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Artenschwund: Für mehr Biodiversität sind wir alle gefordert

Der Artenverlust hält weiter an. Um den Trend umzukehren, ist es wichtig, dass Politik, Landwirte und Naturschutz zusammenarbeiten – denn Artenschutz ist eine Gemeinschaftsaufgabe.

Lesezeit: 10 Minuten

Kaum ein Thema beherrscht die Medien zurzeit mehr als die Lage unserer Arten und des Klimas. Beides ist eng miteinander verbunden: So kann z. B. nur ein humusreicher Boden, in dem unzählige Bodenorganismen arbeiten, viel Kohlendioxid (CO2) speichern und somit als CO2-Senke das Klima entlasten.

Verschlechtert sich der Zustand hingegen, könnte sich die Landmasse laut neuerer Forschungsergebnisse künftig zur Kohlenstoffquelle entwickeln – das würde den Klimawandel in bisher nicht abschätzbarem Maße befeuern.

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Genauso wichtig für das Klima und obendrein für unsere Ernährungssicherheit ist auch eine funktionierende Biodiversität über dem Boden. So sorgt z. B. die Bestäubung von Insekten dafür, dass viele Pflanzen überhaupt Samen bilden können. Diese dienen neben dem Arterhalt auch als Nahrung für viele andere Tiere. Auf die Erträge würde sich zudem eine fehlende Bienenbestäubung fatal auswirken – bei Raps oder Sonnenblumen würden sie um 25 % einbrechen.

Biodiversität – also die Vielfalt des Lebens – ist somit unsere Grundlage, die es zu schützen gilt. Dabei stehen die Arten in komplexen Wechselbeziehungen zueinander. Welche Folgen es hat, diese zu stören, ist kaum abschätzbar.

Wie steht’s um die Arten?

Trotz vieler Bemühungen ist es um die Artenvielfalt derzeit nicht gut bestellt. Laut  Weltbiodiversitätsstudie  sind global etwa 1 Mio. Arten vom Aussterben bedroht – das fanden Forscher nach einer Auswertung von über 15 000 Studien und anderen Quellen heraus. Als direkte Treiber für den Artenverlust ermittelten sie eine veränderte Land- und Meeresnutzung, gefolgt von direkter Ausbeutung (z. B. Fischerei), Klimawandel, genereller Verschmutzung und Effekten invasiver Arten.

Diesen Trend wollen die Mitgliedstaaten des sogenannten Weltbiodiversitätsrates, darunter auch Deutschland, mithilfe vieler Maßnahmen umkehren – über alle Sektoren hinweg wie Politik, Industrie, Verbraucher und Landwirtschaft. An der Gemeinschaftsaufgabe „Mehr Biodiversität“ nehmen weltweit mittlerweile 132 Staaten teil. Ihr übergeordnetes Ziel lautet: eine nachhaltigere Zukunft schaffen.

Doch wie ist die Lage der Arten bei uns in Deutschland? Dass trotz vieler Teilerfolge noch Handlungsbedarf besteht, verdeutlicht z. B. der  Nationale Vogelschutzbericht 2019 , den das Bundesamt für Naturschutz kürzlich an die EU-Kommission übermittelt hat. Dieser zeigt, wie sich die Vogelbestände entwickeln und Brutpaare verbreiten. Hier einige Ergebnisse:

Bei den Brutvögeln hält sich der Anteil von Arten mit zunehmenden und abnehmenden Bestandstrends über eine Zeit von zwölf Jahren zwar ungefähr die Waage. Allerdings nimmt die Zahl der Großvogelarten wie Seeadler, Uhu und Schwarzstorch wieder zu, während vor allem die Bestände von Arten des Agrarlandes wie Rebhuhn oder Kiebitz weiter sinken.

