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Sumpfschachtelhalm – uralt, giftig, fast unsichtbar

Lesezeit: 8 Minuten

Schleichend breitet sich der sogenannte Duwock in immer mehr Grünlandbeständen aus. Durch das Gift leiden Kühe, Schafe und Pferde. Ihn wieder los zu werden, gleicht einer Mammutaufgabe.


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Sluipmoordenaar in de weide“, so betitelte kürzlich eine niederländische Zeitschrift den Sumpfschachtelhalm – was übersetzt etwa Meuchelmörder oder unsichtbarer Mörder von der Weide bedeutet. Und dieser Name kommt nicht von ungefähr.


Das musste auch ein Landwirt aus Hessen erfahren. Wir nennen ihn Markus. Aus Angst vor Anzeigen möchte er in diesem Artikel anonym bleiben. Auf seinem Hof im Mittelgebirge melkt er 130 Kühe mit zwei Melkrobotern. Der Familienvater hält seinen Betrieb und seine Flächen in Schuss.


Doch dann das Elend: Fast drei Jahre lang ging es seinen Kühen nicht gut. „Wir hatten Leistungseinbußen um bis zu 25%, Durchfall in der Herde, das Fell von Kühen und der Nachzucht sah struppig aus“, erzählt er. Schon früh sucht er Hilfe bei Tierärzten, Firmen- und Offizialberatung. Daraufhin verbessert er die Stallhygiene weiter, setzt Siliermittel ein und lässt Futterproben untersuchen. Doch besser geht es seinen Kühen nicht. Auf das Problem im Grünland macht ihn nach drei Jahren Lösungssuche die Beraterin Katharina Weihrauch vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) aufmerksam: stark giftiger Sumpfschachtelhalm. Markus hat seinen Kühen unwissentlich giftiges Futter vorgelegt.


Superunkraut Duwock


„In den letzten Jahren hat sich der Sumpfschachtelhalm hier im Mittelgebirge stark ausgebreitet“, sagt Weihrauch. Sie und ihre Kollegen finden die Pflanze mittlerweile in ganz Hessen, nicht nur auf naturschutzfachlich betreuten Flächen, sondern – wie bei Markus – auf normalen Wiesen oder Pferdeweiden. Eine Verbreitungskarte oder ein Monitoring gibt es nicht. Die Datenlage und das Beraterwissen über Sumpfschachtelhalm sind meist dünn und Bekämpfungsmöglichkeiten beruhen auf älteren Empfehlungen.


Der Sumpfschachtelhalm (Equisetum palustre), auch Duwock genannt, wächst auf Feuchtgrünland: im Sumpf, an flachen Ufern, auf feuchten Wiesen und Weiden, in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Dass in den letzten Jahren vermehrt Sumpfschachtelhalm zu finden ist, bestätigt auch Dr. Jürgen Müller von der Universität Rostock. „Der Trend ist eindeutig steigend, von Schleswig-Holstein bis nach Thüringen.“ Das liege seiner Ansicht nach an der starken Wechselfeuchte. Sehr nasse Winter und sehr trockene Sommer sowie Nässephasen fördern die Giftpflanze. Gräser stresst solch eine Witterung stärker als den Duwock. In der Folge werden die Narben lückiger, mehr Licht erreicht die Narbe – und lockt den Duwock aus der Erde. Auch durch geringere Stickstoffgaben sinkt die Konkurrenzfähigkeit der Gräser, somit ist in der Narbe Platz für den Duwock. „Betroffen sind häufig auch Flächen mit Wildschweinschäden“, ergänzt Müller. Frost und Staunässe vertrage der Duwock hingegen nicht und auch im Hochmoor ist er nicht zu finden.


Die Pflanze bevorzugt Grenzbereiche von humosen zu mineralischen Böden und wächst gerne am Rand von Talvermoorungen – und das seit gut 400 Mio. Jahren. Der Duwock braucht zum Leben amorphes Silicium. Das baut er als Kieselsäure in seine Halmwände ein und schützt sich so vor Fraßfeinden. Über unterirdische Triebe, die Rhizome, durchwächst der Sporenbildner den Boden, ähnlich wie ein Pilz – bis zu 4 m tief. Der horizontale Hauptstamm der Rhizome liegt in unterschiedlicher Tiefe, je nach Standort in 25 bis 150 cm. Aus Speicherknollen am Rhizom treibt er neu aus. Sumpfschachtelhalm bildet bogenförmige Seitentriebe und wird durchschnittlich 10 bis 50 cm hoch.


