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Klima: Das Moor wiedervernässen?

Lesezeit: 10 Minuten

Nasse Moore schützen das Klima – das ist politischer Konsens. Doch ein Wiedervernässen hat für die Bewirtschafter und die Region enorme Folgen.


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Moorschutz ist Klimaschutz – das ist sowohl in der Nationalen Moorschutzstrategie als auch in der kürzlich unterzeichneten „Bund-Länder-Zielvereinbarung zum Klimaschutz durch Moorbodenschutz“ (BLZV) festgehalten. So will der Bund die Treibhausgasemissionen zum Jahr 2030 um 10% verringern und 5 Mio. t CO2-Äquivalente einsparen. Bislang stammen jährlich rund 53 Mio. t CO2-Emissionen aus entwässerten Moorböden (6,7% der deutschen Treibhausgasemissionen). Dabei helfen soll die Wiedervernässung von Mooren und anmoorigen Böden auf freiwilliger Basis. Die Wiedervernässung soll laut BLZV so umgesetzt werden, dass danach eine landwirtschaftliche Nutzung möglich ist.


Tatsächlich dienen geschützte Hoch- und Niedermoore nicht nur dem Klima, sondern auch dem Bodenschutz sowie dem Schutz einzigartiger Lebensräume für spezialisierte Pflanzen- und Tierarten. In Deutschland gibt es rund 1,8 Mio. ha Moor, 90% davon sind entwässert. Davon werden 52% als Grünland und 19% als Ackerland bewirtschaftet. Um diese Flächen wiedervernässen zu können, müssen jedoch bestimmte Voraussetzungen vorliegen – und es gibt ebenso Grenzen der Wiedervernässung. Lesen Sie dazu auch den Kommentar auf Seite 79.


Wie ließe sich eine Vernässung umsetzen?


Ziel der Wiedervernässung ist, den Torf im Moor zu erhalten. Für eine torferhaltende Bewirtschaftung müssen die Wasserstände ganzjährig nahe der Geländeoberfläche von 5 bis 15 cm unter Flur (nasse Moorböden) liegen. Bei Graben- und Grundwasserständen bis max. 40 cm unter Flur (feuchte Moorböden) ist nur eine torfzehrungsmindernde Bewirtschaftung möglich. Dann würden die Böden weiter (aber weniger) CO2 emittieren. Für beide Varianten bedarf es viel Wasser, damit die Graben- und Grundwasserstände dauerhaft hoch reguliert werden können. Deshalb ist die Zusatzwasserverfügbarkeit das alles Entscheidende! Ein Moorgebiet wird dabei als hydrologische Einheit betrachtet. Fachlich ließe sich die Vernässung der verschiedenen Moortypen wie folgt umsetzen:


  • Auf Niedermooren sollte sich die Maßnahme auf die potenziell wiedervernässbaren Moore mit hohem Revitalisierungspotenzial konzentrieren. Um das beste Verfahren zur Anhebung des Wasserstandes wählen zu können, sind Kenntnisse zur Vernässbarkeit aus hydrologischer Sicht und die verfügbare Wassermenge im Einzugsgebiet entscheidend.


Nach dem Ende der aktiven Entwässerung muss das Wasserangebot im Einzugsgebiet zurückgehalten und ein ständig hoher Wasserstand gewährleistet werden. Die in den letzten 250 Jahren errichtete wassertechnische Infrastruktur, wie sie z.B. in den großen Niedermoorgebieten Nordostdeutschlands für die wechselseitige Grundwasserregulierung (Grabensysteme mit Wehren und regulierbaren Stauen etc.) besteht, ist auch für die Wiedervernässung geeignet. So lässt sich der winterliche oberflächennahe Grabenanstau (nicht Überstau!) durchführen und in der Vegetationsperiode mittlere Grabenwasserstände von maximal 40 cm unter Flur gewährleisten. In Trockenperioden kann man Zusatzwasser einstauen.


  • Die tiefgründigen Moore weisen eine homogene Oberfläche auf. So können angehobene Grundwasserstände eine gleichmäßig hohe Feuchte im Boden bewirken. Hohe Wasserstände in den Gräben sind aber noch keine Garantie für hohe Grundwasserstände auf der Fläche. Wenn die Wasserleitfähigkeit der Torfe nicht ausreicht, um die Verdunstungsverluste auf den Flächen durch seitlichen Zufluss aus den Gräben zu kompensieren, ist z.B. eine Unterflurbewässerung erforderlich. Sie wird zurzeit in Niedersachsen mit Landwirten in dem Projekt SWAMPS erprobt.


