Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Sonstiges

Stilllegung 2024 Agrardiesel-Debatte Bürokratieabbau

topplus Aus dem Heft

Qual der Wahl bei den Gerstensorten im Süden

Lesezeit: 11 Minuten

Bei der Sortenwahl gilt es, je nach Verwertungsrichtung und Krankheits- bzw. Virusdruck der Flächen, die passende Kombination bei den jeweiligen Eigenschaften zu finden. Resistenzen werden dabei immer wichtiger. Welche Sorten sich empfehlen, weiß unser Autor.


Das Wichtigste zum Thema Ackerbau dienstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Süddeutschland mit seinen heißen und trockenen Sommern, die häufig zu einer kurzen Kornfüllungsphase mit beschleunigter Abreife führen, ist nach wie vor ein Hauptanbaugebiet für zweizeilige Wintergerste. Den allergrößten Anteil setzen Landwirte in der Mast ein, nur ein kleiner Teil (2%) erfährt als Winterbraugerste eine andere Art von Veredelung. Trotz des etwas niedrigeren Ertrages stehen die Zweizeiler auf mehr als 80% der Wintergerstenfläche. Diese Beliebtheit beruht vor allem auf der besseren Strohstabilität und Kornqualität, was einen etwas intensiveren Anbau besonders für viehhaltende Betriebe ermöglicht.


Neuere mehrzeilige Sorten haben aber inzwischen ebenfalls gute Kornqualitäten bei ordentlicher Standfestigkeit zu bieten. Welche Sorten sich im Wettbewerb um eine offizielle Anbauempfehlung besonders hervorheben, zeigen die Landessortenversuche (LSV) in Bayern.


Sortenversuche in Bayern


In Bayern gibt es getrennte Versuche für zwei- und mehrzeilige Wintergersten, da Wert darauf gelegt wird, jede der beiden Formen hinsichtlich Düngung und Pflanzenschutz optimal zu behandeln. Die Bestandesführung bei den zweizeiligen Sorten zielt auf eine höhere Bestandesdichte ab, die Mehrzeiler sollen mit moderater Halmzahl und großen Ähren ihren Ertrag bringen.


Die Versuche wurden in zwei Behandlungsstufen durchgeführt. In der Stufe 1 wird auf Fungizide verzichtet und Wachstumsregler reduziert eingesetzt, in Stufe 2 werden Fungizid- und Wachstumsreglermaßnahmen ortsüblich durchgeführt. Die Düngung erfolgt in beiden Stufen ebenfalls ortsüblich.


Das mehrzeilige Sortiment war in Bayern 2019/2020 auf sechs Standorten angelegt. Leider ließen sich zwei davon wegen witterungsbedingter Ausfälle nicht auswerten. Der Versuch für die zweizeiligen Wintergersten wurde an neun Standorten angelegt, davon fielen ebenfalls witterungsbedingt insgesamt vier Orte für die Auswertung aus.


Eigene Versuche für Winterbraugersten


Im Bundesland mit der größten Anbaufläche für Braugerste in Deutschland gibt es schon seit Jahren eigene Versuche, um Winterbraugersten zu prüfen. An vier der LSV-Standorte werden die Sorten mit reduzierter N-Düngung angebaut, um den Eiweißgehalt für eine gute Malzqualität gering zu halten. Damit ist ein guter Vergleich von Erträgen und Qualitäten der Winterbraugersten möglich. Zum Anbau empfehlen wir Winterbraugerstensorten, bei denen die Braugerstengemeinschaft die gute Verarbeitungsqualität bestätigt.


Viruskrankheiten nehmen zu


Durch die milde Winterwitterung traten in den letzten Jahren Verzwergungsvirosen verstärkt auf. Die Maßnahmen, die man gegen diese Krankheit treffen kann, sind sehr eingeschränkt. Insektizide Beizen sind nicht zugelassen. Eine Insektizidbehandlung im Herbst kann die Blattläuse als Überträger des Gerstengelbverzwergungsvirus kontrollieren, aber nicht die Zikaden, die für das in Gerste ebenfalls häufig auftretende Weizenverzwergungsvirus verantwortlich sind. Gegen letzteres gibt es derzeit keine Resistenz in den Sorten, wohingegen immerhin vier Sorten auf dem Markt sind, die eine Resistenz gegen das Gerstengelbverzwergungsvirus tragen. Diese Sorten reichen aber im Ertragsvermögen noch nicht an die empfohlenen Sorten heran. In gefährdeten Regionen oder bei sehr früher Saat können Sie aber immerhin auf solche Sorten zurückgreifen. Ansonsten bleibt nur, den Saattermin soweit wie möglich hinauszuschieben, damit es den Insekten für größere Aktivität zu kalt ist.


