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Kräuteranbau – Nische für Spezialisten

Lesezeit: 8 Minuten

Der Anbau von Heil- und Gewürzpflanzen ist anspruchsvoll, er bringt aber über­durch­schnittliche Deckungsbeiträge. Was ist bei der Erzeugung und Vermarktung von Kräutern zu beachten? Und wie wettbewerbsfähig ist der Anbau bei uns?


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Schon einmal was von Winterheckenzwiebeln, Mariendisteln und Arzneiweiden gehört? Nein, die Namen entstammen nicht einem Märchenbuch über Zauberer und Hexen. Die Pflanzen gehören zu den gut 100 Heil- und Gewürzpflanzen, die Landwirte in Deutschland derzeit anbauen.


Die Winterheckenzwiebel ist ein Gewürzkraut für die Lebensmittelindustrie. Die Früchte der Mariendistel enthalten den Wirkstoff Silybin, der die Leber schützen und entgiften soll. Und aus der Rinde der Pharmaweide wird Salicin gewonnen, das ebenfalls als Arzneimittel eingesetzt wird.


Viel Wertschöpfung:

Mit knapp 7 000 ha sind die Anbauflächen für Arznei- und Küchenkräuter in Deutschland zwar überschaubar (siehe Übersicht). Aber die Landwirte erzielen damit eine vergleichsweise hohe Wertschöpfung.


Je nach Kultur, Standort, Bewirtschaftungsform und Vermarktungsmöglichkeiten streuen die Deckungsbeiträge stark. „Die Wirtschaftlichkeit von Körnerfenchel liegt zwischen Raps und Zuckerrüben“, nennt Ulrich Schimmel ein konkretes Beispiel. Der Landwirt bewirtschaftet mit seinem Sohn Philipp und mit Heidi Schimmel im hessischen Pfungstadt einen Marktfruchtbetrieb und baut 35 ha Kräuter an.


Matthias Schnelle, Vorstand der Agrargenossenschaft Nöbdenitz in Ostthüringen, stellt die Wirtschaftlichkeit des Kräuteranbaus sogar auf eine Stufe mit Zuckerrüben: „Wir erwirtschaften mit Kamille und Pfefferminze im Schnitt der Jahre den gleichen Deckungsbeitrag wie mit den Rüben.“


Besonders gut schneiden derzeit Blattkräuter aus dem Öko-Anbau ab. „Wenn es gut läuft, erzielen wir mit unserer Petersilie eine Marktleistung von 10 000 bis 12 000 € pro Hektar“, bestätigt Bio-Landwirt Richard Haunsperger aus Baar-Ebenhausen in Oberbayern, der rund 7 ha Küchenkräuter anbaut (siehe Reportage S. 74).


Trotz der attraktiven Wertschöpfung hat der Flächenumfang der Heil- und Gewürzpflanzen in Deutschland in den letzten Jahren aber nicht nennenswert zugenommen. Der Grund: Der Kräuteranbau ist sehr anspruchsvoll und setzt zudem eine eigene Trocknungsanlage oder einen Abnehmer in erreichbarer Nähe voraus.


Guter Standort:

Vor allem die Gewürzkräuter, bei denen in der Regel die Blätter geerntet werden, brauchen gute Boden- und Klimaverhältnisse. „Wo Zuckerrüben gut wachsen, kann man auch Gewürzpflanzen wirtschaftlich und ertragsstabil anbauen“, bringt Berater Dr. Konrad Denk von der Firma Völpel, die Voraussetzungen auf eine einfache Formel.


Zudem brauchen Blattkräuter ausreichend Wasser. „Wenn weniger als 700 mm Niederschläge pro Jahr fallen, ist eine Beregnung notwendig“, so Richard Ohmer, Vorsitzender der „EZG Pfalzkräuter“. Er baut Petersilie, Spinat und Winterheckenzwiebeln gerne auf mittelschweren Böden mit guter Wasserhaltefähigkeit an.


Nicht ganz so anspruchsvoll sind die Körner- und Blütenkräuter, wie etwa die Kamille. Sie darf nicht einmal gedüngt werden, weil sie schnell ins Lager geht. Zuckerrüben-Standorte sind deshalb fast zu gut für sie. Zudem sollten die Böden nicht zu schwer sein. Denn fast alle Kräuter haben sehr kleine Samen, die ein feines Saatbeet erfordern. Bei Wurzeldrogen, wie dem Baldrian, kommt es vor allem auf siebfähige Böden an.


