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Rohrschwingel statt Deutsch Weidelgras?

Lesezeit: 10 Minuten

Auf wechselfeuchten, nassen Standorten eignet sich Rohrschwingel oft besser als Deutsches Weidelgras. Wie leistungsfähig dieses „Ungras“ ist, darüber informiert Dr. Heidi Jänicke,


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Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mecklenburg-Vorpommern.


Versuchs-Details
 Die Mischungsvergleiche haben wir als einfaktorielle Blockanlage mit vier Wiederholungen angelegt und nach der Ansaat praxisüblich bewirtschaftet. Die Nutzung erfolgte mit jährlich vier Schnitten. Die N-Düngung lag bei 120 bis 
180 kg N/ha je Jahr. Die übrigen Nährstoffe haben wir in Höhe des Nährstoffentzuges bzw. darunter gegeben.



Ist der Rohrschwingel eine Alternative zu Futtergräsern, die seit Jahren ihren Stammplatz in Saatmischungen und Grünlandnarben haben? Als Futterproduzenten fordern wir von unseren Grünlandbeständen hohe TM-Erträge und beste Futterqualität bei möglichst lang ausdauernden Beständen und das alles kostengünstig. Weil wir mit der Leistung unserer Grünlandbestände oft nicht zufrieden sind, suchen wir laufend bessere Lösungen.

Ursache für unzureichende Resultate vom Grünland ist häufig eine mangelhafte Bestandeszusammensetzung. Die klassische Empfehlung zur Verbesserung lautet: Weidelgrasreiche Bestände schaffen und erhalten!

Zu Recht dominiert das Deutsche Weidelgras wegen seiner Leistungsstärke in Ertrag und Qualität die Mischungen. Allerdings ist es nicht für alle Standorte uneingeschränkt zu empfehlen. Im Nordosten Deutschlands wird vor allem Niedermoor als Grünland genutzt. Hier gehört das Deutsche Weidelgras von Natur aus nicht hin, da es stark auswinterungsgefährdet ist. Die Gräserzüchter waren in den letzten Jahrzehnten bestrebt, für Niedermoor geeignete Sorten zur Verfügung zu stellen und haben deutliche Fortschritte erzielt.

Allerdings mussten wir auch beobachten, dass selbst Sorten, die zuständige Landeseinrichtungen für den Einsatz auf Moorstandorten empfehlen, in harten Wintern an ihre Grenzen stoßen. Auf Niedermoorgrünland steht daher an erster Stelle der Ansaatempfehlungen, nicht allein auf Deutsches Weidelgras zu setzen und wenn, dann nur Sorten mit ausgewiesener Mooreignung zu verwenden. Ist vor diesem Hintergrund der Rohrschwingel auf Weidelgras-unsicheren Lagen eine Alternative?



Der Exot Rohrschwingel: Lange als Ungras verrufen, ist der Rohrschwingel in den letzten Jahren verstärkt ins Blickfeld gerückt. Das ausdauernde, hochwüchsige Obergras gehört zu den Horstbildnern. Die starken Horste entwickeln teilweise unterirdische Ausläufer und sind wintergrün. Die Blätter sind hart, zäh und teilweise verkieselt. Darum verschmähen Weidetiere die herkömmlichen Rohrschwingel. Diese gelten als ungeeignet für die Frischverfütterung.

In der Blatthärte unterscheiden sich mittlerweile die natürlich vorkommenden Rohrschwingel und die gezüchteten Sorten. Bei diesen gibt es wiederum deutliche Unterschiede. Der Rohrschwingel gilt als

• sehr wüchsig, vital, robust und konkurrenzstark;

• winterfester und ausdauernder als andere Arten;

• gegen Nässe und Trockenheit wenig empfindlich, er kommt mit wechselfeuchten Verhältnissen gut zurecht.

Wegen dieser positiven Eigenschaften haben wir den Rohrschwingel als Futtergras für Moorstandorte untersucht. Ausdauer und Winterfestigkeit sind für Ansaaten unter den widrigen Bedingungen der Niedermoorstandorte besonders wichtig. Hier müssen sie noch langlebiger sein.