Blattgesundheit rückt in den Vordergrund


Vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Forderungen nach Reduzierung bzw. Einstellung von Pflanzenschutzmaßnahmen, die in Bayern 2019 im Volksbegehren „Rettet die Bienen“ Ausdruck gefunden haben, ist es heute wichtiger denn je, bei der Sortenwahl auf Resistenzen gegen die wichtigsten Krankheitserreger zu achten. Auch legen einige Marktpartner inzwischen schon besonderen Wert auf eine nachhaltige Erzeugung der Rohstoffe.


An erster Stelle der Blattkrankheiten steht das Schadbild des Pilzes Ramularia collo cygni (RCC), der sich bedingt durch den Klimawandel immer weiter ausbreitet. In Süddeutschland sind mittlerweile alle Anbauregionen betroffen. Praktiker berichten von Ertragseinbußen zwischen 10 und 20%. Da es zunehmend schwieriger wird, die Blattkrankheit durch chemische Pflanzenschutzmittel zu kontrollieren, ist es ratsam, gerade in Bayern auf Sorten zu setzen, die in der Reaktion auf Ramularia besser abschneiden.


Seit dem letzten Jahr stuft die Beschreibende Sortenliste des Bundessortenamtes (BSA) die Anfälligkeit für Ramularia ein. Das Gros der bewerteten Sorten liegt auf der Boniturskala von eins (resistent) bis neun (anfällig) im Bereich der mittleren Noten vier bis fünf. Bei den Mehrzeilern finden sich wenige mit besserer Einstufung, die allerdings wegen anderer Unzulänglichkeiten nicht empfehlenswert sind. Bei den zweizeiligen Sorten weisen sogar einige eine Anfälligkeit von sieben auf.


Entscheidungskriterien


Die regionale Prüfung und die amtliche Empfehlung für die Anbaugebiete bieten eine hervorragende Datengrundlage, um die passende Sorte zu finden. Die neutrale, umfassende Prüfung in den LSV stellt mit ihren Ergebnissen zu Ertrag und Sortenbeurteilung die verlässlichste Informationsquelle dar.


Für Wintergerste gibt es eine Reihe von Verwertungsrichtungen, welche die Sortenwahl beeinflussen:


  • Wird die Gerste im eigenen Betrieb verfüttert, kommt häufig eine ertragsstärkere mehrzeilige Sorte in Betracht.
  • Wollen Sie das Erntegut verkaufen, stehen eine gute Sortierung und ein hohes Hektoliter(hl)gewicht im Vordergrund der Überlegungen. Hier kommt eher eine Zweizeilige mit guter Kornqualität in Betracht.
  • Betriebe, die Gülle auf die Wintergerste ausbringen, achten besonders auf kurzstrohige, standfeste Sorten.
  • Als neues Zuchtziel wird gerade die Proteinqualität der Wintergerste diskutiert. Durch bessere Verwertung des höherwertigen Proteins in der Schweinemast lässt sich die N-Menge in der Gülle reduzieren, wodurch Sorten mit guter Eiweißqualität einen Beitrag leisten können, die N-Bilanz im Betrieb zu optimieren. In Zukunft könnte also auch die Eiweißqualität bei der Sortenwahl eine Rolle spielen.
  • Für die Verwertung als Winterbraugerste sind niedrige Eiweißwerte ein Muss. Nachfrage seitens der Mälzer und Brauer gibt es genug. Wem es gelingt, die entsprechenden Sorten mit guten Eiweißgehalten zu ernten, findet in der Winterbraugerste eine interessante Verwertungsmöglichkeit. Es empfiehlt sich jedoch, diese nur mit Vorvertrag anzubauen.


