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Mais: Wenn die Krähen kommen…

Lesezeit: 7 Minuten

Nach dem Wegfall der Maisbeize Mesurol nehmen Schäden durch Vogelfraß zu – insbesondere durch Krähen. Wir haben uns umgehört und nachgefragt, was man tun kann.


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Kläglich sieht er aus, der Körnermais auf dem Acker von Wolfgang Engler. Fehlstellen soweit das Auge reicht. „Und das ist schon die zweite Aussaat dieses Jahr“, erzählt der badenwürttembergische Landwirt. Dabei sind die 95 Bodenpunkte mit 750 mm Niederschlag bei Schallstadt-Mengen eine ausgesprochene Gunstlage. Der Grund für das Desaster: Auf Englers Maisflächen haben die Krähen zugeschlagen.


Am 20. April hat er das erste Mal Mais gesät. „Die ersten zwei, drei Tage ist mir gar nichts aufgefallen, vereinzelt kamen Krähen bei uns ja schon immer vor“, so Engler. Und nach 20 Jahren mit Mesurol als Beize habe er auch nicht wirklich mit Schäden gerechnet. Doch dann kam der Schock: Schwärme von Krähen vernichteten die erste Saat auf dem Acker am Hof innerhalb weniger Tage. Sogar das Vorgewende war betroffen, obwohl Engler hier extra Korit-gebeiztes Saatgut verwendet hatte. Und eine weitere Fläche − mit Mais ohne Korit − haben die Krähen leergepickt.


Krähen – Nichts scheint zu helfen


Dabei gingen die Vögel schlau vor: „Man sieht den Zuflug“, erklärt Engler, „es kommen immer vier bis fünf einzelne Krähen und setzen sich. Dann kommen die nächsten, bis es 50 oder 60 Stück auf dem Acker sind.“


Nachgesät hat Engler die Fläche bzw. Teilstücke am 26. Mai, teilweise mit vorheriger Bodenbearbeitung. Um die Vögel fernzuhalten, hat er Flatterbänder als Scheuchen und ein akustisches Vergrämungsgerät aufgestellt. Beides half nichts: Das Gerät wurde ihm vom Acker gestohlen und bei Windstille ließen sich die Krähen von den Bändern nicht beeindrucken. Statt wegzufliegen, nutzten sie die Stangen sogar als Sitzmöglichkeit.


Inzwischen hat Engler eine Abschussgenehmigung für die Fläche. Vier Krähen pro Tag darf ein Jäger zwar schießen – doch sobald dieser sich der Fläche nähert, flattern die Krähen davon. Bei unserem Besuch waren von der zweiten Saat fast 90% weggefressen.


Damit hat Engler doppelte Saatgut- und Aussaatkosten, mehr Aufwand für Pflanzenschutz (durch die Fehlstellen) und trotzdem fast keinen Ertrag. Nächstes Jahr wird hier Weizen stehen. Alternativen zum hohen Maisanteil in der Fruchtfolge sieht der Landwirt eher nicht: Hirse ist ebenso durch Vogelfraß gefährdet, genau wie Sonnenblumen. Raps und Leguminosen haben sich in seiner Region nicht etabliert, sodass er die Vermarktungschancen als schlecht beurteilt. Daher hofft Engler, nach dem Weizen wieder Mais anbauen zu können. Dafür bräuchte er allerdings eine angemessene Lösung gegen die Krähen, die er momentan aber noch nicht sieht.


Vogelschäden treten fast bundesweit auf


So wie Engler geht es vielen Landwirten in Deutschland. „Die Schäden sind dieses Jahr erheblich“, sagt dazu Pflanzenbauberater Dr. Josef Kuhlmann von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Teilweise seien 10 ha-Schläge vollkommen weggepickt, vor allem von Krähen. Zudem spielen Kraniche eine Rolle als Schädling – ein Novum in Niedersachsen. „Wir haben aus Erfahrung und aufgrund der geringen Beizwirkung von Korit schon eine spätere Aussaat empfohlen“, sagt Kuhlmann. Doch genützt hat es nichts: Durch den außergewöhnlich kühlen und nassen Mai entwickelte sich der Mais nicht schnell genug. Nun sind auch Neuansaaten nach Krähenfraß erneut geschädigt. Dass die Krähen selbst an mit Korit gebeizten Mais gehen, könnte laut Kuhlmann auch daran liegen, dass sich auf einzelnen Flächen Drahtwürmer an den Wurzeln befinden. Sie sind eine Delikatesse für die Krähen.


Auch Schleswig-Holstein meldet lokal gravierende Schäden durch Vogelfraß. Fehlstellen seien jedoch auch auf zu tief abgelegten Mais zurückzuführen: Oft wuchsen die Keimlinge zwar zunächst nach oben. Durch die Kälte verdrehten sich aber einige und wuchsen wieder nach unten – der Wärme entgegen. Diese Keimlingsausfälle ließen sich laut Landwirtschaftskammer-Berater Norbert Erhardt auch in Nordrhein-Westfalen beobachten. Selbst unter optimalen Auflaufbedingungen seien kaum mehr als 90 bis 95% Feldaufgang erzielt worden. Und die Vögel tun ihr Übriges. Dabei schädigen Fasane eher vom Feldrand aus, Krähen und Dohlen dagegen eher mitten in den Schlägen. In Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg sind es vor allem Kraniche, die die Bestände traktierten.


