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Sind Azole ein Auslaufmodell?

Lesezeit: 6 Minuten

Die neue EU-Zulassung führt bald zu einem radikalen Wirkstoffverlust. Betroffen sind vor allem Azole. Über mögliche Auswirkungen berichtet Hermann Hanhart, LWK Nordrhein-Westfalen.


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Derzeit steht bei uns zur Kontrolle von Getreidekrankheiten noch eine relativ große Fungizid-Auswahl unterschiedlichster Wirkstoffklassen zur Verfügung. Dennoch lassen sich die Krankheiten nur mit ausgefeilten Strategien und detailliertem Fachwissen effektiv bekämpfen. Der Grund: Mehltau-, Netzflecken- und Septoria-Populationen verändern sich ständig, denn Pilze entwickeln Überlebensstrategien. Auch Sortenresistenzen sind oft nur von kurzer Dauer.


Vielfalt nötig:

So haben Azole – ähnlich wie andere Wirkstoffgruppen – nicht mehr die Leistung wie bei ihrer Einführung. Da die verschiedenen Azole wirkstoffspezifisch bestimmte Erregertypen sehr gut bzw. andere kaum bekämpfen, sollte man möglichst unterschiedliche Azole einsetzen, um ein einseitiges Selektieren zu vermeiden. Nicht alle Kombinationen sind gleich gut geeignet. So selektieren Epoxiconazol und Prothioconazol die gleichen Septoria-Typen. Tebuconazol und vor allem Prochloraz sind geeignete Mischungspartner, da hiermit eine breitere Kontrolle der unterschiedlichen Septoria-Typen möglich ist.


Ein wirksames Resistenzmanagement gelingt nur, wenn man verschiedene Azole kombiniert mit weiteren Wirkstoffgruppen (Kontaktwirkstoffe und Carboxamide) im Wechsel innerhalb der Gesamtstrategie einsetzt. Um Krankheiten nachhaltig zu kontrollieren, ist eine breite, vielfältige Wirkstoffpalette notwendig.


EU-Zulassung kostet Wirkstoffe:

Die Perspektiven zur Zulassungssituation sehen für die nahe Zukunft aber nicht rosig aus. Durch die EU-Pflanzenschutzverordnung EG 1107/2009, mit mehr Mitspracherecht durch die EU, ist momentan das Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel kaum noch kalkulierbar (siehe Kasten).


Betroffen sind sehr viele Fungizide, auch Prochloraz und Kontaktfungizide. Wenn für die einzelnen Wirkstoffe die routinemäßige Neubewertung ansteht, wird dabei auch noch einmal die Einstufung als Substitutionskandidat überprüft. Die Einführung dieser vergleichenden Bewertung kann die Anzahl verfügbarer Pflanzenschutzmittel in einer Kultur verringern, darf aber nicht Bekämpfungslücken schaffen und ein praktikables Resistenzmanagement gefährden.


Praktisch werden Cut-off-Ausschlusskriterien (siehe Kasten) und Wirkstoff-Substitution mit dem Zulassungsende und der Re-Registrierung eines Wirkstoffs greifen, spätestens aber zur Neubewertung der Annex 1-Listung. Viele der Azole sind bis 2018 bzw. 2019 auf der Annex 1 gelistet – Epoxiconazol z. B. bis zum 30. April 2019, Prochloraz bis zum 31. Dezember 2021. Wenn die nationale Zulassung vor der Annex 1 ausläuft, wird – sofern jemand eine Verlängerung beantragt hat – oft eine kurzfristige Wiederzulassung erfolgen.


Demnach könnten ab 2018 erste Azol-Wirkstoffe bzw. -Produkte nicht mehr zur Verfügung stehen. Grundsätzlich hat der Zulassungsinhaber die Möglichkeit, über spezielle Studien Wirkstoffprobleme zu entschärfen. Denkbar sind dann auch Einschränkungen in der Zulassung, wie z. B. die Reduktion der Aufwandmengen. Nicht mehr genehmigungsfähige Fungizide dürfen nach Zulassungsende noch sechs Monate gehandelt und 18 Monate vom Landwirt eingesetzt werden. Auch Kontaktmittel wie Mancozeb (endokrin) und zudem Chlorthalonil (nicht endokrine, aber toxikologische Probleme) sind betroffen.


Geht es auch ohne Azole?

Unter der Annahme eines radikalen Wirkstoffverlusts haben wir im letzten Jahr eine Versuchsserie zu diesem Thema gestartet. An verschiedenen Standorten in Nordrhein-Westfalen haben wir drei Versuche in den Sorten Tobak, Winnetou und Henrik angelegt. Die Blattbehandlung erfolgte mit verschiedenen Kontaktmitteln mit ausschließlicher vorbeugender Wirkung.