Insgesamt stehen für die verschiedenen Verwertungsrichtungen ausreichend empfohlene Sorten zur Verfügung. Die vollständigen Ergebnisse der LSV finden Sie auf der Homepage der LfL unter: www.lfl.bayern.de/ipz/getreide


Eigenschaften ausgewählter Zweizeiler


  • Langjährig Spitzenreiter bei der Anbaufläche in Bayern ist die Sorte Sandra. Mit Relativerträgen zwischen 96 und 100% hebt sie sich durch ihre hervorragende Sortierung von den anderen Sorten ab. Darüber hinaus besitzt sie ein gutes hl-Gewicht, ein hohes Tausendkorngewicht (TKG) und ein schön ausgebildetes Korn. Die Widerstandsfähigkeit gegen Zwergrost und die Winterhärte sind dagegen mittel bis gering. Wie die meisten früher reifenden Sorten wird sie als anfälliger für Ramularia eingestuft.
  • California ist in der behandelten Stufe 2 etwas ertragsstärker als Sandra und SU Vireni, erreicht aber mit etwas schwächeren Werten bei Sortierung und hl-Gewicht nicht deren Kornqualität. Sie weist eine mittel bis gute Standfestigkeit und Ährenstabilität sowie eine geringe Neigung zu Halmknicken auf. In der Reife ist sie etwas später.
  • SU Ruzena bringt Relativerträge zwischen 96 und 100%. Das frühe Ährenschieben und die frühere Reife gilt es bei der Bewertung der mittel bis schlechten Note bei Ramularia zu berücksichtigen. Bei der kurzstrohigen Sorte ist wegen der mittleren bis geringen Ährenstabilität Überständigkeit zu vermeiden.
  • SU Vireni realisiert Erträge, die leicht unter dem Versuchsmittel liegen. Ihre Bewertungen in den Merkmalen hl-Gewicht, Marktwarenanteil und TKG sind dagegen gut. Für Zwergrost und Ramularia zeigt sie sich anfälliger. Im LSV hat sie die beste Standfestigkeit und Halmstabilität und eignet sich deshalb besonders für Güllebetriebe und Standorte, die viel Stickstoff nachliefern.
  • KWS Moselle liefert ansprechende Erträge und hohe hl-Gewichte. Nicht so günstig sind ihre mittlere Standfestigkeit und Halmstabilität. Sie besitzt eine gute Zwergrostresistenz aber nur eine mittel bis geringe Resistenz gegen Ramularia.
  • KWS Infinity wurde in Bayern nur auf den nördlichen LSV-Standorten geprüft. Sie liefert dort in der behandelten Stufe 2 einen Relativertrag von 102%. In Stufe 1 erreicht sie das Versuchsmittel jedoch nicht ganz. Die Kornqualität mit unterdurchschnittlichem hl-Gewicht und Sortierung fällt im Vergleich zu den anderen Zweizeilern etwas ab und erreicht etwa das Niveau von California. Die mittel standfeste und mittel halmstabile Sorte wird etwas stärker von Ramularia befallen. Ihre Resistenz gegen Mehltau ist gering.
  • LG Caspari stand nur im Tertiärhügelland/Gäu im Versuch und realisiert dort knapp mittlere Erträge. Die schlechte Note bei Ramularia hängt auch mit dem frühen Ährenschieben und der etwas früheren Reife zusammen. LG Caspari besitzt eine gute Mehltauresistenz, zeigt aber trotz ihres kurzen Strohs nur eine mittlere Standfestigkeit sowie eine schwächere Halmstabilität.
  • Padura stand nur auf den Verwitterungsstandorten Südost und präsentierte sich dort ertraglich im Mittelfeld. Neben einer guten Sortierung besitzt sie auch ein hohes TKG. Padura weist eine geringe Anfälligkeit für Zwergrost und Netzflecken auf, hat aber keine Resistenz gegen die bodenbürtigen Gelbmosaikviren. Deshalb sollten Sie sie nur auf befallsfreien Flächen anbauen.
  • Valerie erreicht im Ertrag nicht ganz das Sortimentsmittel, kann aber mit einem hohen hl-Gewicht und TKG sowie mit einer guten Sortierung punkten. In der Standfestigkeit und der Strohstabilität gehört sie nicht zu den Besten und auch gegen Zwergrost und Ramularia ist die Resistenz unterdurchschnittlich. Valerie ist sowohl gegen das bodenbürtige Gelbmosaikvirus Typ 1 als auch gegen Typ 2 resistent. An Standorten, die mit Virustyp 2 befallen sind, hat der Anbau dieser Sorte Vorteile.


