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Neue Einkommensquelle CO2-Zertifikat?

Lesezeit: 5 Minuten

Über zusätzlichen Humusaufbau können Landwirte klimaschädliches CO2 im Boden binden. Ist es sinnvoll, diese Leistung als CO2-Zertifikat zu verkaufen? Dr. Axel Don ist skeptisch.


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Viele Unternehmen wollen künftig klimaneutral arbeiten. Gleichzeitig können Landwirte über den Humusaufbau im Boden klimaschädliches CO2 binden. Wie wird daraus ein Geschäftsmodell?


Herr Don: Über sogenannte CO2-Zertifikate. Die Idee dahinter: Der Landwirt erhöht den Humusgehalt in seinem Acker, eine Firma zertifiziert die realisierte Bindung von CO2 vor Ort, bezahlt dem Landwirt eine Prämie und verkauft die Zertifikate an die Unternehmen weiter. Auf diesem Markt herrscht derzeit Goldgräberstimmung, es ist viel Geld im Umlauf.


Das klingt nach einem guten Zuerwerb für Landwirte, oder?


Herr Don: Derzeit kann ich die Landwirte nur warnen, sich vorschnell auf CO2-Zertifikate einzulassen. Sie sollten Humusaufbau in Ackerböden lieber vorantreiben, um die Fruchtbarkeit zu erhöhen und die Folgen des Klimawandels abzupuffern. Als gesellschaftlicher Beitrag zum Klimaschutz wird er dagegen überschätzt.


Handelt es sich bei den Zertifikaten um Greenwashing?


Herr Don: Das kann man so nicht generell sagen. Aber nicht alle Humuszertifikate, die mit dem Label Klimaschutz werben, tragen auch tatsächlich zum Klimaschutz bei. Manche erfüllen die allgemein anerkannten Qualitätskriterien nicht. Danach muss CO2-Kompensation auf dem Acker zusätzlich, nachweisbar und dauerhaft sein. Außerdem darf sie nicht aus Verlagerungseffekten resultieren.


Welcher Humusaufbau lässt sich auf dem Acker erreichen?


Herr Don: Unter günstigen Bedingungen lässt sich der Gehalt um durchschnittlich 0,5% jährlich steigern. Besonders auf Böden mit hohem Tongehalt, die lange mit organischer Substanz unterversorgt waren, lässt sich relativ schnell Humus aufbauen. In der Praxis kaufen die meisten Landwirte für CO2-Zertifikate Kompost zu. Damit lässt sich der Humusgehalt relativ zügig steigern. Nur: Dieser mit dem Kompost ausgebrachte organische Kohlenstoff steht an anderer Stelle nicht mehr zur Verfügung, es handelt sich um einen Verlagerungseffekt. Auf der CO2-zertifizierten Fläche steigen also die Humusvorräte, auf den Flächen, wo der Kompost erzeugt wurde, sinken sie. De facto findet nur eine Umverteilung von Humus statt, netto gibt es keinen Humusaufbau und damit auch keinen Klimaschutz. ▶


Was ist mit Zusätzlichkeit gemeint?


Herr Don: Bezahlte Humusanreicherungen müssen über die üblichen Maßnahmen hinausgehen. Der Ökolandbau zeigt, wie schwer es ist, zwischen üblichem und zusätzlichem Humusmangement zu trennen. Ökolandwirte erreichen durchschnittlich höhere Humusgehalte als im konventionellen Betrieb. Dies trägt zum Klimaschutz bei, gilt aber als systembedingt im geförderten Bioanbau. Das kann man sich nicht zusätzlich über Humuszertifikate finanzieren lassen. Nachteile haben auch Landwirte, die schon in der Vergangenheit in den Humusgehalt investiert haben. Für sie ist es schwerer, auf ihren Flächen den Humus zu steigern, als auf Böden mit lange vernachlässigten Humusvorräten.


Wie kann der Landwirt den erreichten Humusgehalt aufrechterhalten?


Herr Don: Die Dauerhaftigkeit ist im Ackerbau genau das Problem. Wird die Bewirtschaftung gestoppt, die zum Aufbau geführt hat, zerfällt der Humus wieder. Unkalkulierbar ist auch die Klimaerwärmung. Tritt sie ein, wird sich Humus schneller abbauen als derzeit. Deshalb wäre es fatal, wenn ein Landwirt einen bestimmten Humusgehalt vertraglich garantiert.


Rechnen sich die CO2-Zertifikate?


Herr Don: Ich halte die Preise für die CO2-Zertifikate für noch zu niedrig. Zahlt ein Anbieter z.B. 70 €/ha, wäre damit nicht einmal der Anbau einer Zwischenfrucht gedeckt. Dazu kommt, dass die erste Humusuntersuchung für ein CO2-Zertifikat meist vollständig vom Landwirt zu bezahlen ist, sowie das Risiko, dass es trotz möglicherweise hoher Aufwendungen keinen nachweisbaren Humusaufbau gibt.


Wie läuft der Nachweis der CO2-Einlagerung?


Herr Don: Humusgehalte im Boden zu bestimmen ist aufwendig. Pro Hektar sind rund acht GPS-markierte Bodenproben zu nehmen und zu analysieren. Steigt z.B. der Humusvorrat relativ um 0,5%, erhöht sich der Humusgehalt des Ackerbodens um durchschnittlich nur 0,02%- Punkte, also zum Beispiel von 2,50 auf 2,52%. So kleine Änderungen nachzuweisen ist schwierig. Die Folge: Erst nach zehn Jahren wäre man in einem Bereich, in dem Änderungen zuverlässig nachweisbar sind. Bilanzierende Rechenmodelle zur Humusentwicklung sind zwar kostengünstiger, aber noch etwas unsicherer.


Was raten Sie den Landwirten?


Herr Don: Landwirte sollten vor allem den Wert von Humus für ihren Ackerbau erkennen und nicht so sehr auf die CO2-Zertifikate spekulieren. Für den dauerhaften Humusaufbau für CO2-Zertifikate eignen sich eher Hecken oder zusätzliche Gewässerrandstreifen. Vielleicht könnte man künftig auch darüber nachdenken, Pflanzenkohle einzuarbeiten, die auch bei erhöhten Temperaturen und durch Bodenbearbeitung nur wenig abgebaut wird. Pflanzenkohle ist aber teuer, die Kosten durch den Erlös von Humuszertifikaten derzeit nicht gedeckt. Offene Fragen gibt es auch zu Schadstoffgehalten, geeigneten Substraten, der ökologischen Gesamtbewertung sowie zu den rechtlichen Rahmenbedingungen. Sehr effizient ist auch die CO2-Einlagerung in Moorböden. Diese können bis zu 1000 t Kohlenstoff speichern, im Vergleich zu 100 t in normalen Ackerböden. Wie sich die Anhebung der Wasserspiegel hier mit einer Bewirtschaftung vereinbaren lässt, wird derzeit erforscht.


gesa.harms@topagrar.com

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