Im Artenvergleich machte Rohrschwingel zunehmend mit sehr hohen Ertragsleistungen auf sich aufmerksam. Doch die Kritik an der mangelnden Futterqualität bleibt. Neuere Angebote der Gräserzüchtung sind als sogenannte weichblättrige Sorten beschrieben. Ihre Futterqualität soll besser sein.

Ziel unserer Untersuchungen ist, die Ansaatmöglichkeiten auf nordostdeutschem Grünland zu überprüfen. Dabei geht es auch darum, die aktuellen Rohrschwingel-Sorten bzw. -haltigen Mischungen auf ihr Ertragsvermögen, ihre Futterqualität, Narbenbeschaffenheit, Ausdauer und ihr Konkurrenzverhalten sowie ihre Eignung für nordostdeutsche Standort- und Nutzungsverhältnisse zu testen. Hier erste wichtige Ergebnisse.



Hohes Ertragspotenzial: Die Ertragsmessungen bestätigen das hohe Leistungsvermögen des Rohrschwingels. Die durchschnittlichen TM-Jahreserträge für vier Varianten aus dem fünfjährigen Vergleich von elf Ansaatmischungen entnehmen Sie Übersicht 1, Seite 83. Die Rohrschwingelhaltige Mischung enthielt 50 % Rohrschwingel und zeigte in den Aufwüchsen um 80 % Rohrschwingel (bis mind. 60 %). Sie ist den bewährten Standardmischungen gegenübergestellt. Wie den Details zum Versuch zu entnehmen ist (Kasten auf Seite 82), erfolgte nur eine Bewirtschaftung mittlerer Intensität. Das bedeutet: Die ermittelten Erträge lassen sich auch in der Praxis auf vergleichbaren Standorten durchaus erreichen, wenn eine angepasste Pflege, Düngung und Nutzung erfolgt. Eine insgesamt günstige Wasserversorgung förderte die Ertragsbildung. Die TM-Erträge übertreffen die der bekannten Standardmischungen um 20 %. Sie liegen damit auf einem für diesen Standort hohen Niveau. Sie bestätigen zudem die in anderen Jahren mit Rohrschwingel in dieser Höhe geernteten Erträge auf diesem Standort.



Passable Futterqualität: Die Rohr-
schwingel-dominierte Mischung RS50+ bringt durchaus Futter mit hoher Verdaulichkeit (siehe Übersicht 2). Das gilt sowohl im Vergleich der Mischungen als auch gegenüber den Richtwerten. So sollte die Gasbildung für erste Aufwüchse bei Gräsern und Grasprodukten über 50 ml/200 mg TM und für Folgeaufwüchse über 45 ml/200 mg TM liegen. Das Ergebnis aus unserem Versuch bestätigt aktuelle Daten und widerspricht der langjährigen Aussage, Rohrschwingel sei schlecht verdaulich. In den  übrigen Mischungen sind Deutsche Weidelgräser, Wiesenschweidel und in drei Fällen zusätzlich Knaulgras die Hauptbestandesbildner. 
Den Energiegehalt berechnet man mit einer Schätzgleichung, in die die Gasbildung mit eingeht. Rohprotein und Rohfett sind bei höheren Gehalten ebenfalls energiesteigernd. Rohasche und für die Faser der Gehalt an ADForg fließen ebenfalls mit in die Gleichung ein. Beide wirken mit zunehmender Höhe energiesenkend.  