Aus den Vogelschutzberichten der EU-Mitgliedstaaten sowie den Meldungen zur Umsetzung der FFH-Richtlinie erstellt die EU-Kommission einen europaweiten Bericht über den Zustand der Natur. Bestimmte Vogelarten gelten dabei als sogenannte Indikatorarten. Nimmt z. B. der Bestand einer Indikatorart ab, geht man davon aus, dass Arten mit ähnlichen Nahrungs- und Habitatansprüchen ebenfalls zurückgehen. Der nächste Bericht wird voraussichtlich im Herbst 2020 veröffentlicht.

Ein Grund für das Leiden von insektenfressenden Vogelarten ist, dass ihr Futtertisch nicht mehr so reichlich gedeckt ist wie früher. Wörter wie „Insektensterben“ oder „Insektenschwund“ sind momentan in aller Munde. Wie stark allerdings die Insektenpopulation tatsächlich sinkt, wird zurzeit intensiv diskutiert. Im Rahmen einer  Insektenstudie  der TU München erfassten Forscher von 2008 bis 2017 viele Insektengruppen in Brandenburg, Thüringen und Baden-Württemberg. Auf über 300 Flächen sammelten sie über eine Million Insekten und konnten nachweisen, dass viele der fast 2 700 untersuchten Arten rückläufig waren. Somit steht eins fest: Unsere Arten benötigen Hilfe!

Politik schnürt umfangreiche Hilfsprogramme

Bereits jetzt gibt es in Deutschland eine Vielzahl von Gesetzen zum Schutz der Biodiversität. Auch Brüssel redet beim Artenschutz ein Wörtchen mit. Die wichtigsten Regelungen entnehmen Sie der Zusatzinfo „Gesetze“.

Um vor allem den Insektenschutz voranzutreiben, hat die Bundesregierung im Koalitionsvertrag ein  Aktionsprogramm Insektenschutz  vereinbart. Es soll nach Angaben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) Insektenlebensräume und die Strukturvielfalt in der Agrarlandschaft fördern. Dazu will man z. B. die Liste von gesetzlichen Biotopen um artenreiches Grünland, Streuobstwiesen, Trockenmauern und Steinriegel erweitern und diese künftig im Bundesnaturschutzgesetz als geschützte Biotope ausweisen. Zusätzlich sollen im Rahmen des Programms Verbote von Herbizid- und Insektizidmaßnahmen in Schutzgebietskategorien wie Naturschutzgebieten, Nationalparks und FFH-Gebieten gelten.

Die geplanten Maßnahmen des Insektenschutzprogramms sollen über einen Mix aus Ordnungs- und Anreizpolitik umgesetzt werden. Für die Finanzierung sollen Gelder in Höhe von 80 Mio. € an die betroffenen Betriebe fließen. Ob das Programm bis zum Ende der Legislaturperiode der Großen Koalition umgesetzt wird und wie es im Detail aussieht, ist noch offen.

Kürzlich stellte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner zudem ihren Entwurf für eine  Ackerbaustrategie  bis zum Jahr 2035 vor. Auch diese enthält viele Punkte, die auf ein Mehr an Biodiversität abzielen. So hebt die Strategie z. B. den „Aufbau von regional abgestimmten biodiversitätsfördernden Maßnahmen“ in Anlehnung an das sogenannte Niederländische Modell hervor. Dort arbeiten Landwirtschaft, Umwelt und Verwaltung eng zusammen und bilden auch eine Kontrolleinheit. Ziele der Strategie sind u. a.:

  • das Fördern vielfältiger Fruchtfolgen,
  • das Erreichen eines Humusgleichgewichts in allen Ackerböden bis zum Jahr 2030 und
  • eine stärkere Berücksichtigung des Integrierten Pflanzenschutzes.

Die Ackerbaustrategie dient zunächst als Diskussionsgrundlage. Laut BMEL soll sie eine Art Handbuch für den Ackerbau der Zukunft sein.

