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Neonics: Die Entscheidung rückt näher

Lesezeit: 5 Minuten

Der Kampf um die insektizide Beizung mit Neonics geht in die letzte Runde. Die Abstimmung, ob Freilandeinsätze verboten werden, soll in der EU am 27. April erfolgen. Ein Verbot würde Rüben anbauende Betriebe hart treffen.


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Obwohl kaum aussprechbar, ist der Name Neonicotinoide (Neonics) mittlerweile bekannt wie ein bunter Hund. Kein Wunder – taucht die Wirkstoffgruppe zurzeit doch im Radio und Fernsehen regelmäßig auf. Schuld daran ist ihre Gefährlichkeit für Bienen.


Kürzlich hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) in ihrem Bewertungsbericht ein hohes Risiko für Bienen und andere Bestäuber durch die drei geprüften Neonics Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam bestätigt. Allerdings stehen die von der EFSA vorgelegten Schlussfolgerungen offensichtlich im Widerspruch zu anderen umfassenden wissenschaftlichen Beurteilungen zur Bienengesundheit, wie etwa der von der US-Umweltschutzbehörde (EPA) oder von der kanadischen Aufsichtsbehörde für Pflanzenschutzmittel (PMRA). Wie geht es jetzt weiter?


Abstimmung über Verbot:

Eine Entscheidung der EU-Mitgliedstaaten über ein mögliches Totalverbot dieser Neonics im Freiland soll noch in diesem Monat fallen. Die EU-Kommission hat das Datum nach derzeitigem Stand (Redaktionsschluss war am 18. April) auf den 27. April vorverlegt, ursprünglich geplant war der 24. Mai.


Deutschland wird dem Vorschlag der EU-Kommission für ein komplettes Freilandverbot wohl folgen. Dies kündigte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) am 16. April über den Nachrichtendienst Twitter an. Sie folgt damit der Empfehlung der EFSA.


Die Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) begrüßte diese Ankündigung. Neonicotinoide schadeten den Insekten und der Natur. Daher ist es gut, diese Wirkstoffe europaweit für das Freiland zu verbieten, erklärte sie.


Die Folgen wiegen schwer:

Was in diesen Diskussionen auffällt ist, dass niemand über den Nutzen der Neonics spricht. Wie folgenschwer so eine Entscheidung sein kann, zeigt sich am Beispiel Raps: In dieser Kultur ist der Einsatz seit mittlerweile vier Jahren unzulässig. Bereits im ersten Jahr (Herbst 2014) nach dem Neonicotinoidverbot mussten Anbauer wegen des hohen Erdflohdrucks etwa fünfmal mehr Rapsfläche mit Pyrethroiden im Herbst behandeln als mit der Beize. Einzelne Schläge wurden bis zu viermal gespritzt – das belegen die damaligen Untersuchungen des Julius Kühn-Instituts (JKI).


Weil gegen Erdflöhe nach wie vor nur Pyrethroide zugelassen sind, schreitet die Resistenz der Käfer gegenüber dieser Wirkstoffgruppe rasant voran. Immer öfter tritt nun eine Resistenz vom sogenannten kdr-Typ (Knock Down Resistenz) auf, das zeigen Ergebnisse des JKI. Diese verändert die Angriffsstelle im Nervensystem der Käfer und ist fast bundesweit verbreitet (oft nur in Teilen von Käferpopulationen). Das heißt: Die häufigeren Pyrethroideinsätze beschleunigen die kdr. Dazu kommt noch die unsichere Wirkung der Pyrethroide bei Wärme. Ab über 15°C nimmt ihre Dauerwirkung merklich ab.


Vor allem in den Rapshochburgen im Norden verursachen der Schädlingsbefall und die erheblichen Folgeschäden nach Angaben des Bauernverbands in Mecklenburg-Vorpommern immer höhere Mindererträge. So sind durch Erdflöhe geschädigte Bestände auswinterungsgefährdeter und anfälliger für Pilze und andere Erreger.


Gegen einen weiteren wichtigen Rapsschädling – der Kleinen Kohlfliege – gibt es seit dem Wegfall der Insektizidbeizen keine Bekämpfungsmöglichkeit mehr.


Dieses Beispiel zeigt, was die Neoncis im Raps vorher geleistet haben. Denn eine Beizung des Saatgutes brachte Schutz vor Erdflohbefall bis zum 4-Blattstadium und verhinderte Schäden durch die Kleine Kohlfliege wirkungsvoll. Jetzt – ohne die Neonics – breitet sich die Pyrethroidresistenz rasend schnell aus. Zudem klaffen Bekämpfungslücken – und das, obwohl es diese nach dem Nationalen Aktionsplan Pflanzenschutz nicht geben darf.


Rüben künftig ohne Schutz?

Betroffen von der anstehenden Entscheidung über ein Totalverbot wären nun vor allem Rüben anbauende Betriebe. Ohne die Neonicotinoid-haltigen Beizen blieben nur die Wirkstoffe beta-Cyfluthrin und Tefluthrin übrig. Diese wirken zwar gegen Bodenschädlinge, allerdings fehlt ihnen eine systemische Leistung. Als Folge bleibt die lang anhaltende Wirkung gegen Blattläuse aus.


Das ermöglicht die Rückkehr von längst in Vergessenheit geratenen Krankheiten, wie den Vergilbungsvirosen. Da der wichtigste Überträger, die Grüne Pfirsichblattlaus, häufig bereits Resistenzen gegen Pyrethroide gebildet hat, wären empfindliche Ertragsverluste wohl nicht zu vermeiden. „Ohne Bekämpfung der Vektoren sind bei frühen Infektionen bis zu 20% geringere Erträge möglich“, so Berater Dr. Hansgeorg Schönberger, N.U. Agrar GmbH.


Auch Biobetriebe würde es treffen. „Bislang profitieren die Biorüben davon, dass Neonics den Druck der Grünen Pfirsichblattlaus auf niedrigem Niveau halten. Dieser Nebeneffekt würde damit verschwinden“, sagt Harald Bauer von der Arge Zuckerrübe Südwest.


Ausblick:

Sollte die Entscheidung über den Einsatz der drei Neonics Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam als Beizanwendung negativ ausfallen, würde das die in massivem Wettbewerb stehenden Rübenanbauer stark treffen. Die Politik würde ihnen damit den Schutz für ihre Saat nehmen, ohne Alternativen aufzuzeigen. Die Auswirkungen könnten ganze Anbauregionen bedrohen.


Kontakt: matthias.broeker@topagrar.com

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