Energiedichte: Einen Vergleich der Energiegehalte artenreiner Bestände zeigt Übersicht 3. Alle Parzellen haben wir aus technischen Gründen am gleichen Tag beprobt. Die Ernte des 1. Aufwuchses 2014 erfolgte früh zum optimalen Schnittzeitpunkt für früh nutzungsreife Bestände. Auch hier lag der Energiegehalt für Rohrschwingel deutlich über 6,0 MJ NEL je kg TM, auch wenn er im Vergleich der Arten eher zu den schwachen gehörte. 
</Bodytext><Bodytext>Es kann nicht das Ziel sein, mit dem Rohrschwingel höhere Energiedichten als mit dem Deutschen Weidelgras zu erreichen. Dieses rangiert – wie erwartet – weit vorn. Aber weder beim 1. noch beim 3. Aufwuchs liegt der Rohrschwingel sehr weit hinter den anderen wichtigen Futtergräsern. Teilweise erreicht er ein vergleichbares Niveau. Dabei zeigt sich im 3. Aufwuchs 2013 (siehe Übersicht 3) schon deutlich die kritische Seite für die Futterqualität: Der Energiegehalt ist zu niedrig für eine leistungsorientierte Fütterung in der Milchproduktion.
Allerdings erfolgte der 3. Schnitt relativ spät, sodass sich das Potenzial nicht voll ausschöpfen ließ. Das spiegelt sich in hohen Fasergehalten (im Mittel ADForg 314 g/kg TM) wider, die sich energiesenkend auswirken. Der durchschnittliche Rohproteingehalt liegt für Rohrschwingel in diesem Aufwuchs bei 143g/kg TM. Damit ist er zwar im erwünschten Bereich, in der Schätzgleichung ist er jedoch zu schwach, um sich energieerhöhend auszuwirken. Der Rohfettgehalt für Rohrschwingel beträgt im Mittel 27g/kg TM. Damit bewegt er sich unterhalb der mindestens anzustrebenden 30g/kg TM. Er ist zu niedrig, um sich positiv auf den Energiegehalt auszuwirken. Die Ergebnisse bestätigen den starken Einfluss des Schnitttermins auf die Futterqualität. Die Ansaat einer  Top-Mischung reicht also nicht, man muss sie auch 
zur passenden Nutzungsreife ernten.



Eher lückige Narbe: Rohrschwingel bildet keine dichte Narbe, sondern nur einen lückig erscheinenden, losen Narbenzusammenhalt. Dennoch wurden diese Bestände längst nicht so schnell von unerwünschten Arten durchsetzt. Die schnelle, relativ starke Massebildung des Rohrschwingels nach der Schnittnutzung scheint eine derart unterdrückende Wirkung auf andere Arten 
auszuüben, dass die Probleme mit unerwünschten Arten geringer ausfielen als erwartet. 
Günstiger erscheint für die Ansaat, den Rohrschwingel in Mischung mit Deutsch Weidelgras anzusäen. Sein Anteil sollte aber begrenzt sein, da es sehr zügig aufläuft und früh konkurrenzstark ist. Rohrschwingel entwickelt sich dagegen in seiner frühesten Phase sehr langsam. Um seine besonderen Eigenschaften zu nutzen, sollte das Deutsche Weidelgras 20% in der Mischung nicht übersteigen, besser sogar unter 15% bleiben.



Erste Ergebnisse aus Niedersachsen


Für trockene und wechselfeuchte Standorte ­testet auch Niedersachsen Rohrschwingel. Hier erste Ergebnisse aus den Versuchen.



Niedersachsen prüft das Leistungspotenzial und futterwertbestimmende Eigenschaften des Rohrschwingels. In einem Versuch steht eine Rohrschwingel-Mischung mit anderen Grünlandmischungen auf einem Moor- und einem Brackmarschstandort im Vergleich. In einem anderen Versuch geht es um Ertrag, Ausdauer und Futterwert von Rohrschwingel in Reinsaat verglichen mit anderen Grasarten wie Deutsches Weidelgras, Wiesenschweidel und Lieschgras. Darüber hinaus beobachten wir auch die Sortenprüfungen des Rohrschwingels auf 
unseren Wertprüfungsanlagen. Erste Erfahrungen und Versuchsergebnisse lassen sich für die Praxis wie folgt zusammenfassen:  

Soll der Rohrschwingel erfolgreich etabliert werden, muss er frühzeitig, möglichst bis Mitte Juli, gedrillt werden. Die junge Saat wächst langsam. Sie benötigt ausreichend Zeit, um sich vor Winter gut zu entwickeln. Geht der Bestand zu jung in den Winter, kann es zu starken Auswinterungsschäden kommen. 


