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Pflanzenschutz: Rechtswidrige Auflagen?

Lesezeit: 6 Minuten

Das Umweltbundesamt fordert, ab dem 1. Januar 2020 biodiversitätsfördernde Auflagen an die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln zu knüpfen. Doch ist das rechtlich überhaupt haltbar?


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Eine sogenannte Anwendungsbestimmung „Biodiv“ an die pflanzenschutzrechtliche Zulassung beantragter Mittel knüpfen – das will das Umweltbundesamt (UBA) bereits zum 1. Januar 2020 politisch durchdrücken. Diese Forderung hat es in sich. Denn im Kern bedeutet dies, dass Landwirte verpflichtet werden sollen, bei Einsatz eines Mittels mit dieser Auflage auf 10% ihrer gesamten Ackerfläche auf eine konventionelle Bewirtschaftung zu verzichten.


Hintergrund sind angeblich auftretende indirekte Effekte der Pflanzenschutzmittel auf die biologische Vielfalt in der Agrarlandschaft. So reduziere der Einsatz das Nahrungsangebot für Wildtiere, weil die Produkte Ackerbegleitkräuter und Insekten beseitigten. Die Folge seien sinkende Populationen.


Nach Auffassung des UBA ließen sich diese Nachteile dadurch kompensieren, indem Landwirte 10% ihrer gesamten Ackerfläche als sogenannte Biodiversitätsausgleichsflächen ausweisen. Entweder – so die Vorstellung des UBA – lässt der Landwirt diese Fläche als selbstbegrünte Brache unbewirtschaftet liegen oder er bewirtschaftet sie stark eingeschränkt. Das heißt, dass er z.B. unbewirtschaftete Ackerrandstreifen, Ackerwildkraut-Schutzäcker, nicht bewirtschaftete Insellagen im Acker und/oder Blühflächen schafft.


Heftiger Rechtsstreit


Das für die Erteilung der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln zuständige Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hält zwar die Anwendungsbestimmung „Biodiv“ für unzulässig. Da aber das UBA für die Zeit nach dem 1. Januar 2020 sein Einvernehmen für beantragte Zulassungen ohne diese Bestimmung verweigert, hat das BVL die Zulassungen nur bis zum 31. Dezember 2019 erteilt. Betroffen davon sind derzeit 31 Mittel. Das heißt: Nach dem Datum fallen diese Produkte weg, wenn es zu keiner Einigung zwischen UBA und BVL in dieser Frage kommt.


Gegen das UBA-Vorhaben sind beim Verwaltungsgericht Braunschweig derzeit mehrere Klagen anhängig. Darin fordern die Inhaber der betreffenden Zulassungen, dass die Bescheide auch über den 31. Dezember 2019 hinaus ohne die „Biodiv“-Bestimmung gültig bleiben.


Handelt das UBA rechtswidrig?


Aus juristischer Sicht sprechen viele Gründe dafür, dass die vom UBA eingeforderte „Biodiv“-Bestimmung rechtswidrig ist. Hier das Wichtigste:


  • Wer eine Anwendungsbestimmung festlegt, muss dies naturwissenschaftlich begründen. Die Prüfung erfolgt nach dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik, verfügbare Leitlinien sind dabei zu berücksichtigen.Die Kompetenz, um solche Prüfmethoden festzulegen, liegt bei der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA).


Bislang hat die EFSA keine wissenschaftliche Methode herausgegeben, die indirekte Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und das Ökosystem berücksichtigt. Demnach gibt es keine rechtlich anerkannte Bewertungsmethode, aus der sich die Anlage einer Biodiversitätsfläche naturwissenschaftlich begründen ließe.


  • Hinzu kommt, dass die geltende europäische Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 nur die unmittelbaren Auswirkungen eines Pflanzenschutzmittels auf den zu behandelnden Acker und angrenzender Nachbarflächen bewertet. Sie beinhaltet aber keine Regelung, die das Vorhalten einer Kompensationsfläche außerhalb der behandelten Fläche vorsieht. Das heißt: Die Zulassung eines Mittels kann rechtlich nicht mit der Auflage versehen werden, den Landwirt zu verpflichten, an anderer Stelle seines Betriebes Biodiversitätsflächen vorzuhalten.
  • Entgegen der Auffassung des UBA ist die „Biodiv“-Bestimmung auch keine zulässige Risikominderungsmaßnahme. Zwar sieht die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 generell solche Maßnahmen vor. Allerdings beziehen sich diese auf das tatsächlich ausgelöste Risiko beim Einsatz eines Mittels auf der betreffenden Fläche. Unannehmbare Risiken für Mensch, Tier und Umwelt will man damit ausschließen. Solche Maßnahmen werden in jedem Zulassungsverfahren eines Pflanzenschutzmittels geprüft und erforderlichenfalls angeordnet. Weil es hierbei nur um direkte Effekte geht, ist die „Biodiv“-Bestimmung, die zusätzlich indirekte Effekte kompensieren soll, eine nicht zulässige Risikominderungsmaßnahme.