Zudem will das BMEL den ökologischen Landbau noch stärker unterstützen, weil dieser nach Ansicht des Thünen-Instituts einen wichtigen Beitrag für die Arten leiste. Ziel der Bundesregierung ist, dass 20 % der Landwirtschaftsfläche bis zum Jahr 2030 ökologisch bewirtschaftet wird. Das BMEL fördert diese Bewirtschaftungsform z. B. über das „Bundesprogramm ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN)“.

EU-Förderung zielt verstärkt auf Umweltleistungen ab

Politisch stehen somit alle Vorzeichen auf die Förderung von Artenschutz. Das zeigt sich auch daran, wie sich die EU-Kommission die künftige Ausgestaltung der Agrarzahlungen vorstellt. So strebt Brüssel bei der Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2020 an, die Zahlungen stärker als bisher an Umweltleistungen zu knüpfen. Zudem will sie künftig auch Gelder der 1. Säule der GAP für den Umweltschutz einsetzen – und zwar über sogenannte Eco-Schemes. Diese sollen nach 2020 das Greening ablösen, was in den Augen der EU-Kommission zwar positive Umweltwirkungen erbracht hat, jedoch nicht in dem geplanten Umfang.

Die Teilnahme an diesen Eco-Schemes, die in direkter Konkurrenz zur Basisprämie stehen und die man jährlich neu beantragen muss, soll nach bisherigen Aussagen für die Landwirte freiwillig sein. Bund und Länder beraten gegenwärtig, welche Maßnahmen angeboten werden könnten. Vorgaben für die finanzielle Mindestausstattung dieses neuen Förderinstruments gibt es derzeit noch nicht.

Neuer Betriebszweig Biodiversität?

Wie viel Geld z. B. nach der Neugestaltung der GAP oder nach Umsetzung der verschiedenen Programme des BMEL für den Artenschutz in die Landwirtschaft fließen wird, darum wird nun heftig gerungen. Fest steht, dass sich künftige Zahlungen mehr an Umweltzielen orientieren werden als heute. Die Politik hat nach eigenen Aussagen aber verstanden, dass sich Maßnahmen wirtschaftlich in die Betriebe integrieren lassen müssen, um nachhaltig zu sein. „Für die Anforderungen der Gesellschaft für mehr Artenschutz muss es eine faire Entlohnung geben“, verkündete Ministerin Julia Klöckner bei der Präsentation ihrer Ackerbaustrategie.

Wer demnach im Rahmen von freiwilligen Maßnahmen, aber auch des Greenings und von Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM) z. B. Blühstreifen/-flächen, Brachen oder Pufferstreifen anlegt, kann auch künftig mit Fördermitteln aus dem EU- und Bundeshaushalt rechnen – wenn auch in abgeänderter Form. Damit der Artenschutz für die Betriebe in Zukunft ein wirtschaftlicher Betriebszweig werden kann, gilt es aber, die Maßnahmen geschickt aufeinander abzustimmen – und zwar aus Sicht des Artenschutzes und der Ökonomie.

Welche Einzelmaßnahmen sich auf welchen Standorten eignen und was dabei zu beachten ist, lesen Sie in den Folgebeiträgen von Seite 8 bis 26. Wie versierte Praktiker diese Maßnahmen geschickt miteinander kombinieren, um die Effekte auf den Artenschutz zu erhöhen, lesen Sie in den Reportagen ab Seite 28. Wer Hilfe von der Beratung benötigt, um Details z. B. zu Förderhöhen und Auflagen zu erfahren, findet die zuständigen Stellen ab Seite 34. Unter www.topagrar.com/foerderung2020  haben wir für Sie zudem eine Liste zu aktuellen Förderhöhen von AUKM und Greeningmaßnahmen erstellt.

Gemeinsam für mehr Arten

Weil Artenschutz wirklich jeden angeht, betreffen viele Aktivitäten – z. B. im Insektenschutzprogramm – auch andere Bereiche wie Siedlungsentwicklung, Lichtverschmutzung, Gärten und Verkehrsflächen. Die besondere Bedeutung der Landwirtschaft sehen die Politiker darin, dass sie mit knapp 50 % der Gesamtfläche Deutschlands die größten Flächennutzer sind.