Giftpflanze in der Weide


Zurück zu Landwirt Markus: Anfang Juni sind wir zu Besuch und stehen auf den kleinstrukturierten, meist im Tal liegenden Flächen, die von Gräben durchzogen sind. Die Bestände sind gut genährt. Am 25. Mai hat Markus den ersten Schnitt geerntet, zum Teil grün verfüttert – und sofort 25% weniger Milchleistung. Der restliche Aufwuchs ging in eine Biogasanlage. Jetzt steht der zweite Schnitt an und der Duwock gut sichtbar: Kleine grüne Halme mit bogenförmigen Seitenästen und schwarzen zackenförmigen Blattscheiden stehen noch recht zart zwischen den Gräsern. „Man muss seinen Blick dafür schärfen“, sagt Markus. „Nicht von oben aufs Grünland gucken, sondern hinhocken und schräg in die Fläche schauen.“ Der Duwock wächst von den Gräben in die Fläche hinein. Und das Ausmaß ist viel größer, als Markus vermutet hat: Nicht nur Flächen der Agrar- und Umweltmaßnahmen sondern auch 25 von 70 ha Mähgrünland sind betroffen. Als Futter kann er diese Flächen nicht nutzen. ▶


So giftig ist Duwock


Von den 22 weltweit bekannten Schachtelhalmarten ist der Sumpfschachtelhalm der einzige, der hochgiftig ist. Schuld daran sind die enthaltenen Alkaloide, allen voran


  • Palustrin, das wie Nervengift wirkt,
  • und die Vorstufe davon, Palustridin.


Generell sind die jungen Triebe giftiger, enthalten also mehr Palustrin und Palustridien als alte. Die Werte schwanken von 213 bis 994 mg/kg Trockenmasse (TM), je nach Wachstumsstadium. Das hat eine noch junge Studie von Schachtelhalmexperte Müller und Kollegen ergeben. Der Standort spielt dabei keine Rolle, doch die Wachstumstemperatur beeinflusse den Alkaloidgehalt, fanden die Forscher heraus.


Diese Alkaloide bauen sich beim Silieren nicht ab. Im Gegenteil: Der Palustringehalt konzentrierte sich stärker. Das ergab ein Silierversuch im Rahmen eines von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen (LWK NDS) initiierten Projektes. Den Grund sieht LWK-Berater Gerd Lange in der reduzierten organischen Masse. Die normalen Silageuntersuchungen sind dabei unauffällig, was sich auch mit der Erfahrung von Landwirt Markus deckt. Im Heu ließen sich geringere Alkaloidwerte messen als im Ausgangsmaterial, was allerdings hauptsächlich mit Bröckelverlusten bei der Heuwerbung und Fütterung zusammenhängt.


Auf frischen oder silierten Duwock reagieren Schafe und Rinder anfangs mit einer schlechten Futteraufnahme, Leistungseinbußen und Durchfall bis hin zu zentralnervösen Unruhen und Bewegungsstörungen. Bei Pferden macht sich hauptsächlich das in Sumpfschachtelhalm enthaltene Enzym Thiaminase bemerkbar, das Vitamin B1 abbaut. Der Vitamin B1-Mangel führt zu zentralnervösen Störungen. Zunächst kommt es zu Überempfindlichkeiten bei Berührungsreizen und Schüttelkrämpfen, später werden die Tiere apathisch oder es treten Bewegungsstörungen auf (Taumelkrankheit).


Ist der Sumpfschachtelhalm getrocknet, ergibt sich laut einer Doktorarbeit an der Tierärztlichen Hochschule Hannover ein anderes Bild: Zwar brach bei dem Versuch bei Schafen und insbesondere bei Kühen die Futteraufnahme mit Duwock in der Ration ein und die Kotkonsistenz war deutlich dünner. Jedoch blieb die Futteraufnahme der Ponys auch bei >20% Duwock in der Ration unverändert. Zudem blieb der Vitamin B1-Gehalt im Blut der Ponys stets im Normbereich, selbst nach zweimonatiger Aufnahme von Rationen mit Duwock-Anteilen zwischen 5 und 22,6%.


