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Welche Gerstensorten für den Norden?

Lesezeit: 9 Minuten

Weniger Wirkstoffe und mehr Wetterrisiken – das beeinflusst auch die Sortenwahl. Immer wichtiger wird es, dass die Sorten stabile Erträge liefern.


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In diesem Jahr standen in Deutschland auf 1,32 Mio. ha Wintergerste. Damit hat sich die Fläche gegenüber dem Vorjahr kaum vermindert. Dies liegt sicherlich auch daran, dass Wintergerste in den letzten beiden, extrem trockenen Jahren im Vergleich zu späteren Wintergetreidearten vergleichsweise hohe Erträge erzielt hat.


Ein weiterer Vorteil von Gerste ist, dass sie weizenlastige Fruchtfolgen auflockert. Darüber hinaus bereitet sie als frühräumende und weniger wasserzehrende Frucht insbesondere Raps – aber auch Zwischenfrüchten – bessere Startbedingungen.


Allerdings hat sich der Preisabstand zu Winterweizen erweitert. Nachteilig ist auch, dass der Wirkstoff Chlorthalonil nicht mehr zur Verfügung steht, sodass bei Ramulariadruck mit stärkeren Ertragsschwankungen zu rechnen ist.


Die ertragsstärksten Sorten


Vor diesem Hintergrund gilt es, ertragsstabile Sorten für die jeweilige Region zu identifizieren. Die mittleren Erträge der jeweiligen Anbauregionen in Niedersachsen entnehmen Sie der Übersicht 1. Um neue Sorten bereits verlässlicher beurteilen zu können, fließen auch Ergebnisse aus Wert- und EU-Prüfungen mit ein.


In fast allen Regionen finden sich auf den vorderen Plätzen die Sorten KWS Higgins, KWS Orbit und die im letzten Jahr zugelassene Sorte KWS Flemming. Die doppelt GMV-resistente Sorte Joker kann ertraglich ebenfalls in fast allen Anbauregionen überzeugen. KWS Kosmos zeigt mit Ausnahme der Lehmböden ansprechende Leistungen, SU Jule mit Ausnahme der Marsch und den Höhenlagen. Dagegen erreicht Pixel vor allem auf Marsch- und Sandböden hohe Erträge.


Hybride – leistungsstark, aber teuer


Die Hybridsorten (Hy) werden in den Landessortenversuchen (LSV), wie in der Praxis üblich, mit reduzierter Saatstärke gesät. Bei 180 Körner/m2 liegen die Saatgutkosten dennoch ca. 50 bis 70 €/ha über denen einer konventionellen Sorte. Bei einem angenommenen Preisniveau für Futtergerste von 16 €/dt werden für die Deckung der Mehrkosten also mindestens 3 dt/ha vom Ertrag der Hybridsorten aufgezehrt.


Um den direkten Vergleich zwischen Hybrid- und Liniensorten zu ermöglichen, wurden 50 €/ha Mehrkosten für Hybridsaatgut in der Übersicht 1 angesetzt. Ohne Berücksichtigung der Saatgutkosten würde z.B. die Sorte Galileoo (Hy) ca. 3%-Punkte besser abschneiden und in einigen Regionen an erster Stelle stehen.


Obwohl gerade die neueren Hybridsorten die Leistungsfähigkeit bestätigen, reicht der Ertragsabstand in der Regel nicht aus, um die höheren Kosten zu decken. Dass Hybride unter nicht optimalen Wachstumsbedingungen, also z.B. auf leichten Sandböden, Vorteile aufweisen, belegen die LSVs nur teilweise. Sie schneiden auf schwächeren Standorten zwar vergleichsweise gut ab, der Abstand zu den besten Liniensorten ist jedoch auch hier nicht groß genug, um sich absetzen zu können.


Gesunde Blätter sichern Erträge


Die Blattgesundheit beeinflusst die Ertragsstabilität der Sorten entscheidend. Angesichts wegfallender Wirkstoffe und zunehmender Fungizidresistenzen wird dies zu​künft​ig noch wichtiger. Zwergrost steht in puncto Ertragswirksamkeit an erster Stelle. Hoch anfällig sind u.a. KWS Higgins, KWS Kosmos, KWS Orbit, SY Baracooda und Quadriga. Der Rostbefall lässt sich aber durch eine ein- bis zweimalige Fungizidbehandlung gut kontrollieren.


Schwieriger wird es bei Rynchosporium und vor allem bei Netzflecken. Dagegen wirken Strobilurine und Carboxamide aufgrund fortschreitender Resistenzen nicht mehr sicher. Auch bei Azolen nimmt das Resistenzrisiko langfristig zu. Deshalb kommt der Sorten​gesundheit vor allem im Merkmal Netzflecken eine große Bedeutung zu. Positiv präsentieren sich hier z.B. KWS Kosmos, Toreroo (Hy), Jettoo (Hy), SU Laurielle, Diadora, KWS Flemming und KWS Keeper.


Mehltau gilt es besonders in den Sorten SU Jule, Joker und KWS Infinity zu beachten.