Der frühzeitige Saattermin hat zur Folge, dass mindestens auf einen Schnitt der Altnarbe verzichtet werden muss. Im Allgemeinen erfolgt die Neuansaat für das Grünland mit den in Nordwestdeutschland empfohlenen Mischungen Anfang September. Für die Saat des Rohrschwingels ist die Fläche also deutlich früher zu räumen und vorzubereiten.  

Bei erfolgreicher Etablierung des Bestandes kann mit überdurchschnittlich hohen Erträgen gerechnet werden. Im Ertragsniveau reiht sich der Rohrschwingel zwischen einem Ackergras und dem Deutschen Weidelgras ein. Der Rohrschwingel verträgt die intensive Nutzung und übersteht auch sommertrockene Phasen sehr gut. 


Beim Futterwert kann der Rohrschwingel nicht mit dem Deutschen Weidelgras mithalten. Auch in vermeintlich jungen Aufwüchsen wurden überdurchschnittlich hohe Rohfasergehalte analysiert. Vor allem die ADF-Fraktion überschreitet im Allgemeinen die geforderten Zielwerte. Dies dürfte die Verdaulichkeit des Futters inklusive der Rohfaser beeinträchtigen.


Zur Futteraufnahme und zur Verdaulichkeit des Grases fehlen noch Versuche, um das Futter umfassender, auch aus Sicht der Tierernährung, beschreiben zu können.


Nach Vorlage von dreijährigen Ergebnissen werden wir Ihnen im nächsten Jahr mehr Details liefern. 


Rohrschwingel ist aufgrund 
seiner besonders langsamen Jugend­entwicklung nicht für eine Nachsaat mit konventioneller  Nachsaattechnik in die alte Narbe hinein zu empfehlen.


Neuansaaten sollten bis Mitte August erfolgen, damit sie sich vor Winter ausreichend stabil entwickeln. Direktsaaten in abgestorbene Altnarben kann man wegen oft zögerlichem Auflaufen bis Mitte Juli durchführen.


Rohrschwingel ist relativ sehr ertragreich. Er kann durchaus Aufwüchse mit sehr hoher Verdaulichkeit liefern. Schwächen in der Futterqualität (Energie- und Fasergehalt) lassen sich durch einen termingerechten Schnitt mindern.
Das Obergras ist früh nutzungsreif. Derzeit verfügbare Sorten sind eingestuft wie Knaulgras, Wiesenschweidel, die frühen Sorten der mittleren Reifegruppe der Deutschen Weidelgräser und einen Teil der frühen Reifegruppe der Deutschen Weidelgräser. Diese kommen auch als potenzielle Mischungspartner infrage. Sie sollten in ihrer Nutzungsreife zusammenpassen. Die Arten sollten zudem von ihrer natürlichen Reife her für die betrieblichen Verhältnisse geeignet sein. 


Die Gräserart reagiert dankbar auf Düngungsmaßnahmen. Die Nutzungsintensität für die heute verfügbaren Sorten dürfte zwischen der intensiven Nutzung Deutscher Weidelgräser (hohe Düngung, 5 bis 6 Nutzungen/Jahr) und extensiver Nutzung (reduzierte Düngung, 2 bis 3 Nutzungen) liegen.

Rohrschwingel ist ein Bestandesbildner für die Schnittnutzung 
(4 Schnitte jährlich!). Für die Beweidung eignen sich derzeit andere Arten besser.

Mit wechselfeuchten, zeitweise zu nassen Bedingungen kommt Rohrschwingel besser als andere Futtergräser zurecht. Er ist in der Lage, leistungsfähige Bestände zu halten.


Rohrschwingel ist offenbar wenig nutzungselastisch. Auf verspätete Nutzung reagiert er schneller mit Qualitätsabfall als andere Arten.


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