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Mit Nematoden gegen Wurzelbohrer

Lesezeit: 6 Minuten

Der Wurzelbohrer wütet weiter. Auch mit strengen Quarantäneauflagen ist er nicht zu stoppen. Sind bestimmte Nematodenarten die Retter in der Not? top agrar berichtet über erste Erfahrungen mit einem neuen biologischen Präparat.


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Weltweit verursacht der Westliche Maiswurzelbohrer mittlerweile Schäden auf rund 20 Mio. ha Maisfläche, davon allein 13,5 Mio. ha in den USA. Damit hat sich der Käfer zum international wichtigsten Maisschädling gemausert.


Die Schäden nehmen auch europaweit deutlich zu. In Norditalien hat sich die Käferdichte im Jahr 2009 sogar so weit aufgeschaukelt, dass die Populationsdichte bis zu 30 Käfer/Pflanze erreichte. Die Folge waren Ertragsverluste bis zu 30 %.


Käfer auf dem Vormarsch:

Die Franzosen haben im letzten Jahr 220 Käfer in den Regionen Elsass, Rhône-Alpes und Burgund entdeckt. Damit hat sich dort die Zahl im Vergleich zum Vorjahr mehr als verzehnfacht. Wie ist die Befallssituation bei uns?


In Baden-Württemberg hat sich der Schädling im letzten Jahr mit 6 121 Käfern nahezu explosionsartig vermehrt (siehe Übersicht 1). In 2010 waren es gerade einmal 308 Käfer. Betroffen sind vor allem die Landkreise Emmendingen, Lörrach, Ortenaukreis und Breisgau-Hochschwarzwald. Neu hinzugekommen ist der Landkreis Raststatt. Hier gingen erstmals 77 Käfer in die Pheromonfalle.


Entspannter ist die Lage dagegen in Bayern. Mit 174 Käfern im letzten Jahr, ist das Niveau mit dem Jahr 2010 vergleichbar. Die zuständige Behörde musste die Eingrenzungszone hier um die Landkreise Ebersberg und Rosenheim vergrößern.


In Hessen gingen erstmalig 354 Käfer im Landkreis Groß-Gerau in die Falle. Im angrenzenden Rheinland-Pfalz trat ein Käfer im Landkreis Mainz-Bingen auf. In Nordrhein-Westfalen ließen sich die in 2010 punktuell gefangenen Käfer dagegen wieder ausrotten.


Forschung gegen die Plage:

Die EU versucht, dem gefräßigen Käfer mit Quarantänemaßnahmen zu Leibe zu rücken. Erfahrungen belegen, dass sich damit die Ausbreitung des Käfers zwar verzögern lässt. Aufhalten kann man ihn trotz strenger Auflagen aber nicht (s. Kasten, S. 72).


In den betroffenen Regionen sorgt der Quarantänestatus derzeit für folgende Probleme:


  • Die Fruchtfolgeauflagen sind für Betriebe, die sich in einer Befalls- oder Eingrenzungszone befinden, oft teuer. So ist Körnermais im Südosten Bayerns in der Regel die Frucht mit dem höchsten Deckungsbeitrag. Weizen ist in der warmen, strahlungsreichen Region nicht ertragssicher und somit keine echte Alternative.
  • Beim Saatmaisanbau ist eine Flächenrotation schwierig umzusetzen.
  • Die Quarantänevorschrift sieht zwar neben der Fruchtfolgebeschränkung einen Insektizideinsatz vor. Derzeit sind in Deutschland gegen Wurzelbohrer aber weder insektizide Saatgutbeizen noch Granulate gegen die Larven im Boden und auch keine Insektizide gegen die Käfer zugelassen. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) erteilt derzeit lediglich kurzfristige Genehmigungen.
  • Die Bekämpfung mit zeitlich begrenzt verfügbaren Insektiziden per Selbstfahrer verursacht Pflanzenschäden. Außerdem entstehen Kosten für Überfahrt plus Insektizid in Höhe von ca. 55 €/ha.


Hilfe sollen betroffene Maisanbauer jetzt von der Forschung bekommen. So hat das Bundeslandwirtschaftsministerium zusammen mit dem Land Bayern ein umfangreiches Forschungsprojekt aufgelegt. Ein Schwerpunkt liegt darauf, Befall früh zu erkennen, um Gegenmaßnahmen zügig einleiten zu können. Um eine mögliche künftige Ausbreitung und die daraus entstehenden Risiken besser abschätzen zu können, entwickeln Forscher derzeit verschiedene Szenarien. Weitere Untersuchungen befassen sich mit Bekämpfungsmöglichkeiten des Schädlings und denkbaren Anbaualternativen zu Mais.


Nematoden gegen Wurzelbohrer:

Interessant könnte künftig die Bekämpfung von Wurzelbohrer-Larven mit Nützlingen, den so genannten entomopathogenen Nematoden, werden. Dazu steht bereits ein praxisreifes, biologisches Präparat zur Verfügung.


