von ca. 50 €/ha ließen sich keine Mehrerlöse erzielen.


Untersuchungen des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) im schweizerischen Frick brachten ähnliche Ergebnisse. In einem Exaktversuch im Jahr 2010 ließ sich kein statistisch absicherbarer Mehrertrag an vermarktbaren Kartoffeln erzielen.


Dass die Ertragszuwäch-se über die CO2-Düngung pflanzenbaulich nicht gravierend ausfallen können, zeigt ein einfaches Rechenbeispiel von Prof. Hans-Werner Olfs von der Hochschule Osnabrück: So liefern 10 kg je ha Agrosol rund 4 kg/ha CO2. Das entspricht 1 kg C je ha. Zum Vergleich: Ein 10 t Weizenbestand bringt pro Hektar 4000 kg C. Stroh und Wurzeln noch einmal 3500 kg/ha C.


Helfende Bakterien?

Insbesondere in Regionen mit wenig Wirtschaftsdüngern suchen Landwirte nach Möglichkeiten, den Stickstoff in Wurzelnähe verfügbarer zu machen. Interessant ist dies auch für Ökobauern, die nicht mineralisch düngen dürfen. Können biologische Hilfsmittel – wie von vielen Herstellern behauptet – tatsächlich 50 kg/ha und mehr an mineralischem Stickstoff ersetzen?


Das Funktionsprinzip dieser Mittel: Frei bewegliche Bakterien, z.B. der Gattung Bacillus, können entweder elementaren Stickstoff aus der Luft binden oder P- bzw. K-Verbindungen im Boden aufspalten. Das soll die Nährstoffe für die Pflanze besser verfügbar machen und die Aufnahme ohne zusätzlichen Düngeaufwand erhöhen. Die Anzahl an Bakterienpräparaten nahm die letzten Jahre kontinuierlich zu, ihr Grundprinzip ist ähnlich.


Um die Wirkung solcher Mittel zu prüfen, hat die Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern (LFA MV) dreijährige Versuche mit den Bakterienpräparaten Twin N, Azobac und Akra N durchgeführt. „Wir haben die Mittel nach Einsatzempfehlung in Winterroggen auf Sand- bzw. anlehmigen Sandböden getestet“, so Andreas Titze von der LFA MV. Die Ergebnisse: Im Vergleich zur unbehandelten Kontrolle erzielten alle Mittel einen leichten Mehrertrag, der sich statistisch aber nicht absichern ließ (siehe Übersicht 1, Seite 51). Die Behandlungseffekte wurden durch hohe Jahreseinflüsse überlagert. „Bezieht man die Applikationskosten und die aktuellen Preise für Winterrogen mit ein, verbleibt oft nur ein geringer kostenbereinigter Mehrertrag“, erklärt Andreas Titze. Auf den Proteingehalt, das Auftreten von Krankheiten und das Hektolitergewicht hatte der Einsatz keinen Einfluss.


Effektive Mikroorgansimen?

Mittel, deren Wirkung auf sogenannte effektive Mikroorganismen (EM) beruht, enthalten häufig mehr als 80 Arten dieser Kleinstlebewesen. Die Handelsprodukte bestehen oft neben Bakterien auch aus Melassen, Hefen, Kräuter und Mineralien. Die ertragssteigernde Wirkung soll nach Herstellerangaben von ihrer „perfekten“ Symbiose herrühren.


Wie gut die drei Hilfsmittel EM A, EM Keramik und Terra biosa wirken, hat die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) in einem dreijährigen Versuch untersucht. Der Einsatz in Ackerbohnen, Winterweizen und Sommergerste erfolgte ohne N-Düngung nach Herstellerangaben. Die Ergebnisse:


Den höchsten Kornertrag erreichte in allen Jahren EM A, gefolgt von Terra Biosa (siehe Übersicht 2). Allerdings war der Mehrertrag nur in einem Jahr mit 8 bzw. 6% statistisch absicherbar. Zwischen der Kontrolle und EM Keramik gab es keinen Unterschied beim Kornertrag. In Bezug auf Krankheiten, Lagerneigung, Verunkrautung, Sortierung und TKM ließen sich in allen drei Kulturen keine Wirkunterschiede zwischen den Varianten feststellen.


„Weil die Mikroorganismen im Boden auf Millionen anderer Kleinstlebewesen treffen, sind die geringen Wirkungsgrade der Mittel pflanzenbaulich nicht verwunderlich“, erklärt Dr. Matthias Wendland von der LfL. Bezieht man die Kosten der Präparate mit ein und berücksichtigt die Ausbringung, war der Einsatz der EM in keinem der geprüften Verfahren rentabel.


Hilfe von Hormonen?