Was den Anbau betrifft sind Heil- und Gewürzpflanzen Sonderkulturen und mit Gemüse vergleichbar. Sie benötigen weitgehend unkrautfreie Flächen, weil die Triebkraft des Saatguts oft schwach und ihre Jugendentwicklung langsam ist.


Eine Behandlung mit Herbiziden oder Fungiziden ist zwar möglich, aber die Anzahl der zur Verfügung stehenden Mittel ist begrenzt und ihr Einsatz oft nur mit Ausnahmegenehmigung zulässig. Hinzu kommt, dass Wartezeiten oder die Verpflichtung zur völligen Rückstandsfreiheit den chemischen Pflanzenschutz stark einschränken.


Somit müssen Anbauer häufig mechanisch gegen Unkräuter und Ungräser vorgehen. Hacke und Striegel gehören deshalb zur Ausrüstung von Kräuteranbauern – auch dann, wenn sie konventionell wirtschaften.


In einigen Kulturen ist zusätzlich noch die Handhacke erforderlich. Matthias Schnelle von der Agrargenossenschaft Nöbdenitz veranschlagt zum Beispiel den Zeitaufwand für das Hacken der Pfefferminze auf rund 200 Stunden pro ha. Diese Stundenzahl ist beim Anbau von Öko-Kräutern fast immer nötig. Das bedeutet: Wer Heil- und Gewürzpflanzen anbaut, ist auf Saisonarbeitskräfte angewiesen.


Kein Wunder, dass die Arbeitskapazität in vielen Betrieben der limitierende Faktor ist. „Die Anzahl der Betten für unsere Saison-kräfte begrenzt letztlich den Kräuteranbau in unserem Betrieb“, so Felix Prinz zu Löwenstein, der auf seinem Öko-Betrieb im hessischen Otzberg rund 70 ha Kräuter anbaut.


Trotz aller Bemühungen schlagen ungünstige Witterungsbedingungen bei Kräutern stärker durch. Die Hektarerträge schwanken viel mehr als bei den klassischen landwirtschaftlichen Kulturen. Kräuteranbauer dürfen deshalb bei ihrer Bewertung nicht nur ein Jahr betrachten. Sie müssen immer den Durchschnitt mehrerer Jahre im Blick haben.


Investition in Spezialtechnik:

Wer in den Kräuteranbau einsteigt, muss meist auch noch in Spezialtechnik investieren. Zum Säen setzen die Betriebe zwar in der Regel herkömmliche Drillmaschinen ein. Einige Kräuteranbauer haben sich jedoch Gemüsesämaschinen angeschafft, die besser auf das feine Saatgut und weitere Reihenabstände zugeschnitten sind.


Die Ernte von Blatt- und Blütendrogen ist in der Regel nur mit speziellen Mäh- oder Pflückmaschinen möglich. In vielen Fällen haben die Abnehmer und Verarbeiter der Kräuter selbstfahrende Erntemaschinen gekauft und setzen diese gegen feste Vergütungssätze bei ihren Lieferanten ein. Zum Teil haben Landwirte Maschinengemeinschaften gegründet, damit sie die Spezialmaschinen besser auslasten können.


Weiteres Problem: Weil der Markt sehr klein ist, gibt es bestimmte Spezialmaschinen gar nicht zu kaufen. Den Betrieben bleibt dann nichts anderes übrig, als selbst welche zu konstruieren.


Damit Arznei- und Gewürzpflanzen halt- und handelbar werden, müssen sie getrocknet und aufbereitet werden. Bei Körnerdrogen, wie Fenchel, ist das noch vergleichsweise einfach, weil sich hierfür in der Regel auch herkömmliche Anlagen zur Getreidetrocknung und -reinigung eignen.


Bei Blattkräutern ist die Verarbeitung wesentlich komplizierter, weil die Art der Trocknung und Aufbereitung einen riesigen Einfluss auf die Qualität des Endproduktes hat. Diese Anlagen sind nicht nur sehr j teuer, sondern erfordern auch viel Know-how. Deshalb übernehmen häufig Abnehmer die Aufbereitung. Bei der Erzeugergemeinschaft „Agrimed Hessen“ haben etliche Landwirte selbst in Trocknungsanlagen investiert und trocknen auch für andere Anbauer im Lohn.