Wichtig ist nun, dass alle Beteiligten sich der Gemeinschaftsaufgabe „Mehr Biodiversität“ stellen. Mit den Ergebnissen aus Projekten wie z. B. F.R.A.N.Z. oder dem FarmNetzwerk Nachhaltigkeit lassen sich Maßnahmen zum Artenschutz noch effizienter gestalten – auch wirtschaftlich.

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Gesetze: Regeln zum Artenschutz

Die EU und Deutschland haben sich über eine Reihe von Gesetzen zum Artenschutz verpflichtet. So regelt z. B. die EU-Artenschutzverordnung, die das Washingtoner Artenschutz-Übereinkommen (CITES) umsetzt, den internationalen Handel mit gefährdeten Tier- und Pflanzenarten. Zudem gibt es die sogenannte EU-Vogelschutzrichtlinie. Ihr Ziel ist es, sämtliche im Gebiet der EU-Staaten natürlicherweise vorkommenden Vogelarten einschließlich der Zugvögel in ihrem Bestand dauerhaft zu erhalten. Eine weitere EU-Bestimmung ist die FFH-Richtlinie. Diese verfolgt das Ziel, wildlebende Arten, deren Lebensräume und die europaweite Vernetzung dieser Lebensräume zu sichern.

Die Umsetzung der Vogelschutz- und FFH-Richtlinie in Deutschland regelt das Bundesnaturschutzgesetz, die -artenverordnung sowie zum Teil das Jagdrecht. Im internationalen Kontext hat Deutschland zudem das „Übereinkommen über die biologische Vielfalt“ unterzeichnet. Für die Umsetzung hat die Bundesregierung die „Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt“ verabschiedet. Das Programm ist mit über 400 Maßnahmen äußerst umfangreich.

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Kommentar: Praxisnähe statt Kontrollwut

Wer seine Blüh- und Pufferstreifen sowie andere Maßnahmen zum Artenschutz im Rahmen des Greenings oder über Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen fördern lässt, muss mit

regelmäßigen Kontrollen rechnen. Das Wichtigste ist nach Aussagen vieler Landwirte dabei, dass die Kontrolleure praxisnah arbeiten. Es kann nicht sein – und das ist schon vorgekommen – dass sogar ein etwas zu breiter Pufferstreifen aberkannt wird. Zudem muss ein Kontrolleur Verständnis dafür haben, dass ein angelegter Streifen bei Extremwetter mal verhageln kann. In diesen Situationen gleich den Rotstift anzusetzen, führt sicherlich nicht dazu, dass die Motivation für solche Maßnahmen bei den Landwirten steigt.

Die Politik sollte das Thema „Maßvolle Kontrollen“ demnach unbedingt berücksichtigen. Was nutzen sonst all die neu geplanten Anreizprogramme für die Artenvielfalt, wenn Landwirte sie wegen einer übertriebenen Kontrollwut der Behörden nicht umsetzen? Damit Artenschutz gelingt, müssen zudem die Fördertöpfe so ausgestattet sein, dass Biodiversität für die Betriebe künftig ein lohnender Betriebszweig sein kann.

Aber auch die Landwirte sind gefordert. Nur wer die Maßnahmen passend für seinen Betrieb auswählt und sie sinnvoll kombiniert, leistet einen echten Beitrag für die Arten. Wertvoll kann es sein, die Strategien mit Beratern zu besprechen. Denn sie können die Effektivität der Maßnahmen beurteilen – sowohl hinsichtlich des Artenschutzes als auch der Wirtschaftlichkeit.

Letzter Punkt ist die unsägliche Diskussion über den Ackerstatus. Im Sinne der Arten muss die EU nun endlich dafür sorgen, dass Flächen, auf denen z. B. mehrjährige Blühflächen länger als fünf Jahre stehen, nicht den Ackerstatus verlieren!

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