Die Blattsprenkelkrankheit Ramularia trat in diesem Jahr zwar weniger stark auf. Insgesamt nimmt die Bedeutung jedoch zu, da der entscheidende Wirkstoff Chlorthalonil nicht mehr zuge​lassen ist. Die Sortenanfälligkeit lässt sich durch das schnelle Auftreten der Krankheit während der Abreifephase nur schwer bonitieren. Eine verlässliche Sortenbeurteilung des Bundessortenamtes fehlt zurzeit. Zudem sind die Toleranzen nicht so stark ausgeprägt, als dass man auf eine Bekämpfung verzichten könnte.


Es bleibt daher, sich an den Erträgen in den LSV zu orientieren. Eine gute Ertragskonstanz über mehrere Jahre und Standorte hinweg sprechen für eine insgesamt gute Krankheitstoleranz der Sorte. Als ertragsstabil haben sich u.a. Toreroo (Hy), KWS Infinity, Mirabelle, SU Jule und KWS Flemming erwiesen (siehe Übersicht 2).


Lager ist tabu


Um das Ertragspotenzial voll ausschöpfen zu können, sollte eine Sorte bei den Eigenschaften Winterhärte sowie Standfestigkeit und Strohstabilität keine nennenswerte Defizite aufweisen. Frühes Lager kann hohe Ertragsverluste nach sich ziehen. Gerade Betriebe mit organischer Düngung, auf deren Flächen die N-Nachlieferung nur schwer kalkulierbar ist, sollten auf standfeste Sorten achten. SU Jule, Mirabelle, Quadriga, KWS Orbit und Toreroo (Hy) sowie die zweizeilige KWS Infinity zeichnen sich durch eine gute Standfestigkeit aus.


Der angepasste Einsatz von Wachstumsreglern reduziert darüber hinaus nicht nur die Pflanzenlänge, sondern erhöht gleichzeitig auch die Strohstabilität und beugt Halm- und Ähren​knicken vor. Dies ist besonders in Jahren mit verzögerter Ernte wichtig. Darum gilt es, bei Sorten, die zu stärkerem Halm- und Ährenknicken neigen, wie z.B. Galileoo (Hy), Laurielle oder Pixel, besonderes Augenmerk auf den Wachstumsreglereinsatz zu legen. Mirabelle, SU Jule und die zweizeilige KWS Infinity überzeugen mit einer sehr guten Strohstabilität.


Wenn es um Qualität geht


Auf leichten Standorten sind generell schwächere Hektolitergewichte (hl) zu erwarten. Mit zweizeiligen Sorten gelingt es hier, die Qualität abzusichern. Bei schneller Abreife infolge von Trockenheit sind sie den mehrzeiligen Sorten oft überlegen. Auch die bessere Druschfähigkeit spricht für sie.


Bei den mehrzeiligen Sorten variiert das hl-Gewicht stärker. Sorten wie SU Jule, SY Baracooda, KWS Kosmos, Mirabelle und KWS Higgins erreichen sichere hl-Gewichte. Auf leichten Böden fallen Joker, Diadora, Paradies und Journey etwas stärker ab.


Keine CHance für Gelbmosaikviren...


In engen Gerstenfruchtfolgen und auf schweren Standorten kann vor allem in feuchten, kühlen Frühjahren das Gelbmosaikvirus vom Typ 2 (BaYMV-2) auftreten. Auf Befallsstandorten sollten doppelt resistente Sorten wie KWS Keeper oder die frühreifere Joker zum Anbau kommen. Die Sorten erreichen auch unter Nichtbefall ansprechende Leistungen mit nur geringen Einbußen beim Ertrag bzw. hl-Gewicht. Im letzten Jahr sind die Sorten SU Laurielle und Valerie (zz) hinzugekommen, die allerdings im ersten Prüfjahr noch nicht überzeugen konnten.


...und Gelbverzwergungsviren


Das Gelbverzwergungsvirus (BYDV) hat in den letzten Jahren zu teils erheblichen Schäden geführt. Die Blattläuse, die das Virus übertragen, profitierten von den milden Herbsttemperaturen. Geschädigte Bestände weisen Zwergwuchs auf, den die gesunden Pflanzen oft nicht kompensieren können. Werden die Virusvektoren nicht bekämpft, kann dies im Extremfall zu einem kostspieligen Umbruch führen.


Neben ackerbaulichen Maßnahmen, wie die gezielte Bekämpfung von Ausfallgetreide sowie spätere Aussaattermine im Herbst, ist die chemische Bekämpfung noch das Mittel der Wahl. Eine oder mehrere Behandlungen mit Pyrethroiden erhöhen jedoch den ohnehin schon starken Resistenzdruck auf diese Wirkstoffgruppe.


Als erste mehrzeilige Wintergerste mit BYDV-Resistenz wurde 2019 die Sorte Paradies in Deutschland zugelassen. Diese gesunde Sorte mit mittleren Erträgen weist aber Schwächen in der Strohstabilität auf. In 2020 kommt die EU-Sorte Sensation hinzu, die zusätzlich auch gegen beide Typen des Gelbmosaikvirus (BaYMV) resistent ist. Sensation verspricht höhere Erträge und eine bessere Strohstabilität. In Problemlagen empfiehlt sich ein Probeanbau, um den unbestreitbaren Mehrwert dieser Sorten zu testen. Neu in 2020 steht die mehrzeilige Sorte Contra in der Beschreibenden Sortenliste.