Auf den tiefgründigen Mooren Nordwestdeutschlands müsste mithilfe der Grabensysteme ein ganzjähriges, kontrolliertes Wassermanagement betrieben werden, welches eine hohe Wasserhaltung garantiert: im Winter oberflächennah und in der Vegetationsperiode nicht tiefer als maximal 40 cm unter Flur.


  • Auf den entwässerten flachgründigen Mooren mit 30 bis 50 cm hoher Torfauflage ist im Zuge der Bodenentwicklung ein heterogenes Oberflächenrelief entstanden. Die Anlagen der wechselseitigen Wasserregulierung sind auch hier eine zweckmäßige Form.
  • Die Vernässungsmaßnahmen auf den Hochmooren sind auf die tiefgründigen und stark entwässerten Hochmoore mit ausreichender Schwarztorfschicht als Staukörper auszurichten. Stauvorrichtungen können den Wasserrückhalt erreichen und im Winter/Frühjahr hohe Wasserstände durch oberflächennahen Grabenanstau ermöglichen. Für die Sommermonate müsste eine Zusatzwasserbereitstellung und ein Einstau erfolgen, um die hohe, temperaturbedingte Torfmineralisation durch das Trockenfallen der Oberschicht zu mindern.


ganze Regionen sind betroffen


Bei der Wiedervernässung handelt es sich nicht nur aus fachlicher Sicht um ein sehr komplexes Vorhaben. Zu betrachten sind auch ökonomische und soziale Aspekte. Eine Wiedervernässung der Moore würde in einer Kulturlandschaft mit Siedlungen, Verkehrsinfrastruktur, Landwirtschaftsflächen und Wäldern erfolgen. Die Moorgebiete sind Existenz- und Lebensgrundlage für viele dort lebende Menschen. Daher müssen für die Wiedervernässung folgende Voraussetzungen gelten:


  • Im Rahmen einer Moor-Kooperation müssen im Vorfeld ganzheitliche, gemeinsam von allen Beteiligten getragene, gebietsspezifische und umsetzbare Maßnahmen/Entwicklungskonzepte erarbeitet werden, die auf einem ressort-, fach- und interessenübergreifenden Ansatz beruhen. Um die potenzielle Wiedervernässung einzuschätzen und eine Karte dieser Flächen für das betreffende Moorgebiet erstellen zu können, muss in erster Linie Wissen zur Vernässbarkeit aus hydrologischer Sicht sowie zum Zusatzwasserangebot im Einzugsbereich verfügbar sein. Die unteren Wasserbehörden sowie die Wasser- und Bodenverbände müssten zudem in die Konzeptentwicklung eingebunden und mit der schrittweisen Umsetzung beauftragt werden.
  • Die Entwicklungskonzepte wären räumliche und zeitliche Kompromisslösungen nach Abwägung aller Flächenanforderungen. Es sind alle Flächeneigentümer bzw. -bewirtschafter einzubeziehen. Zusätzlich muss eine agrarstrukturelle, moorschutzfachliche und raumordnerische Unterstützung gegeben sein. Politische Entscheidungen sind im Kontext einer länderspezifischen Moorschutzstrategie zu treffen.
  • Wichtig ist auch, dass objektive, gebietsbezogene Betroffenheitsanalysen der zu erwartenden Beeinträchtigungen vorliegen – einschließlich der sozioökonomischen Folgewirkungen.
  • Funktionsfähigkeit und laufende Instandhaltung bzw. Rekonstruktion der Anlagen für eine wechselseitige Grundwasserregulierung (neben Grabensystemen mit Wehren und regulierbaren Stauen auch Schöpfwerke zur Wasserrückhaltung und zum Grabeneinstau) müssen gewährleistet sein.
  • Es muss ein ausreichendes Zusatzwasserangebot im Einzugsgebiet während der Sommermonate für gleichbleibend hohe Wasserstände in den niederschlagsarmen nordostdeutschen Moorgebieten vorhanden sein.
  • Den Landnutzern muss über langfristige Förderprogramme Planungssicherheit geboten werden. ▶