Zwischenfazit: Das Zulassungsrecht für Pflanzenschutzmittel ist auf europäischer Ebene harmonisiert. Auch der Mitgliedsstaat Deutschland ist nicht berechtigt, entgegen des klaren Regelwerks der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 und deren Begleitregelungen eigene Anforderungen an die Zulassungsfähigkeit eines Pflanzenschutzmittels zu kreieren.


Auch die nationale Regelung des § 36 Pflanzenschutzgesetz rechtfertigt keine „Biodiv“-Auflage. Zwar dürfen demnach national gewisse Bestimmungen gefordert werden. Diese beziehen sich aber auf die Art und Weise der konkreten Nutzung des Mittels und sehen nicht vor, Ausgleichsflächen anordnen zu können. Daher gibt es  keine gesetzliche Grundlage, die deutsche Behörden berechtigen würde, die Anwendungsbestimmung „Biodiv“ zur Auflage einer pflanzenschutzrechtlichen Zulassung zu machen.


Auch verfassungsrechtlich bedenklich


Die UBA-Methode verstößt zudem gegen das Willkürverbot. So soll die „Biodiv“-Bestimmung nach UBA-Aussagen bei Mitteln gelten, bei denen „die Feldaufwandrate zu einem mindestens 50%igen Effekt bei den relevanten ökotoxikologischen Testorganismen führt“. Nicht definiert ist, ab wann von einem hohen Risiko indirekter Auswirkungen auszugehen ist. Daher ist nicht klar, welches Pflanzenschutzmittel von der „Biodiv“-Auflage betroffen sein wird. Nach gegenwärtigem Stand ist zu befürchten, dass der größte Teil der Herbizide, viele Insektizide und ein Teil der Fungizide darunter fallen.


Die Folge ist, dass es bei Einsatz sehr vieler zugelassener Pflanzenschutzmittel dem Landwirt verboten ist, 10% seiner Ackerfläche konventionell zu bewirtschaften. Wirtschaftlich verlangt das UBA vom Landwirt, bei gleichbleibenden Fixkosten auf 10% seiner Einnahmen zu verzichten. Dies ist ein massiver Eingriff in das Eigentumsrecht, der die Grenze zur verfassungsrechtlich abgesicherten Eigentumsgarantie überschreitet. Es handelt sich um einen enteignungsgleichen Eingriff, der nach dem europäischen und deutschen Grundrecht ohne Entschädigung unzulässig ist.


Bärendienst für die Artenvielfalt


Selbst für das Erreichen ökologischer Ziele ist die UBA-Forderung kontraproduktiv. Denn sie konkurriert mit der ELER-Verordnung (VO (EU) 1305/ 2013). Waren zusätzliche ökologisch/biologische Bewirtschaftungsverfahren bislang freiwillig und über Beihilfezahlungen belohnt, würden diese Leistungen nun vorgeschrieben. Damit entfiele der Anspruch auf ELER-Förderung.


Probleme würde die „Biodiv“-Auflage auch im Verhältnis zu Feldnachbarn nach sich ziehen. Verunkrautet eine „Biodiv-Fläche“, könnte der Nachbar Schadensersatzansprüche wegen eines Unkrautsamenfluges geltend machen (entgangener Gewinn). Das bedeutet, dass derjenige Landwirt, der Biodiv-Flächen anlegt, auch noch mit nachbarlichen Ansprüchen auf Schadensersatz konfrontiert wäre.


Letztendlich stößt die Auflage auch in fachlicher Hinsicht auf Bedenken. So ließ sich bislang nicht klären, welcher Anteil der Pflanzenschutz am Rückgang der Arten hat. Positive Wirkungen des erst vor wenigen Jahren eingeführten Greenings wurden ebenfalls nicht bewertet. Inwieweit zudem die „Biodiv“-Auflage dazu beitragen kann, das erklärte Ziel zu erreichen, bleibt offen.


Geht der Kelch an uns vorbei?


Die angeführten Gründe lassen an der Sinnhaftigkeit der Anwendungsbestimmung „Biodiv“ stark zweifeln – ganz abgesehen von den enormen wirtschaftlichen Folgen für die Landwirtschaft. In mehreren Rechtsstreitigkeiten werden wir alles daran setzen, dass dieser Kelch an der Landwirtschaft vorbeigeht.


Aber selbst wenn die Rechtssprechung ebenfalls zum Ergebnis kommt, dass die Auflage rechtswidrig ist, dürfte das Thema noch nicht vom Tisch sein. Zurzeit arbeitet das Bundeslandwirtschaftsministerium und -umweltministerium zusammen mit der Bundesregierung an einem Entwurf einer Rechtsverordnung. Wie diese inhaltlich aussieht, wird auch vom Ausgang der Gerichtsverfahren abhängen. Ob die Rechtsverordnung den Landwirt verpflichten soll, eine Art „Biodiv“-Auflage einzuhalten, wäre zu klären.


matthias.broeker@topagrar.com

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