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Passt Biodiversität zu Pflanzenschutz?

Lesezeit: 6 Minuten

Um das Insektensterben wirksam zu bekämpfen, sollten sich Umwelt und Landwirtschaft auf Ziele einigen, die für beide Seiten tragfähig sind.


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Wie kann der Pflanzenschutz der Zukunft aussehen, der wirtschaftliche Erfordernisse der Landwirte erfüllt und gleichzeitig die Biodiversität schützt? Das war die zentrale Frage der top agrar-Veranstaltung „Landwirtschaft im Dialog“, die kürzlich in Berlin mit rund 150 Teilnehmern stattfand.


Dass mehr für den Arten- und Insektenschutz getan werden müsse, erklärte Jochen Flasbarth (BMU) in seinem Impulsreferat. Um diese Aufgabe anzugehen, die auch im Koalitionsvertrag steht, wurde vor wenigen Wochen das Aktionsprogramm Insektenschutz im Bundeskabinett verabschiedet. Weil der Schwund der Arten nicht allein auf die Landwirtschaft zurückzuführen ist, enthält das Programm auch Kapitel z.B. zur Verbesserung der Stadtnatur (Insektenschutz entlang von Verkehrswegen) und Lichtverschmutzung.


Dennoch, so Flasbarth weiter, habe die Landwirtschaft beim Insektenschutz eine herausgehobene Bedeutung. Deshalb sei die Liste von gesetzlichen Biotopen um artenreiches Grünland, Streuobstwiesen, Trockenmauern und Steinriegel erweitert worden – diese sollen künftig im Bundesnaturschutzgesetz als geschützte Biotope ausgewiesen werden.


Zusätzlich sollen im Rahmen des Programms Verbote von Herbizid- und Insektzideinsätzen in Schutzgebietskategorien wie Naturschutzgebieten, Nationalparks und FFH-Gebieten gelten. Größere Vogelschutzgebiete seien davon teils ausgenommen (Sache der Bundesländer).


Bessere Programme – Niederlande als Vorbild


Dass die Landwirtschaft bei der Nahrungsmittelproduktion die Artenvielfalt beeinflusst, sagte auch Agrarstaatssekretär Dr. Hermann Onko Aeikens. Sie wirke sich aber negativ und positiv auf die Biodiversität aus. Denn über die zweite Säule und über Agrarumweltmaßnahmen (AUM) sei schon viel Lebensraum geschaffen worden. Vielleicht, so seine Einschätzung, sind die AUM noch nicht intelligent genug konzipiert. Als Beispiel für einen effizienteren Ansatz nannte er die Niederlande. Hier überlässt der Staat den Beteiligten vor Ort die konkrete Ausgestaltung der AUM. So handeln Umwelt- und Landwirtschaftsverbände zusammen mit Landwirten aus, wo und mit welchen Maßnahmen man bestimmte Arten fördern kann. Das BMEL will diesen Ansatz anhand von Modellbetrieben in Deutschland erproben.


Zum Insektenschutzprogramm führte Aeikens aus, dass die geplanten Maßnahmen über einen Mix aus Ordnungs- und Anreizpolitik umgesetzt werden sollen. Zudem seien davon ca. 600000 ha und inklusive aller möglichen Vogelschutzgebiete rund 1,3 Mio. ha betroffen und nicht – wie oft behauptet – 1,8 Mio. ha. Für die Finanzierung der Maßnahmen sollen Gelder in Höhe von 80 Mio. € an die betroffenen Betriebe fließen. Zum Verordnungstext, so Aeikens weiter, wurde bislang allerdings noch keine Zeile geschrieben. Start war am 20. November mit einem runden Tisch.


Ist ein Konsens möglich?


Auf die Frage, inwieweit die Landwirtschaft ihrer Verantwortung hinsichtlich des Artenschutzes bereits nachkommt, erklärte Eberhard Hartelt, Umweltbeauftragter des DBV, dass es schon eine starke Beteiligung an Agrarumwelt- und vielen freiwilligen Maßnahmen gibt. Zudem werden diese in Forschungsprojekten wie F.R.A.N.Z. immer weiter entwickelt. Wichtig ist ihm, dass in der Diskussion die ökonomische Betrachtung nicht zu kurz kommt.


