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Klimagerechter düngen?

Lesezeit: 7 Minuten

Regionale, hochwertige Lebensmittel auf der einen Seite und ambitionierte Klimaziele auf der anderen. Lässt sich das zusammenführen?


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Stickstoff ist der Nährstoff Nr. 1 und die Grundlage für stabile Erträge und regionale Versorgungssicherheit. Beim Düngen können jedoch klimaschädliche Ammoniakemissionen entstehen. Über die sogenannte NEC-Richtlinie hat sich Deutschland verpflichtet, den NH3-Ausstoß bis zum Jahr 2030 um 29% zu senken.


Dazu kommt, dass der EU-Kommission die geplanten Verschärfungen in den roten Gebieten in puncto Nitrat nicht weit genug gehen und Deutschland kürzlich weitergehende Vorschläge zur Reduktion nach Brüssel geschickt hat. Die Frage ist nun: Kann man effizient düngen und dabei die Klima- und Umweltziele erreichen? Darum ging es bei der top agrar-Veranstaltung „Landwirtschaft im Dialog“, die am 11. Februar 2020 in der Hessischen Landesvertretung in Berlin mit über 160 Teilnehmern stattfand.


Dass die Düngung für stabile Ernten und für die Produktion von heimischen Nahrungsmitteln essenziell ist, betonte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) in ihrem Impulsreferat. Sie wies aber auch auf die Schattenseiten hin. „Rund 28% der von den Ländern gemeldeten Grundwassermessstellen weisen zu hohe Nitratgehalte von über 50 mg/l auf“, so die Ministerin. Die EU erwarte nun eine zügige Reduktion über eine verschärfte Düngeverordnung (DüV), zumal Deutschland bereits auf Nichteinhaltung der Wasserrahmenrichtlinie vom EuGH verklagt wurde. Ein Zweitverfahren will Klöckner in jedem Fall abwenden.


Hinsichtlich der Repräsentativität des Messstellennetzes verwies die Ministerin auf die Möglichkeit der Bundesländer zur Binnendifferenzierung. Sie will diese verpflichtend über die DüV einführen, um die roten Gebiete verursachergerechter festzulegen. Nordrhein-Westfalen und Bayern seien gerade dabei, ihre Gebiete noch einmal zu überprüfen. Klöckners Ziel sind bundesweit einheitliche Messbedingungen.


Der Schlüssel, um die Vorgaben der DüV, insbesondere in den roten Gebieten, erfüllen zu können, ist ihrer Ansicht nach ein noch effizienteres Düngen. Wie das aussehen kann, hat das BMEL in der Ackerbaustrategie vorgeschlagen. Dies sei kein Handbuch, aber ein Handlungsrahmen. Zudem seien Innovation, Forschung und Förderung wichtig, um das Effizienzziel zu erreichen. Damit die Landwirte z.B. in emissionsärmere, präzisere Ausbringtechniken investieren können, sind laut Klöckner finanzielle Mittel von über 2 Mrd. € verfügbar. Ein Teil davon fließt auch in das Bundesprogramm Nährstoffmanagement.


Ziele über DüV erreichbar?


Auf die Frage, wo die Landwirtschaft bei der N-Effizienz zurzeit steht, erklärte Dr. Ulrich Lehrke von der LWK Niedersachsen, dass viele Betriebe nahezu ausgeglichene N-Bilanzen haben. In Veredlungsregionen sei die Lage aber vor allem auf leichten Böden anders – hier gebe es Bilanzüberschüsse.


Ob die DüV in ihrer jetzigen Ausgestaltung dafür sorgt, dass die Umweltziele erreicht werden, bezweifelt Prof. Dr. Henning Kage von der Uni Kiel. Er sagt, dass die geltenden Bedarfswerte wissenschaftlich nicht ausreichend validiert wurden und den tatsächlichen N-Bedarf der Pflanzen nicht widerspiegeln. Nach seiner Meinung sollte die DüV schnell überarbeitet werden.


Jegliches Verständnis fehlt dem Wissenschaftler für die in roten Gebieten vorgeschlagene pauschale Kürzung der N-Düngung um 20%. „Das wird, abhängig von der Kultur, Ertrags- und Qualitätseinbußen nach sich ziehen“, ist er sich sicher.


Den künftig von der Kürzung betroffenen Betrieben empfiehlt Berater Ulrich Lehrke auf N-effiziente Früchte wie z.B. Mais oder Roggen zu setzen. Zudem müssten die Fruchtfolgen neu gedacht werden. Ein Wechsel von Halm- und Blattfrucht sei vor allem in diesen Gebieten mehr als angeraten.


So reagieren die Bauern


Um noch effizienter zu düngen, setzt Landwirt Jörg Schrieber aus dem niedersächsischen Helmstedt z.B. auf Unterfußdüngung bei Sommerungen, auf Strip Till und arbeitet teilflächenspezifisch. Als Mitglied des Digitalisierungsausschusses der DLG plädiert er dafür, dass Digitalisierung ein Arbeitsinstrument bleibt und später nicht zur Kontrolle missbraucht wird.