Das Mittel „dianem“ enthält Nematoden (Heterorhabditis bacteriophora), die ausschließlich Insektenlarven befallen. Die Bekämpfung funktioniert wie folgt:


Die im Boden freilebenden Dauerlarven der Nematoden übertragen Bakterien in die Körperhöhle von Wirtsinsekten, in diesem Fall in die Wurzelbohrerlarven. Befallene Larven sterben nach ca. 3 Tagen ab und verfärben sich rot. Die Bakterien vermehren sich in den toten Larven und werden wiederum zur Nahrungsquelle für die Nematoden.


Die nachhaltige Wirkung des Mittels beruht auf der Vermehrung der Nematoden in den Wurzelbohrerlarven. Weil sie nach dem Absterben ihrer Wirte sofort nach weiteren Larven und Puppen in der Umgebung suchen, setzen sie damit eine für die Bekämpfung günstige Kettenreaktion in Gang. Sie wird durch die Schädlingsdichte gesteuert. Das heißt: Je mehr Schädlinge vorhanden sind, desto stärker vermehren sich die Nematoden und umso höher ist der Bekämpfungserfolg.


Die Wirkung des Mittels wird seit 6 Jahren in Feldversuchen in Befallsgebieten in Ungarn, Österreich und Italien geprüft. Hier die Ergebnisse (s. Übersicht 2):


  • Mit dem biologischen Präparat ließen sich die Wurzelschäden um 70 bis 80 % reduzieren.
  • Der Käferschlupf ließ sich um rund 70 bis fast 90 % senken.
  • Die Wirkungsgrade sind mit einer Saatgutbeizung mit Neonicotinoiden oder mit dem Einsatz von Pyrethroidgranulaten vergleichbar.
  • Die Nematoden erzielten gegen die erwachsenen Käfer teils sogar höhere Wirkungsgrade als die chemischen Wirkstoffe.
  • Der Einsatz gefährdet keine anderen Nützlinge, wie z. B. Trichogramma gegen Maiszünsler.


Technik praxisreif:

Inzwischen hat der Hersteller in Zusammenarbeit mit dem LTZ Augustenberg und der Firma cult-tec GbR ein Verfahren entwickelt, das die flüssige Ausbringung der Nematoden in die Saatreihe zur Maisaussaat ermöglicht.


Das zunächst für die Monosem NG plus-Einzelkornsämaschine entwickelte „LIQ-Inject M 1-Injektionsschar“ lässt sich mittlerweile auch an andere Maschinen, wie die Kuhn Planter 2 oder die Kuhn Maxima, anpassen. Die Aufrüstung soll unkompliziert und mit geringem Zeitaufwand durchführbar sein. So ersetzt das neue Injektionsschar lediglich den vorhandenen Schmutzabstreifer der Zwischenandruckrolle.


Das Schar platziert die Nematodensuspension direkt in die Saatrille hinter das Saatkorn auf das durch die Zwischenandruckrolle rückverfestigte Saatbett. Direkt danach wird die Saatfurche verschlossen. Die Nematoden-Suspension lässt sich mit herkömmlicher Pflanzenschutztechnik (Tank, Pumpe, Dosierung) zum Injektionsschar führen und dosieren. Mit der richtigen Dosierblende im Düsenkopf ist es möglich, die 200 l/ha Gesamt-Aufwandmenge präzise auszubringen.


Beim Einsatz müssen Anwender das pulverförmige Präparat (Beutel mit 500 Mio. Nematoden) zunächst in 10 l Wasser auflösen und dann in den Tank der Pflanzenschutzspritze geben. Die Aufwandmenge liegt bei 4 Beuteln/ha (2 Mrd. Nematoden) in mindestens 200 l Wasser/ha. Ist der Boden bei der Aussaat sehr trocken, empfiehlt der Hersteller, die Wassermenge zu verdoppeln.


Eine gleichzeitige Unterfußdüngung ist möglich und wirkt sich nicht negativ auf den Wirkungsgrad der Nematoden aus. Auch Vergällungsmittel oder Fungizidbeizungen beeinträchtigen ihre Wirkung nicht. Eine Liste, welche Wirkstoffe sich mit den Nematoden mischen lassen, ist unter www.e-nema.de dargestellt.


Für wen interessant?

Das Verfahren kostet rund 150 €/ha plus die Ausbringung. Erste positive Erfahrungen haben Lohnunternehmer bereits gesammelt.


Interessant könnte der Einsatz künftig werden, wenn in intensiven Körnermaisregionen größere Ertrags- oder Qualitätsverluste durch Wurzelbohrerbefall auftreten und sich die Fruchtfolge nicht ohne wirtschaftliche Verluste umstellen lässt. Zudem könnte sich das Verfahren auf Saatmaisflächen lohnen, bei denen eine Flächenrotation schwierig ist.


In Österreich hat die Zulassungsbehörde AGES für das Mittel Ende März die Genehmigung nach Gefahr im Verzuge erteilt.


Matthias Bröker in Zusammen-arbeit mit Dr. Peter Baufeld, JKI

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