Mehrzeiler für den Süden


  • KWS Meridian bringt im Vergleich zu den anderen Mehrzeilern Relativerträge von 96 bis 100%. Mit ihrem als mittel eingestuften hl-Gewicht bleibt sie unter dem Niveau der Zweizeiler. Ungünstig ist ihre Neigung zu Lager und Halmknicken. Die für Netzflecken anfälligere Sorte verfügt aber über eine mittel bis gute Ramulariaresistenz sowie über eine überdurchschnittliche Winterhärte.
  • SU Ellen, mit Relativerträgen zwischen 94 und 99%, liefert einen hohen Marktwarenanteil, aber das schwächste hl-Gewicht im Versuch. Sie ist eine der standfestesten im mehrzeiligen Sortiment, jedoch mit Neigung zu Ährenknicken. Die schwach bestockende, etwas früher reifende Sorte erweist sich anfälliger für Zwergrost. Für den Anbau auf befallenen Flächen ist die Sorte interessant, weil sie gegen die bodenbürtigen Gelbmosaikvirustypen 1 und 2 resistent ist.
  • KWS Higgins erzielt Relativerträge von 99 bis 103%. Im Vergleich der Mehrzeiler zählt sie mit der guten Sortierung und dem mittleren bis hohen hl-Gewicht zu den Sorten mit besserer Kornqualität. Ihre Resistenz gegen Ramularia ist überdurchschnittlich. Weniger günstig sind die schwächere Standfestigkeit und Halmstabilität sowie die sehr geringe Zwergrostresistenz.
  • Die Hybridsorte Toreroo, die wie alle Hybriden auf Wunsch des Züchters um 25% dünner gesät wurde, reiht sich im Ertrag im Mittelfeld ein. Mit mittleren Einstufungen bei hl-Gewicht und TKG erreicht sie bei diesen Merkmalen nicht ganz das Niveau der schwächsten zweizeiligen LSV-Sorten. Die mittel bis gut standfeste Hybride neigt stärker zu Ährenknicken kann aber mit einer guten Blattgesundheit, insbesondere bei Zwerg​rost punkten. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sind das Verbot des Nachbaus von Hybridsaatgut und die Saatgutkosten zu berücksichtigen.


Empfehlung für Winterbraugersten


Auch in Deutschland hat das Bundessortenamt bereits mehrzeilige Winterbraugerstensorten zugelassen. Diese müssen sich aber im Anbau und der Verarbeitung noch bewähren. Daher werden in Absprache mit den Braugerstenvereinen bisher nur folgende zweizeilige Winterbraugersten für den Anbau amtlich empfohlen:


  • KWS Liga hat ein insgesamt ausgeglichenes Qualitätsprofil auf einem hohen Niveau. Sowohl in der Eiweißlösung als auch in der Zellwand- und Stärkelösung liefert sie 2020 mittlere bis gute Werte. KWS Liga zeigt auch für Extrakt und Endvergärung sowie für den Beta-Glucangehalt gute Werte. Das dreijährige Mittel bestätigt diese Aussage und zeigt insbesondere mit hohem Friabilimeter und niedrigem Brabender, dass die gute Einstufung gerechtfertigt ist.
  • Nach drei Prüfjahren weist die neuere Sorte KWS Somerset einen etwas überdurchschnittlichen Eiweißgehalt auf. Sie zeigt auch mehrjährig eine gute Zellwandlösung, was durch die geringe Viskosität bestätigt wird. In der Kornqualität und insbesondere im Vollgerstenanteil weist die Sorte überdurchschnittliche Werte auf.


Insgesamt fallen die Winterbraugersten im Kornertrag gegenüber den Futtergerstensorten ab, vor allem wenn man sie qualitätskonform mit weniger Stickstoff düngt. Diese Ertragseinbußen sollten sich aber durch entsprechende Preise für die Braugerste ausgleichen lassen.


anne-katrin.rohlmann


@topagrar.com

Die Redaktion empfiehlt

top + Letzte Chance: Nur noch bis zum 01.04.24

3 Monate top agrar Digital + 2 Wintermützen GRATIS

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.