Auch Dr. Thomas Gäbert von der Agrargenossenschaft Trebbin in Brandenburg beschäftigt sich immer mehr mit Präzisionstechnologie. „Wir nutzen z.B. Online-Sensoren, um die Ertragsfähigkeit von Teilflächen zu ermitteln“, erklärt er. „So können wir noch punktgenauer düngen.“ Bei der Technik ist nach seinen Erfahrungen aber viel eigenes Know-how und Beratung erforderlich.


Von den Erfahrungen aus Dänemark, einem Land mit äußerst strengen Düngeregeln, berichtete Hans Otto SØrensen. „Wer Gülle einsetzt, muss sie injizieren, verschlauchen oder sofort einarbeiten. Zusätzlich gelten enge Sperrfristen und strenge Regelungen zur Lagerung.“ Als ungerecht empfindet er, dass Dänemark schon sehr früh den NH3-Ausstoß gemindert hat und die Bauern ihn nun noch weiter senken müssen. Als Folge von den aus seiner Sicht zu strengen Regeln haben schon viele Betriebe aufgegeben. Zudem sind die meisten Betriebsleiter überaltert, weil Nachfolger fehlen.


Große Herausforderungen


Anerkennend über die Dialogbereitschaft und den Willen, das Düngen effizienter zu gestalten, äußerte sich Christoph Heinrich, Vorstand des WWF. Dennoch befürchtet er, dass die Maßnahmen zur Nitrat- und NH3-Reduktion nicht ausreichen könnten. Als Beispiel nennt er den Rückgang des Schachbrettfalters, eines Allerweltsschmetterlings. Diese Art gehe immer weiter zurück, weil die Nährstoffversorgung von Gräsern zu hoch sei. Andersherum sei z.B. die Reproduktionsrate von Rehen unnatürlich hoch, weil diese von dem höheren Proteinangebot in den nährstoffreichen Pflanzen profitierten.


Für ihn ist die vorgeschlagene 20%-Kürzung in den roten Gebieten ein Schritt in die richtige Richtung. Wenn es aber gute Gründe gebe, dies nicht anzuwenden, seien er und seine Organisation lernbereit.


Dass die N-Effizienz beim Düngen künftig noch mehr zunehmen muss, bekräftigt Hubertus Paetow, Präsident der DLG. Auf seinem Betrieb bringt er Gülle nur bodennah mit Schleppschläuchen aus. Bei der Mineraldüngung nutzt er einen pneumatischen Exaktstreuer und die Rapsdüngung führt er teilflächenspezifisch mithilfe des sogenannten Biomassemodells durch. Nachvollziehbar ist für ihn der Ärger über die Messstellen. Während eine nahe zu seinem Betrieb gelegene Stelle auf „grün“ steht, ist eine 12 km entfernte „rot“. Trotz seiner präzisen Wirtschaftsweise liegen einige seiner Flächen daher in einer roten Kulisse. Das würde bei seiner jetzigen Fruchtfolge ein Minus von 48 €/ha bedeuten.


Die Tragweite der Messstellendiskussion ist Walter Dübner, Unterabteilungsleiter im BMEL durchaus bewusst. „Weil viele Länder keine Binnendifferenzierung vorgenommen haben und man die 20%-Minderung an die roten Gebiete geknüpft hat, haben die Messstellen nun konkrete Auswirkungen zur Folge“, so Dübner. Die Länder sollen nun innerhalb von sechs Monaten die Binnendifferenzierung nachholen. Das fordert nach seinen Aussagen auch die EU-Kommission, die mit dem bisherigen Flickenteppich nicht zufrieden war.


Die jetzigen Vorgaben der DüV wirken sich auch auf Düngemittelhersteller aus. So dürfen Landwirte seit dem 1. Februar 2020 Harnstoffdünger nur noch streuen, wenn sie mit einem Ureaseinhibitor versetzt wurden. „Diese Auflage erschwert die Düngung unnötig“, so Rüdiger Geserick, Vorsitzender der Geschäftsführung der SKW Stickstoffwerke Piesteritz. Denn: Wird der Inhibitor aufgesprüht, kann die Haltbarkeit leiden. Daher empfiehlt er den Landwirten, auf Fertigprodukte mit inkludiertem Inhibitor zu setzen, zumal es auch nur dafür Streutabellen gibt.


Ausblick


Um die Herausforderungen zu meistern, will die Politik nun verschiedene Förderprogramme auf den Weg bringen. „Am Geld soll’s nicht scheitern“, erklärte Dübner. Wichtig sei, die Palette an Fördermöglichkeiten jetzt sehr gezielt auszurichten, damit die Maßnahmen auch wirklich zur N-Reduktion beitragen.


matthias.broeker@topagrar.com


matthias.broeker@topagrar.com


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Den Livestream der top agrar-Veranstaltung finden Sie unter www.topagrar.com/dialog2020

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