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„Wir werden weniger von Herbiziden abhängig sein!“

Lesezeit: 5 Minuten

Auf 28 % der Mais- und Sojafläche in den USA und Brasilien wirkt Roundup nicht mehr. Hat der Anbau herbizidtoleranter Kulturen in die Sackgasse geführt? Über Ursachen und Folgen sprach top agrar mit Stephen Powles, dem führenden Resistenzforscher aus Australien.


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Die Probleme mit Unkraut­resistenzen nehmen immer mehr zu. Betroffen sind vor allem Länder, die seit Jahren Glyphosat-resistente Kulturen anbauen. Diese besitzen eine gentechnische Resistenz gegen das Totalherbizid Round­up. Was sind die Ursachen für die Probleme?


Powles: Resistenzprobleme gibt es weltweit in Regionen, in denen Vielfalt in den Anbausystemen so gut wie keine Rolle spielt. Länder wie die USA, Brasilien, Argentinien, Kanada und Australien mit Großbetrieben, hoher Herbizidabhängigkeit und einseitigen Fruchtfolgen haben daher große Probleme mit resistenten Unkräutern.


In weiten Teilen Asiens und Afrikas sind die Anbausysteme dagegen nach wie vor sehr vielfältig. Dort treten so gut wie keine Unkrautresistenzen auf. Auch Europa setzt auf einen vielfältigen Ackerbau, auf Pflügen und den Anbau nicht gentechnisch veränderter Kulturen.


Vor allem die USA und Brasilien, aber zunehmend auch Argentinien kämpfen mit Resistenzen. Wie schlimm ist die Situation?


Powles: In den USA bauen die Farmer auf 90 % der Mais-, Soja- und Baumwollfläche Glyphosat-resistente Sorten an. Bereits auf 24 Mio. ha wachsen Unkräuter, vor allem Amarant-Arten und Besenkraut, gegen die Glyphosat nicht mehr wirkt. Das entspricht der doppelten Ackerfläche Deutschlands. In Brasilien sind mittlerweile 27 % der Getreideanbaufläche mit Problem­unkräutern, vor allem Berufskräuter, Weidelgräser und Fingerhirsen, belastet. Insgesamt sind also allein in den USA und Brasilien 39 Mio. ha mit Glyphosat-resistenten Unkräuten und Ungräsern verseucht. Das sind 28 % der Soja- und Maisflächen dieser beiden Länder!


Welche Folgen hat das für die Landwirte?


Powles: US-Farmer haben seit dem ersten Auftreten Roundup-resistenter Unkräuter ihre Ausgaben für die Unkrautbekämpfung in Mais und Soja verdoppeln müssen. Vor den Resistenzproblemen lagen die Kosten bei 60 €/ha. Jetzt sind es über 160 € je ha in Mais und über 200 €/ha in Soja. In den Südstaaten der USA bekämpft man mittlerweile auf 52 % der Baumwoll-Anbau­fläche Unkräuter wieder per Hand. Das verursacht Kosten von 60 bis 300 €/ha.


Können Farmer, die Resistenzprobleme haben, nicht einfach wieder selektive Herbizide einsetzen?


Powles: Nein, weil die Unkräuter, die eine Resistenz gegen Glyphosat entwickelt haben, immer noch Resistenz-Gene gegen die vorher eingesetzten Herbizide wie ALS-Hemmer, Triazine und andere Wirkstoffgruppen besitzen. Deshalb können sie nicht einfach zu den ehemals verwendeten Herbiziden zurückkehren.


Was passiert, wenn Landwirte und Pflanzenschutz-Industrie nicht in diese Resistenzentwicklung eingreifen?


Powles: Über kurz oder lang ist es das Ende der gentechnischen Glyphosat-Resistenz. Glyphosat – der bedeutendste Herbizidwirkstoff auf der Welt. In 100 Jahren findet man nur einmal einen wie ihn. So gut und so einfach überzustrapazieren! Das ist ihm zum Verhängnis geworden.


Wie reagiert die Pflanzenschutz-Industrie auf die Resistenz-probleme?


Powles: Die chemische Industrie bietet zusätzlich Vorauflauf-Herbizide an, unternimmt verstärkt Anstrengungen, neue Herbizide zu entwickeln und bietet zusätzliche gentechnische Resi-stenz­eigenschaften gegen bereits bestehende Herbizide an wie Glufosinat (Basta), Dicamba, 2,4-D und HPPD. Diese Antworten sind sicher logisch, aber auch gegen diese Herbizide werden sich Resistenzen entwickeln. Denn kritisch ist, wie sie eingesetzt werden.


Muss der Zug erst gegen die Wand fahren, bevor sich etwas ändert?


Powles: Ja, die Gefahr ist groß. Viele nehmen die wachsenden Probleme nicht ernst genug. Bislang war die chemische Unkrautkontrolle erfolgreich. Die Landwirte haben sich an einfache Lösungsstrategien gewöhnt. Sie trauen sich noch zu wenig an vielfältigere und differenziertere Strategien heran oder lassen die Unkräuter einfach wachsen. Hinzu kommt, dass die Industrie Signale aussendet, dass sie neue Herbizide und gentechnische Lösungen in der Pipeline hat. Ich habe da Zweifel. Zudem steigt der wirtschaftliche Druck, weil es viele Anbieter von Generika gibt, die Herbizide vertreiben, deren Patente ausgelaufen sind. Leider denken auch viele Landwirte zu kurzfristig. Eine Periode niedriger Agrarpreise verstärkt diesen Effekt noch. Der hohe Anteil Pachtland verleitet auch zu kurzfristigen Entscheidungen.


Ist die Situation wirklich so hoffnungslos?


Powles: Nein, es gibt auch eine gute Nachricht: Herbizide bleiben viel länger wirksam, wenn man sie in eine vielfältige Strategie einbaut. Sie sind auch der Schlüssel für die künftige Unkrautkontrolle. Dafür benötigen sie aber vielfältige Anbausysteme und andere Technologien. Das sind z. B. die mechanische Bekämpfung von Unkrautsamen bei der Ernte, die teilflächenspezifische Unkrautbekämpfung und der Einsatz von Robotertechnik.


Wird man bald umdenken?


Powles: Daran wird kein Weg vorbeiführen. Die Mehrfach-Resistenzen bei den Unkräutern werden den Wandel erzwingen. Dabei werden alle Beteiligten in der Branche eine wichtige Rolle spielen, die Industrie, die Berater, die Ökonomen, die Fachmedien und die Regierung. Am wichtigsten dabei sind aber die Landwirte selbst.


Wie wird die Unkrautbekämpfung in 10 Jahren aussehen?


Powles: Landwirte in Deutschland, Österreich und der Schweiz werden weiter auf wirksame Herbizide zurückgreifen können, vorausgesetzt, sie behalten ihre vielfältige Wirtschaftsweise bei. Im Auge behalten muss man den Ackerfuchsschwanz. Er stellt bereits jetzt Landwirte in England, Frankreich und Deutschland wegen seiner ausgeprägten Mehrfachresistenz vor große Probleme.


USA, Brasilien, Kanada, Australien und Argentinien kämpfen bereits jetzt verstärkt mit Resistenzen. In 10 Jahren werden ihre Anbausysteme daher sehr viel weniger von Herbiziden abhängig sein. Nicht-chemische Bekämpfungsmethoden werden dann verbreitet im Einsatz sein. Herbizide bleiben zwar eine Schlüsseltechnik bei der Unkrautbekämpfung, sie werden aber nicht mehr so wichtig sein wie bisher.


Das Interview führte Hildegard Moritz.

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