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Stadtwald mit langer Tradition

Lesezeit: 5 Minuten

Im Stadtwald von Lohr am Main wachsen die nächsten Generationen von wertvollen Eichen heran.


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Für einen Förster ist es kaum möglich, die Früchte seiner Arbeit zu ernten. Doch weil Bernhard Rückert, der ursprünglich aus Schweinfurt stammt, bereits seit 1988 als Förster bei der Stadt Lohr am Main arbeitet und seit 1992 Leiter des Forstamts ist, kann er zumindest sehen, was sich hier seit seinem Amtsantritt entwickelt hat.


Wir treffen Bernhard Rückert zunächst im Rathaus, mitten in der Altstadt von Lohr. Aber bald möchte er mit uns in die Reviere des Stadtwaldes aufbrechen und uns seine Ideen von Eichenbeständen im Spessart zeigen.


Der Stadtwald gliedert sich in vier Reviere. Neben Leiter Bernhard Rückert sind drei weitere Förster für die Stadt tätig. Dazu kommen neben den Bürokräften neun Waldarbeiter und zwei Auszubildende. Rund ein Drittel der Arbeiten erledigen Dienstleister. Dabei geht es meist um die Wegepflege und das Holzrücken, denn über eigene Forstmaschinen verfügt die Stadt nicht.


Über 4000 ha Stadtwald:

Urkundlich wird der Stadtwald von Lohr 1512 erwähnt, wahrscheinlich ist er aber deutlich länger im Besitz der Stadt. Heute umfasst das fast arrondierte Gebiet ca. 4100 ha. Bernhard Rückert legt Wert darauf, dass der komplette Betrieb FSC-zertifiziert ist. Unter anderem deshalb haben die Lohrer rund 210 ha aus der Nutzung genommen – verteilt auf neun Flächen von 12 bis 48 ha Größe. Hier verzichtet der Betrieb komplett auf die Nutzung.


In den Beständen fallen außerdem viele, mit grüner Farbe markierte Altbäume auf. Das sind Biotop-Bäume, die auch abgestorben im Bestand verbleiben und irgendwann in sich zusammenbrechen. Ihr Anteil liegt bei durchschnittlich 3,2 Stück pro ha. Den Anteil von Totholz – stehend und liegend – schätzt Förster Rückert auf mehr als 12 fm/ha. So bleiben z.B. Kronen bei der Einzelstammnutzung grundsätzlich komplett im Bestand liegen. Ein Anblick, an den sich „ordnungsliebende“ Waldbesucher und Kaminholzsammler erst gewöhnen müssen. Doch das Tot-holz bietet unzähligen, oft seltenen Arten Lebensraum und ist auch für die Nährstoffversorgung auf dem sehr kargen Boden wichtig.


Wachsender Vorrat:

Der Holzvorrat ist in den letzten Jahrzehnten stetig gewachsen – darauf ist Bernhard Rückert stolz. Bei der Inventur 1978 kamen die Schätzer pro Hektar auf einen Wert von 246 Erntefestmeter (Efm). Bei der Inventur 2011 war dieser Wert um mehr als 100 Efm auf 354 Efm/ha gestiegen. Der Zuwachs auf den Flächen der Stadt Lohr erreicht mittlerweile bis zu 8 fm/ha und Jahr. Die jährliche Einschlagmenge liegt bei rund 30000 fm, davon setzt der Stadtwald bis zur Hälfte an FSC-zertifizierte Abnehmer ab. Die Einschlagmenge liegt unter dem Zuwachs, deshalb steigen die Vorräte weiter. Langfristiges Ziel sind 450 bis 500 Vorratsfestmeter (Vfm) pro Hektar.


Bei unserem Besuch bremst Bernhard Rückert übrigens direkt die Erwartung, in Lohr uralte Eichenbestände zu sehen. Denn die hat der Stadtrat in den Jahren 1880 bis 1890 nach Holland zum Schiffbau vermarktet, um eine Brücke über den Main zu finanzieren.


Förster Rückert kann diesem Einschlag aber auch gute Seiten abgewinnen. Die Brücke sorgte in Lohr für Wohlstand, und der Stadtrat verschonte seinen Wald vor weiteren „Finanzierungshieben“. Heute stellt der Wald eine mächtige Finanzreserve für die Stadt dar. Und laut Bernhard Rückert liegt der jährliche Gewinn stabil zwischen 500000 und 600000 €. Er legt Wert darauf, dass in dieser Kalkulation alles berücksichtigt ist – vom Zaunnagel bis zum anteiligen Bürgermeistergehalt. Der Einfluss des Stadtrates bzw. die Begehrlichkeiten halten sich deshalb in Grenzen, und Förster Rückert kann seine Ideen vom naturnahen Waldbau weiterentwickeln.


Der Schwerpunkt über den gesamten Stadtwald sind die mittleren Altersklassen, deren Durchschnittsalter beträgt 105 Jahre. Doch der Anteil des starken Holzes (BHD größer 60 cm) hat sich bei allen Holzarten gegenüber der Inventur im Jahr 2000 nahezu verdoppelt.


Langfristiges Ziel sind möglichst gemischte Bestände. Wo immer es sinnvoll ist, fördert Bernhard Rückert die vorhandenen Mischbaumarten bzw. bringt zusätzliche, teils seltene Baumarten ein. Sein Hobby nennt er das.


Der Stadtwald setzt so weit wie möglich auf die Naturverjüngung und die Eichensaat. Rund 600 ha des Betriebes sind als Saatguteichenbestände anerkannt. Bei der Saat arbeitet Bernhard Rückert gerne auch auf kleineren Teilflächen ab einem Viertel Hektar.


Häufiger durchforsten:

Die Eiche wird konsequent gefördert, an ihr orientiert sich die Pflege. Allerdings werden nur die massiven Bedränger entnommen, um die Feinastigkeit der Eichen zu erhalten. Das Durchfors-tungs-Intervall liegt bei drei bis maximal fünf Jahren, dann sind Eingriffe und Befahrungen auf den Flächen weniger intensiv, sagt Förster Rückert.


Nur 15 bis 20% des Einschlags laufen maschinell per Harvester, der Rest klassisch motormanuell. Der Betrieb setzt später ausschließlich auf Zielstärken- bzw. auf Einzelbaumnutzung. Auch das fordert viel forstliches Geschick.


Die abgesetzte Eichenfurnierholzmenge liegt im Moment bei überschaubaren 4 bis 5 fm pro Jahr. Die meisten Eichen im Stadtwald von Lohr haben noch ein paar Hundert Jahre Zeit, bis sie zur typischen Spessarteiche reifen. Und hier trifft Bernhard Rückert das anfangs beschriebene Schicksal der Förster: Diese Früchte seiner Arbeit wird er dann doch nicht mehr ernten können. -gh-

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