Eine Vielzahl von Stärkungsmitteln wirken sich auf den Hormonhaushalt der Pflanze aus und sollen dadurch für höhere Erträge und bessere Qualitäten sorgen. Einige Mittel hat Karl Gröschl von der N.U. Agrar GmbH in Kartoffeln eingesetzt. Seine Erfahrungen:


Das Mittel Proradix bewirkt einen deutlichen Anstieg des Phytohormons Auxin in der Pflanze. Dadurch verzweigen die Wurzeln früher und intensiver. Je ungünstiger die Bedingungen in der frühen Jugend sind, desto positiver fällt die Wirkung der Bakterienbeize aus. Vorsicht ist aber bei einem zu hohen Auxinpegel geboten. Dieser vermindert den Wurzeltiefgang. Ähnlich wie die Beize wirkt sich das Mittel Kelpak vor allem auf den Auxingehalt aus und beeinflusst somit die Wurzelverzweigung. Der biologische Wachstumsregler wirkt stark bei bedecktem Wetter. Je intensiver aber die Einstrahlung ist, desto stärker fällt die Wirkung ab. Nach Gröschls Beobachtungen wirkt Kelpak dem Durch-wachsen der Knollen entgegen. Auch Produkte mit phosphoriger Säure haben Einfluss auf den Hormonhaushalt von Pflanzen. Sie fördern den Gehalt an Abscisinsäure, die den Knollenansatz beschleunigt und die Anzahl angelegter Knollen erhöht. Wichtig ist aber, dass der Einsatz nicht verspätet erfolgt – denn sonst leidet die Wachstumsrate der Knollen und die Stresstoleranz verringert sich.


„Dass die Präparate den Hormonhaushalt von Pflanzen beeinflussen, konnten wir in unseren Versuchen feststellen“, so Gröschl. „Den Einsatz muss man aber genau an den Bedarf der Pflanze ausrichten. Ein falscher Termin, ein falsches Produkt oder eine falsche Menge kann sich auch negativ auswirken.“


Ergebnisse eines Großversuchs:

Einen umfangreichen dreijährigen Exaktversuch zu Boden- und Pflanzenhilfsstoffen sowie einem weicherdigen Rohphosphat hat die LfL an vier bayerischen Standorten in Winterweizen, Triticale, Sommergerste, Hafer und Mais durchgeführt. Bei den leichten Böden (31 bis 48 BP) lagen der pH-Wert, die P- und K-Versorgung im optimalen Bereich. Der Versuch wurde in zwei N-Stufen durchgeführt, einmal „ohne“ und einmal „mit 40 bis 80 kg N/ha“. Ein Fungizideinsatz erfolgte nicht. Die Hilfsmittel wurden nach Vorgaben der Hersteller eingesetzt. Hier die wichtigsten Ergebnisse:


„Keines der geprüften Produkte erreichte im Mittel einen statistisch absicherbaren Mehrertrag gegenüber der unbehandelten Kontrolle“, so Dr. Matt-hias Wendland von der LfL. „Berücksichtigt man zusätzlich die Mittelkosten, sind unabhängig von der N-Düngung Mindererträge in Höhe von 4 bis 14% festzustellen.“ Das sind anders ausgedrückt 20 bis 100 €/ha Verlust. Details entnehmen Sie Übersicht 3.


Auch an den einzelnen Standorten ergab sich kein anderes Bild. An keinem Ort – so Wendland – lag die bereinigte Marktleistung eines Produktes absicherbar über der Kontrolle. Einen Einfluss auf den Rohproteingehalt des Getreides war ebenfalls nicht zu erkennen.


Spricht was dafür?

Erfahrungen mit Bodenhilfsstoffen hat Landwirt Oliver Holtermann aus Harsefeld bei Hamburg gesammelt. Er bewirtschaftet einen Milchviehbetrieb mit Biogasanlage und baut auf seinen lehmigen Sandböden (30 bis 35 BP) rund 270 ha Mais an. „Seit drei Jahren nutze ich den Bodenhilfsstoff Happy Green und will damit in erster Linie die Maiserträge absichern“, erklärt er. „Denn extreme Wetterlagen nehmen bei uns zu.“


Der Einsatz erfolgt bei ihm zusammen mit der Herbizidbehandlung mit 2,0 l/ha. Seine Beobachtung: mehr Feinwurzeln, dickere Stängel und leichte Mehrerträge. Das Mittel kostet 50 €/ha.


Vor einigen Jahren hat Holtermann in seinem Mais ein Algenpräparat ausprobiert. „Mit dem Mittel auf Algen-basis haben wir keine Effekte feststellen können“, erklärt der Landwirt.


Das sagen Berater:

Beim Thema Hilfs- und Stärkungsmittel sind sich viele Berater einig: Weil die Wirkungsgrade in unabhängigen Exaktversuchen oft zu wünschen übrig lassen, sollten Landwirte lieber Wert auf „guten Ackerbau“ legen. Wer seine Flächen optimal kalkt, den Humusgehalt und die Bodenstruktur der Flächen im Griff hat sowie für einen ausgeglichenen Nährstoffhaushalt sorgt, wird auf Hilfsstoffe wohl eher nicht angewiesen sein.


Um die Nährstoffe vor dem Hintergrund der DüngeVO effizienter auszunutzen, gibt es zudem auch andere Verfahren“, so Karl Gerd Harms von der LWK Niedersachsen. So führt die LWK derzeit Versuche zum Einsatz von mikrogranulierten Düngern in Mais durch. Zudem optimiert sie die Unterfußdüngung mit Gülle auch im Strip Till-Verfahren weiter. Bei der Thüringer Landesanstalt laufen Versuche zur platzierten Düngung von Grundnährstoffen.


„Aber auch Versuche zu Hilfsmitteln verfolgen wir weiter“, so Harms. So laufen derzeit Versuche zur Wirkung von Phosphonaten, Phosphiten und Mykor-rhiza. Sein Appell: Erkundigen Sie sich vor dem Einsatz eines Hilfsmittels bei der Beratung, ob es dazu Versuchsergebnisse gibt. Nur dann ist sichergestellt, dass die Mittel auch wirklich Ihnen und nicht nur dem Verkäufer helfen.


Matthias Bröker


top agrar-SerieDünge-Verordnung

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