Bewirtschaftung nur stark eingeschränkt möglich


Auf wiedervernässten Niedermoorstandorten ist nur noch eine extensive Dauergrünlandwirtschaft möglich. Denn feuchte Moorböden erfordern ein torfzehrungsminderndes Flächenmanagement. Für die tiefgründigen Niedermoore, z.B. in den von der Milchviehhaltung geprägten Moorgebieten in Nordwestdeutschland, wäre eine Narbenpflege (Striegeln, Schleppen), eine umbruchlose Grünlanderneuerung (Schlitzsaat im Frühsommer), entzugsorientierte Düngung (vor allem Kalium) sowie qualitätsgerechte, jährlich 2- bis 4-malige Nutzung als Wiese nur noch eingeschränkt möglich. Ein Weidemanagement wäre sehr anspruchsvoll. Alle Arbeiten müssten mit geringem Bodendruck (Breitreifen, niedriger Reifendruck) erfolgen. Die Bewirtschaftung würde mit Ertrags- und vor allem Qualitätsverlusten einhergehen, sodass die Umstellung von der Milchvieh- auf die Fleischrinderhaltung notwendig werden könnte.


Auf den flachgründigen, sandunterlagerten Niedermooren könnten Zweischnittnutzung oder Extensivweidesysteme mit mittel- und kleinrahmigen Fleischrindern als Umtriebsweide mit sehr geringer Besatzdichte betrieben werden. Alternativ wäre eine Beweidung mit Wasserbüffeln oder Schafen (Moorschnucken) denkbar. Die Bewirtschaftung müsste sehr flexibel sein – mit nötiger Grünlandpflege (Schleppen, Nachmahd), Verzicht auf N-Düngung, aber entzugsorientierter Kalidüngung.


Für wiedervernässte Niedermoorgebiete, die nach Vogelschutzgesichtspunkten bewirtschaftet werden sollen, ist ein mosaikartig wechselndes Nutzungsregime zu erwarten.


Auf den tief entwässerten und aufgrund stark veränderter hydraulischer Bodeneigenschaften vermulmten (degradierten) Niedermooren wäre eine nachhaltig optimale Bewirtschaftung immer noch klimaschonender als ein Brachfallen dieser Flächen.


Auf dauerhaft bis an die Oberfläche wiedervernässten, landwirtschaftlichen Flächen bleibt aufgrund der sehr geringen Tragfähigkeit des Bodens nur noch eine torferhaltende Flächenbewirtschaftung mit nassen Dauerkulturen, der Paludikultur. Sie ist mit Genehmigung zulässig, wenn es sich um eine für die Direktzahlungen förderfähige Fläche handelt (§12 GAPKondG). Das gilt nicht, wenn das Dauergrünland in einem geschützten Gebiet liegt (nach Richtlinie 92/43/EWG, Art. 4, Abs. 2, Unterabs. 3) oder ein Grünlandlebensraumtyp (nach Richtlinie 92/43/EWG, Anhang I) ist. Die Anlage kann ohne Verpflichtung einer Kompensation des Verlustes an Grünland erfolgen. Zu den Paludikulturen zählen die Kultivierung von Torfmoos, Anbau/Nutzung von Landröhrichten (Schilf, Rohrkolben, Rohrglanzgras) und Rieden (Saure- und Kalk-Kleinseggenriede) auf Niedermoor sowie eine Torfmoos-Bewirtschaftung auf Hochmoor. Sie erfordert den Einsatz von Spezialtechnik. Die Paludikultur befindet sich noch in der Entwicklung/Erprobung und wird umfangreich über Projektförderungen unterstützt. Eine Beweidung mit Schafen oder Wasserbüffeln ist auf diesen Flächen aus Gründen der Tiergesundheit und der extremen Narbenschäden nicht zu verantworten.