Wie viel Fläche ist betroffen?


Schon letztes Jahr – das erste Jahr ohne Mesurol – schädigten Vögel (insbesondere Krähen) und Schwarzwild durch Fraß 16% der Anbaufläche. Das waren rund 440000 ha, wie eine Studie von Dr. Jürgen Rath im Deutschen Maiskomitee e.V. (DMK) ergab. Neu angesät wurden rund 21% der Befallsfläche, 66000 ha aufgrund von Vogelfraß und 8800 ha durch Schäden von Fritfliege und Drahtwurm. Der wirtschaftliche Schaden betrug 2020 rund 30 Mio. €. Es zeichnet sich ab, dass der diesjährige Schaden ähnlich hoch ist. Doch wie viel ha neu angesät wurden, ist zurzeit noch unklar. Die Landwirtschaftskammern wollen die Schäden per Umfrage erheben und beim DMK häufen sich die Meldungen. Zentral erfasst werden die umgebrochenen Flächen dennoch nicht. Das bestätigt auch das Bundesagrarministerium auf Anfrage von top agrar.


Um einen besseren Überblick über die Schäden zu erhalten, können Sie ganz unkompliziert und anonym bei top agrar Ihre umgebrochene Fläche online angeben, unter www.topagrar.com/umbruchbarometer


Das könnte helfen, der Politik klarzumachen, wie dringend die Praxis einen wirkungsvollen Repellent benötigt.


Aktuelle Empfehlungen


Insgesamt sind die Möglichkeiten gegen Vogelfraß begrenzt. Auf Social Media-Kanälen wie Facebook oder Instagram berichten einige Landwirte davon, dass das Anbeizen mit Teebaumöl oder Chilipulver gegen die Vielfraße helfe.


Im Grunde bleibt nur eins: Für zügige Feldaufgänge und eine problemlose Jugendentwicklung sorgen, damit die jungen Maispflanzen schnell die kritische Phase bis zum 4-Blattstadium durchwachsen. Damit das gelingt, müssen laut Berater Erhardt der Humusgehalt, der pH-Wert und die Nährstoffversorgung passen. Entscheidend sei, die Körner auf einen festen, feuchten Saathorizont zu legen (abhängig vom Boden und der Bodenfeuchte rund 4 bis 6 cm tief) und eine ausreichende Abdeckung mit Feinerde zu sichern. Eine zentrale Bedeutung habe der Saattermin: Frühsaaten sind zu vermeiden, weil sie das Zeitfenster für Schäden erweitern. Doch oft genug macht die Witterung den Landwirten einen Strich durch die Rechnung.


Gibt es Chancen auf wirkungsvolle Repellents?


Viele Maisanbauer fragen sich, warum es für die bewährte Maisbeize Mesurol flüssig dieses Frühjahr keine Notfallzulassung gab. Den Grund dafür erläutert Dr. Matheus Thomas Kuska, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen: Die EU-Wirkstoffgenehmigung des in Mesurol flüssig enthaltenen Wirkstoffs Methiocarb ist am 3.10.2019 ausgelaufen. Es können zwar „Notfallzulassungen“ (bei Gefahr in Verzug) von Pflanzenschutzmitteln mit nicht genehmigten Wirkstoffen erteilt werden, jedoch ist die Risikobewertung in solchen Fällen sensibler. Die Entscheidungen der EU-Kommission und deren vorliegenden Begründungen und Datenlage für nicht mehr genehmigte Wirkstoffe ist ein schweres Gegengewicht in der Ermessungsbewertung für eine Notfallzulassung des Bundesamtes für Verbraucherschutzs und Lebensmittelsicherheit.


Die Erfahrung mit den Wild- und Vogelschäden dieses und letztes Jahr zeigen nun aber, dass der Mais einer Gefahr ausgesetzt ist, die zurzeit mit den vorhandenen Pflanzenschutzmitteln oder alternativer Verfahren nicht abgewendet oder kontrolliert werden kann. Bis zur Entwicklung von wirkungsvollen Repellentien oder Verfahren ist eine Notfallzulassung des effektiven Methiocarb als Überbrückung erstrebenswert. Generell ist es wichtig, sich nicht nur auf die vorhandenen Mittel zu stützen, sondern im Sinne des Integrierten Pflanzenschutzes alle verfügbaren Maßnahmen zu nutzen.


Zurzeit arbeiten offensichtlich einige Pflanzenschutzfirmen daran, einen wirkungsvollen Repellent zu entwickeln. Die Herausforderung dabei ist, dass die Mittel die Vögel nur davon abhalten dürfen, die Saatkörner wegzupicken. Der Wirkstoff darf die Tiere selbst aber nicht schädigen. Ob es zur kommenden Saison bereits neue Produkte zur Vogelvergrämung geben wird, ist noch offen. Zusammen mit Landwirt Wolfgang Engler hoffen wir darauf.


friederike.mund@topagrar.com


matthias.broeker@topagrar.com

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