Verdrängen statt bekämpfen


Bekämpfen lässt sich das giftige Kraut z.B. durch eine horizontale Unterschneidung von Flächen in 30 bis 40 cm Tiefe. Das Verfahren etablierte sich bereits in den 50er-/60er-Jahren und wurde mit dem Einsatz von Herbiziden kombiniert. Dies brachte lange Zeit Ruhe, doch 2007 trat auf den damals behandelten Flächen wieder Duwock auf. In dem Projekt der LWK NDS brachte Unterschneidung kombiniert mit Beweidung die besten Ergebnisse. „Aber“, sagt Landwirt Markus, „auf meinen flachgründigen Flächen funktioniert das nicht. Nach 30 cm kommen Steine.“


Es bleibt nur die Verdrängung, durch Walzen im Frühjahr, früher häufiger Schnitt (Biogasanlage), N-Düngung (schwefelsaures Ammoniak), Nachmahd, Nachsaat, Beweidung (erfahrene Tiere!). Um die Giftpflanze in den Griff zu bekommen, hat Beraterin Weihrauch folgende Strategien ausprobiert:


Pflanzenschutzmittel: Einsatz von 2,0 l U46M zum zweiten Aufwuchs (Mitte August) bei mehr als 30 cm Aufwuchshöhe (Einsatz im Gewässerrandstreifen ist aufgrund der Auflage nicht möglich). Nach fünf bis sieben Tagen wurden die Wedel zwar dürr, trieben aber schnell wieder aus.


Neuansaat: Nach Umbruch mit vorheriger Glyphosat-Behandlung säte der betroffene Landwirt eine wüchsige Dauergrünland-Mischung und Welsches Weidelgras als Ammengras aus. Nach zwei Jahren war der Bestand vollflächig und homogen von Sumpfschachtelhalm durchwachsen.


Pflügen: Regelmäßiges pflügen (Ackerstandort) hilft nur bedingt, denn der Sumpfschachtelhalm machte dann im nachfolgenden Kleegras Probleme (Futternutzung).


Kalken: Ein kurzfristiges Anheben des pH-Wertes durch Brannt-/Mischkalk auf pH 6,7 blieb ohne Effekt. Es wuchsen weiter Säurezeigerpflanzen.


Mulchen: Ohne Effekt blieb auch Mulchen im Herbst und Mähen zu verschiedenen Zeitpunkten mit unterschiedlicher Intensität (zwei bis vier Nutzungen).


Intensive Beweidung: Wird die Altnarbe zu stark geschädigt und kommt mehr Licht an die Narbe, fördert das eher (mit Pferden versucht). Nach der Beweidung mit Rindern trat weniger auf (evtl. mitgefressen). Abgefressene Pflanzen waren zu finden, Pferde, Schafe und Rinder haben dabei nicht selektiert.


Walzen: Crosskill- und Ringelwalzen sorgen für ein Umknicken und einen schnellen Wiederaustrieb (Bestockung).Schwere Glattwalzen legen den Duwock um und die Pflanzen werden braun (ähnlich wie nach U46M). Duwock treibt aber nach, evtl. langsamer.


Rotkleereinsaat: Da Duwock empfindlich auf Beschattung reagiert, könnte eine Reinsaat helfen (steht noch aus). Zunächst ist zu klären, inwieweit die Saat als Umbruch gewertet wird.


Wohin mit dem Aufwuchs?


Landwirt Markus hat sich entschieden, den mit Duwock belasteten Aufwuchs wieder an eine Biogasanlage abzugeben. Diese Lösung ist laut Jürgen Müller gut gewählt, denn bei mindestens 38°C (besser 42°C) und mindestens 30 Tagen Fermentation bauen sich die Alkaloide ab. Die Methanausbeute wird nach seinen Versuchen nicht negativ beeinflusst. Die von reinem Duwock ist nach seinen Erkenntnissen übrigens erstaunlich hoch.


friederike.mund@topagrar.com

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