Die Anhebung des Wassers in den tiefgründigen Hochmooren (Weißtorf) Nordwestdeutschlands auf maximal 40 cm unter Flur würde nur noch eine torfzehrungsmindernde Bewirtschaftung ermöglichen. Dazu gehören Narbenpflege, bei Bedarf umbruchlose Grünlanderneuerung (Schlitzsaat im Frühsommer), bedarfsgerechte Nährstoffzufuhr an Kalium und Stickstoff (Hochmoor liefert kein N!) sowie jährlich 2- bis 3-malige Nutzung als Wiese. Eine weitere Milchviehhaltung in betroffenen Grünlandbetrieben wäre sehr fraglich und der Weidegang mit Rindern würde zu großen Narbenschäden führen.


Wer zahlt das alles?


Der langwierige und äußerst kostenintensive Umwandlungsprozess kann nur mit massiver Unterstützung der Landwirtschaft, Kommunen und Infrastruktur gelingen. Der Bund will laut der BLZV mit einer umfassenden und langfristigen Finanzierung der Schutzmaßnahmen für verlässliche Rahmenbedingungen sorgen und stellt über den Energie- und Klimafonds Mittel zur Verfügung – bis zum Jahr 2025 insgesamt 330 Mio. €.


Für die Landwirte sind die Direktzahlungen (GAP) eine Grundvoraussetzung für die Grünlandbewirtschaftung auf feuchten und nassen Moorböden. Die aus der Wiedervernässung resultierenden finanziellen Verluste sind über Förderprogramme wie ELER oder GAK auszugleichen. Die Beihilfen müssen sowohl auf die standörtlichen Benachteiligungen (Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete), die erbrachten Ökosystemleistungen (Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen für die Grünlandbewirtschaftung feuchter bzw. nasser Moorböden) als auch auf Investitionen in Wehre, Schöpfwerke, Unterflurbewässerung, spezielle Grünlandtechnik, Biomasseheizwerke für Halmgutverbrennung (Heu von Nasswiesen, Schilf), Feststofffermentation, Dämmplattenwerke (Rohrkolben) u.a. ausgerichtet sein. Die variablen Kosten für die Unterhaltung der Gräben, Wehre und Schöpfwerke müssen über die Förderung von Wasser- und Bodenverbänden abgesichert sein.


Es gibt Grenzen


Eine Wiedervernässung von Moorböden hat folgende Grenzen:


  • Eine Anhebung des Wasserstandes ist in der Regel nur im gesamten hydrologischen Einzugsgebiet möglich.
  • Nur mit funktionsfähigen Wasserbewirtschaftungsanlagen für die Wasserzufuhr ist die Wiedervernässung der Niedermoore ein realistisches Szenario.
  • Stark degradiertes Niedermoor (vermulmter Torf) ist kurzfristig nicht wiedervernässbar. Denn Quellbarkeit sowie Wasserleit- und Wasserhaltefähigkeit sind nicht mehr gegeben.
  • Im trockenen Süden von Mecklenburg-Vorpommern und in Brandenburg würde eine Wiedervernässung allein aus den Zuflüssen im Einzugsgebiet zwar die Vernässung eines Teiles der Flächen bewirken. Allerdings würde der Grundwasserstand im Sommer/ Herbst wieder abfallen. Ein Grabenwassermanagement ist hier im Sommer ohne gezielten Wasserrückhalt mit Stauanlagen, ohne den Bau von Wasserspeicherbecken und ohne Überleitung aus Flüssen oder Seen nicht möglich.
  • Unklar ist, ob eine erforderliche Zusatzwassereinspeisung aus Gewässern aus wasserwirtschaftlichen Gründen akzeptiert wird.
  • Sind die Kosten für den wasserwirtschaftlichen Aufwand einer ausreichenden Zusatzwasserbereitstellung nicht realisierbar, kann es in den sommertrockenen Moorgebieten keine Wiedervernässung geben.
  • Es liegt noch keine Definition der guten fachlichen Praxis für die landwirtschaftliche Bewirtschaftung von Mooren im Sinne des Bodenschutzgesetzes vor (§17 BBodSchG).
  • Für die industrielle Verwertung der Biomasse von Paludikulturen ist ein ausreichender Anbauumfang wichtig, um kontinuierlich große Mengen bereitstellen zu können.


Die Ausführungen zeigen, dass die Wiedervernässung von Mooren für alle Beteiligten eine Mammutaufgabe wird.


friederike.mund@topagrar.com


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Unser Autor


Dr. agr. habil. Hans Hochberg, Deutscher Grünlandverband e.V.

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