Chlorthalonil und Mancozeb sind längerfristig nicht sicher verfügbar. Deshalb haben wir zusätzlich ein weiteres, noch nicht gegen Septoria tritici zugelassenes Kontaktmittel geprüft. Im Vergleich dazu haben wir zweimal Proline eingesetzt, ein Azol, das vermutlich am längsten im Markt verfügbar bleibt. In den Varianten wurde mit Credo (Strobi + Kontaktmittel) zur Abschlussbehandlung eine breitere Dauerwirkung angestrebt. Die derzeit empfohlene Strategie mit einem wirksamen Resistenzmanagement präsentiert die Spritzfolge mit einem Wechsel von Azol-, Kontakt- und Carboxamidwirkstoffen.


Auf allen Standorten trat bedingt durch kühle, relativ trockene Witterung nur geringer Krankheitsdruck auf. Die derzeit empfohlene Spritzfolge erreicht die höchsten Mehrerträge bei sehr hohen Wirkungsgraden. Unter den Befallsbedingungen in den drei Versuchen könnte man mit der Spritzfolge aus zweimal Bravo und Credo zur Abschlussbehandlung leben.


Septoria wird mit 80 % Wirkung gut, Braunrost mit knapp 70 % (siehe Übersicht) noch ausreichend kontrolliert. Stattdessen zweimal Dithane NeoTec bringt eine leicht schlechtere Wirkung gegen Septoria. Das Prüfmittel (Kontaktfungizide) ist mit unter 60 % Wirkung noch schlechter. Möglicherweise muss der Hersteller die Formulierung hier noch für Getreide anpassen, sodass künftig bessere Wirkungen möglich werden.


Zu beachten ist aber, dass Septoria nur mit geringem Befall aufgetreten ist und die Behandlungen vor Neuinfek­tionen platziert wurden. In Jahren mit massiven Septoria-Problemen muss man zwangsläufig in Regenpausen bei schon gesetzter Infektion behandeln. Ohne Kurativwirkung der Kontaktmittel sind dann keine sicheren Wirkungsgrade zu erreichen.


Auch wenn in den Versuchen nur wenig Septoria aufgetreten ist, so zeigt sich im Vergleich von zweimal Proline zu zweimal Bravo die exzellente Wirkung von Bravo. Anders ausgedrückt: Der deutliche Wirkungsverlust (Shift) von Prothioconazol wird sichtbar. Falls dieser Wirkstoff künftig noch stärker zum Einsatz käme, weil Cut-off bzw. Substitution die Azol-Vielfalt einschränkt, darf die Leistungsfähigkeit deutlich infrage gestellt werden.


Mit fast 90 % bringt die bewährte Strategie eine sichere Wirkung gegen Septoria-Blattdürre und mit 100 % eine absolut sichere Wirkung gegen Braunrost. In den anderen Versuchsvarianten variiert die Rostwirkung erheblich. Bravo und Dithane NeoTec bringen einen Nebeneffekt. Proline ist besser, aber auch nicht ausreichend, erst recht nicht, wenn der Braunrost früh und anhaltend auftritt.


Die Mehrerträge korrelieren mit der Leistungsfähigkeit der unterschiedlichen Strategien. Aufgrund des relativ geringen Gesamtbefalls erreicht auch die Variante mit exzellenten Wirkungsgraden nur knapp 10 dt/ha. In Jahren mit deutlich höherem Befall kann von erheblich stärkeren Wirkungsunterschieden zwischen den Varianten mit dann auch deutlicheren Ertragsunterschieden ausgegangen werden.


Aus den Versuchen lassen sich folgende Schlüsse ziehen:


  • Erregerspezifisch werden auch bei Verlust vieler Azole Bekämpfungsmöglichkeiten erhalten bleiben. So lässt sich z. B. Septoria tritici mit Bravo noch sehr gut kontrollieren. Das ist erst recht der Fall, wenn man innerhalb der Gesamtstrategie die noch sehr gut wirksamen Carboxamide einbaut.
  • Wenn aber zusätzlich Chlorthalonil nicht mehr zur Verfügung stünde, bliebe das Resistenzmanagement vollkommen auf der Strecke. Kurzfristig ist dann mit erheblichen Problemen zu rechnen.
  • Für die Kontrolle von Rostkrankheiten sind gerade die Azole prädestiniert, besonders dann, wenn nicht vorbeugend, sondern bei Befallsbeginn mit kurativer Wirkung behandelt wird.
  • Gegen Fusarium sind nur Azole wirksam. Bei alleiniger Verwendung von Prothioconazol muss man auch bei Rostkrankheiten, Fusarium und DTR mit nachlassender Wirkung durch veränderte Erregerpopulationen rechnen. Die Folge: Die Behandlungshäufigkeit und der Gesamtwirkstoffaufwand je ha steigen.
  • Bleibt zu hoffen, dass die momentane Wirkstoffvielfalt noch möglichst lange erhalten bleibt. Darüber hinaus sind bei den Fungiziden neue Wirkstoffe in der Entwicklung, mit deren Zulassung nach 2020 zu rechnen ist.

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