Diese sorten sind zu empfehlen


Für den diesjährigen Anbau ergeben sich unter Berücksichtigung der Sorteneigenschaften (Übersicht 3) und der Saatgutkosten folgende vorläufige Empfehlungen (ohne LSV-Ergebnisse 2020):


  • Der Anbau von KWS Orbit eignet sich in allen Regionen. Die Sorte hat ein gutes hl-Gewicht, ist standfest und stabil gegenüber Halm- und Ährenknicken. Schwächen zeigt sie allerdings gegenüber Zwergrost.
  • Wegen hoher Erträge bei guter Qualität ist KWS Higgins mit Ausnahme der Marsch in allen Anbauregionen zu empfehlen. Die schwächere Standfestigkeit und Strohstabilität sowie die recht hohe Anfälligkeit gegenüber Zwergrost muss man aber berücksichtigen.
  • Joker hat sich in den letzten Jahren aus ertraglicher Sicht in allen Anbauregionen bewährt. Dem Vorteil der doppelten Gelbmosaikvirusresistenz stehen ein geringes hl-Gewicht und Mängel hinsichtlich der Standfestigkeit und Strohstabilität gegenüber.
  • KWS Kosmos kann vor allem auf Sandböden und in Höhenlagen überzeugen. Die Sorte zeichnet sich durch hohe hl-Gewichte und eine gute Strohstabilität aus, sie reagiert jedoch empfind​lich auf Zwergrostbefall.
  • SU Jule wird für die Lehmböden und die nordwestlichen Sandstandorte dank guter Standfestigkeit, Strohstabilität und des hohen hl-Gewichts empfohlen. Die erhöhte Mehltauanfälligkeit ist zu beachten.
  • KWS Flemming erreichte in den Anbauregionen Marsch, Sandböden, Lehm-​böden Südhannover und Höhenlagen überdurchschnittliche Erträge. Bei hohen hl-Gewichten und bei einer guten Blattgesundheit ist die Schwäche in der Standfestigkeit zu berücksichtigen.
  • Quadriga eignet sich in der Marsch und auf den Lehm-, Löß- und Höhenstandorten. Für einen Anbau sprechen ein hohes hl-Gewicht und eine gute Standfestigkeit. Mit Ausnahme von Zwergrost ist die Sorte recht blattgesund.
  • Die früh abreifende Sorte Pixel wird auf den Marsch- und Sandstandorten empfohlen. Zu beachten sind die höhere Lageranfälligkeit und die Schwächen gegenüber Halm- und Ährenknicken.
  • SY Galileoo kann als Hybridsorte ertraglich überzeugen. Aufgrund der höheren Saatgutkosten wird sie aber nur eingeschränkt empfohlen. Bei mittleren hl-Gewichten und einer guten Blattgesundheit weist sie Schwächen in puncto Standfestigkeit und Ährenknicken auf.


Neue Sorten für einen Probeanbau


Von den jeweils sechs mehrzeilig und zweizeilig zugelassenen Sorten in 2020 standen fünf bereits in den niedersächsischen LSV. Von den vielversprechendsten Sorten liegen damit bereits aktuelle Ergebnisse vor. Das ermöglicht einen Vergleich mit den bewährten Sorten.


  • Viola ist eine früh reifende, kurze und standfeste Sorte mit guter Strohstabilität. Sie erreicht sehr hohe Erträge (Note 9) bei mittlerem hl-Gewicht. Gegenüber Blattkrankheiten, insbesondere Mehltau, ist sie eher anfällig.
  • Teuto ist eine mittelspäte, langstrohige Sorte mit höherer Lagerneigung, guter Blattgesundheit und hohem hl-Gewicht. Im Ertrag ist sie mit der Note 8 eingestuft.
  • Esprit reift mittel bis mittelspät ab. Die langstrohige Sorte mit mittlerer Lagerneigung und guter Strohstabilität erreicht die Ertragsnote 8. Die Sorte ist blattgesund, erzielt hohe hl-Gewichte und eine sehr gute Sortierung.
  • Memphis ist eine mittelspät reifende, langstrohige Sorte mit geringer Lagerneigung und mittlerer Blattgesundheit. Die doppelt GMV-resistente Gerstensorte erzielt bei einer Ertragseinstufung von 7 sehr hohe hl-Gewichte.
  • Die mittel abreifende zweizeilige Sorte Bordeaux zeichnet sich bei sehr kurzem Wuchs durch eine geringe Lagerneigung aus. Die sehr strohstabile Sorte erhielt die Note 8 im Ertrag. Die Anfälligkeit für Blattkrankheiten ist durchschnittlich, das sehr hohe hl-Gewicht ist positiv zu bewerten.


anne-katrin.rohlmann@topagrar.com

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