Um die Arten zu schützen, ist eine ausreichende Vergütung für Maßnahmen erforderlich, sagt auch Silvia Bender vom BUND. Ihrer Meinung nach ist für mehr Biodiversität aber auch eine schnelle Umsetzung der Düngeverordnung nötig, um Nitrateinträge zu vermeiden. Gern hätte sie, ebenso wie Jochen Flasbarth, die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln an Biodiversitätsauflagen geknüpft. Eine Alternative dazu sei der Refugialansatz (Schaffung von Rückzugsgebieten für Insekten).


Dass die von der Umweltseite oft geforderte „Anwendungsbestimmung Biodiv.“ rechtswidrig ist, erläuterte Peter Koof von der Kanzlei Koof und Kollegen. Er sagte, dass das Verwaltungsgericht in Braunschweig klargestellt habe, dass es sich bei der Auflage um eine Kompensationsmaßnahme handelt, die einer gesetzlichen Grundlage bedürfe. Da dies nicht der Fall ist, komme der Ansatz, ein mehr an Artenvielfalt über die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln zu regeln, nicht infrage.


Die Debatte allein auf den Insektenschutz zu verkürzen, hält Saori Dubourg, Mitglied des Vorstandes der BASF, für nicht zielführend. „Landwirte haben zusätzlich eine Verantwortung für die Ernährung von Menschen.“ Es komme darauf an, beide Verantwortungsebenen klug übereinzubringen. Weil es zudem neben dem Insektenschwund auch einen Flächenschwund gebe, müsse die Landwirtschaft künftig noch effizienter werden. Dazu gehören ihrer Ansicht nach präzisere Ausbringtechniken für Pflanzenschutz, aber auch die Nutzung von neuen Technologien im Bereich Saatgut.


Zusätzlich – so Saori Dubourg – gibt es mit neuen Wirkstoffen wie Revysol mittlerweile deutliche Verbesserungen im Umweltverhalten. Um solche Wirkstoffe zu erforschen, gebe die BASF jährlich 980 Mio. € aus. Auch biologische Lösungen seien denkbar, deren Effizienz zurzeit aber nur bei 60% liege.


„Hinsichtlich der toxikologischen Aspekte von Wirkstoffen sind wir bereits auf einem guten Weg“, sagte Prof. Dr. Holger Deising von der Universität Halle-Wittenberg. Das zeige sich auch daran, dass die Zulassung eines Wirkstoffs rund 200 Mio. € kostet und ein Drittel davon allein auf die Analyse der Ökotoxizität entfällt. Wichtig ist dem Professor, dass man die Gesellschaft bei den immer komplexeren Zusammenhängen mitnimmt. Wissenschaftler hätten mehr denn je die Aufgabe, die Konsumenten aufzuklären, damit sie Innovationen positiv begreifen.


Das sagen Landwirte


Die Landwirtschaft, so Jürgen Paffen von der Agrargenossenschaft Weißensee, habe sicherlich einen Part bei der Insektendiskussion. Allerdings habe sich im Rahmen der Digitalisierung z.B. im Bereich präzisere Ausbringtechnik in den letzten Jahren enorm viel getan. Nur könne sich nicht jeder diese teure Technik leisten. Bei der Fruchtfolge, so Paffen weiter, sorgt die Zulassungspolitik dafür, dass Fruchtfolgen enger, statt weiter werden. In seinem Betrieb ist z.B. der Anbau von Erbsen wegen des Verbots von Herbiziden nicht mehr möglich.


Das immer mehr Mittel durch immer strengere Auflagen wegfallen, sieht auch Reinhold Hörner, vom Weingut Hörner aus Hochstadt in der Pfalz sehr kritisch. „Wenn wir Krankheiten wie z.B. Peronospora nicht mehr vorbeugend bekämpfen können, gelangt keine Traube bis zur Ernte“, so Hörner.


Sorgen bereitet ihm auch das Insektenschutzprogramm der Koalition. „In meinem Landkreis wären von den geplanten Maßnahmen rund 2500ha betroffen“, sagt er. „Für die Betriebe, die es trifft, steht die Existenz auf dem Spiel. Zudem würde es die gesamte Region schwächen – denn 40% der Wertschöpfung kommen zurzeit aus dem Weinbau und Tourismus.“


matthias.broeker@topagrar.com

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