Wichtig dabei: Die Anbauflächen sollten von der Trocknungsanlage nicht zu weit entfernt sein. Sonst laufen die Transportkosten aus dem Ruder, und die Qualität des Erntegutes leidet zu sehr. Je nach Kultur sollte die Entfernung 20 bis 40 km nicht wesentlich überschreiten.


Weltweite Konkurrenz:

Keine große Rolle spielen Entfernungen hingegen bei getrocknetem, aufbereitetem Erntegut. Dieses ist lange haltbar und sehr transportwürdig, weil in wenig Volumen und Masse viel Wert steckt. Das führt dazu, dass Arznei- und Gewürzpflanzen global gehandelt werden und die heimischen Landwirte mit den Anbietern weltweit konkurrieren müssen. Im regionalen Absatz läuft hingegen fast nichts.


Deutsche Landwirte stehen somit im direktem Wettbewerb mit Billiganbietern aus Asien, Nordafrika und Osteuropa. Dort ist die Erzeugung mit deutlich niedrigeren Lohn- und Energiekosten belastet, so dass die heimischen Anbauer beim Wettbewerb um den günstigsten Preis kaum eine Chance haben.


Kein Wunder, dass Deutschland noch immer einen Großteil der hier verbrauchten Arznei- und Gewürzpflanzen importiert. „Der Selbstversorgungsgrad über alle Kräuter hinweg liegt bei 12 bis 15 %“, so Kräuterexperte Dr. Wolfram Junghanns aus Aschersleben (siehe Reportage auf S. 75).


Allerdings wenden sich seit einiger Zeit immer mehr Abnehmer aus Sorge vor Lebensmittelskandalen von der Billigstrategie ab und fragen verstärkt zertifizierte heimische Kräuter nach. „30 bis 50 % der Kräuter werden nach dem Motto „Hauptsache billig“ eingekauft, beim Rest spielen die Qualitätskriterien eine große Rolle“, beschreibt Dr. Junghanns die Einkaufspolitik der Abnehmer.


Berater Wolfgang Kaiser, der die „EZG Pfalzkräuter“ und deren Abnehmer berät, beurteilt die Marktchancen für deutsche Anbauer positiv: „Der Markt für Qualitätsware mit Rückverfolgbarkeit wächst.“ Bei einigen Kulturen könne man sogar die Nachfrage nicht komplett bedienen.


Das gilt vor allem für Bio-Ware, obwohl deren Anteil an der gesamten Produktion von Heil- und Gewürzpflanzen in Deutschland in den letzten Jahren bereits auf 15 bis 20 % angestiegen ist.


Trotz dieser Entwicklungen bleibt es für die Erzeuger schwer, gute Preise durchzusetzen. Denn ähnlich wie bei Milch, Fleisch und Getreide nimmt auch bei Arznei- und Gewürzpflanzen die Konzentration auf der Abnehmerseite zu, egal ob es sich um Hersteller von Gewürzen oder Tee oder um die Lebensmittelindustrie handelt. Die Marktpartner verlangen immer größere Chargen, und sie werden immer mächtiger.


Vermarktung bündeln:

Die meisten Anbauer sind dafür gerüstet, weil sie sich in Erzeugergemeinschaften organisiert haben. Ein gutes Beispiel ist die „Agrimed Hessen“, die den Heil- und Gewürzpflanzenanbau von rund 40 Landwirten vermarktet. „Hätten wir keine Erzeugergemeinschaft, würden wir uns gegenseitig kaputt machen“, ist Vorsitzender Ulrich Schimmel überzeugt.


Eine wichtige Aufgabe der Vermarkter ist es nun, die Preissteigerungen bei Getreide, Mais und Raps der letzten Jahre mittelfristig auch für Arznei- und Gewürzpflanzen durchzusetzen. Denn ihr Anbau bleibt nur dann interessant, wenn der Wertschöpfungsvorteil gegenüber den herkömmlichen Kulturen bestehen bleibt. „Im Durchschnitt sollten die Kräuter mindestens doppelt so hohe Deckungsbeiträge bringen wie Weizen“, fordert Dr. Wolfram Junghanns.


Angesichts der wachsenden Nachfra-ge nach hochwertigen heimischen Produkten könnte das mittelfristig auch gelingen.Klaus Dorsch

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