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Bei uns verboten, in Polen erlaubt - Hersteller lassen Raps im Nachbarland beizen

Weil alternative Rapsbeizen bei uns im Zulassungsprozess festhängen, in anderen EU-Ländern aber längst zugelassen sind, müssen deutsche Hersteller ihr Saatgut aufwändig bei den Nachbarn beizen lassen

Lesezeit: 5 Minuten

Der Wegfall relevanter Lösungen und Wirkstoffe im Pflanzenschutz führt bei Raps zu Behandlungslücken gegen Schädlinge und Krankheiten, die für den deutschen Rapsanbau den Verlust von Wettbewerbsfähigkeit bedeuten. Das berichtete Dietmar Brauer, stellvertretender UFOP-Vorsitzender, auf der Grünen Woche in Berlin.

So komme es seit einigen Jahren zu sinkenden Erträgen und einem Rückgang der Erntemengen in Deutschland: Im Jahr 2014 wurde mit rund 6,2 Mio. t noch die zweithöchste Rapsernte aller Zeiten eingebracht (44,8 dt/ha). Im Folgejahr 2015 verringerte sich diese auf 5,0 Mio. t (39,1 dt/ha), dann 2016 auf 4,6 Mio. t (34,6 dt/ha), um 2017 auf 4,3 Mio. t zurück zu gehen (32,7 dt/ha). Im Jahr 2018 sank die Erntemenge dann auf 3,7 Mio. t (30,0 dt/ha), um 2019 nur noch 2,8 Mio. t zu erreichen (33,1 dt/ha).

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Die Folge seien zunehmende Importe von Rapssaat z. B. aus der Ukraine. Laut Brauer haben sich die Rapssaatimporte aus der Ukraine vom Wirtschaftsjahr 2014/2015 in Höhe von rund 120.000 t bis zum Wirtschaftsjahr 2018/2019 auf rund 740.000 t mehr als versechsfacht! Und auch im aktuell laufenden Wirtschaftsjahr seien bis Ende Oktober 2019 bereits wieder rund 600.000 t Rapssaat aus der Ukraine zur Verarbeitung in deutschen Ölmühlen eingeführt worden.

Die Jahreswitterung und der Klimawandel hätten ebenfalls Einfluss auf die Rapserträge und damit auf die Erntemengen. "Wir stellen jedoch fest, dass zunehmend die gravierenden Probleme im Pflanzenschutz zu erheblich größeren Ertragsschwankungen auf insgesamt geringerem Ertragsniveau führen", so Brauer, der dies beispielhaft am Winterrapssaatgut erläuterte.

Kleine Kohlfliege nicht mehr bekämpfbar

So sei vom Wegfall bzw. dem Verbot relevanter Wirkstoffe das gesamte in Deutschland eingesetzte Saatgut betroffen. Bereits durch das 2013 beschlossene Verbot neonikotinoider Beizen (Wirkstoffe Clothianidin, Imidachloprid und Thiamethoxam) sei die Kleine Kohlfliege gar nicht mehr bekämpfbar. Gegen den Rapserdfloh und Blattläuse müssten im Herbst zum Teil mehrfach Flächenspritzungen erfolgen.

Durch die eingeschränkte Wirkstoffauswahl – es sind lediglich Pyrethroide zugelassen – machen sich zunehmend Resistenzen breit, so der Fachmann weiter. Die eingeschränkte Schädlingsbekämpfung wiederum führe zu Pflanzenverlusten und geschwächten Einzelpflanzen mit einem geringeren Ertragspotenzial.

Cyantraniliprole hängen weiter im Zulassungsprozess fest

Ein alternativer insektizider Beizwirkstoff (Cyantraniliprole) befindet sich laut Brauer seit Jahren in Deutschland im Zulassungsprozess. Die deutschen Rapszüchter hätten bereits mehrfach erfolglos auf die Erteilung der Zulassung zur nächsten Saatgutsaison gewartet.

"Dieser Wirkstoff ist in unserem Nachbarstaat Polen hingegen bereits seit mehr als drei Jahren regulär und langfristig zugelassen. Ab 2020 steht auch kein Schutz gegen Auflaufkrankheiten mehr zur Verfügung, da für eine Beizung in Deutschland nach der EU-weiten Nicht-Verlängerung der Zulassung für den Wirkstoff Thiram kein Mittel mehr zugelassen ist. Diese bodenbürtigen Schaderreger können nur mit einer Saatgutbeizung bekämpft werden", so der stellvertr. UFOP-Vorsitzende.

Auch hierfür sei ein Nachfolgeprodukt (Kombination der Wirkstoffe Fluopicolide und Fluoxastrobin) vorhanden. In Tschechien ist bereits eine Zulassung erteilt, während sich das Zulassungsverfahren in Deutschland ebenfalls hinzieht.

Notlösung Ausland

Im Ergebnis würden sich immer mehr Rapszüchter entscheiden, ihr Saatgut außerhalb Deutschlands aufbereiten zu lassen, um den Landwirten in Form von importiertem Rapssaatgut dennoch eine möglichst hochwertige Beizausstattung zur Verfügung zu stellen. "Das ist jedoch nicht für 100 % des Saatgutes möglich und verteuert die Saatgut-Logistik erheblich."

Die entsprechenden Auswirkungen wiederum verschlechtern nach Ansicht der UFOP die Wettbewerbsfähigkeit des Rapsanbaus in Deutschland erheblich. Gleichzeitig stünden moderne und zertifizierte Beizanlagen in Deutschland still.

Beizqualität heute nicht mehr vergleichbar mit 2008

"Hierzu möchte ich Ihnen berichten, dass in einem Pilotprojekt der deutschen Rapszüchter in Zusammenarbeit mit den Zulassungsbehörden seit 2008 die Beizqualität erheblich verbessert und der Staubabrieb auf ein Minimum reduziert wurde. Aus diesem Projekt resultiert die Zertifizierte Rapsbeizstelle", erinnert Brauer.

Am 18. Mai 2011 hätten sieben Verbände der Saatgutwirtschaft und der chemischen Industrie, u. a. dem Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter, der UFOP und dem IVA, die SeedGuard-Gesellschaft für Saatgutqualität mbH gegründet, um die Zertifizierung von Beizstellen unabhängig zu institutionalisieren.

Sehr schnell hätten dann alle in Deutschland tätigen Betreiber ihre Rapsbeizanlagen zertifizieren und regelmäßig auditieren lassen, um die seinerzeit in Kraft gesetzten Auflagen der Zulassungsbehörden für die Nutzung der Beizneonicotinoide auch weiterhin zu erfüllen.

Die bis heute aufrechtgehaltene Zertifizierung der Rapsbeizanlagen sei gemeinsam mit dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) sowie dem Julius Kühn-Institut (JKI) entwickelt worden.

Mit beauftragten, professionellen Zertifizierungsstellen wie z. B. der SGS Germany GmbH stelle SeedGuard sicher, dass Umwelt- und Anwenderfreundlichkeit der Beizung nachhaltig gesichert und perfektioniert werden. "Allerdings ist dieser von der Saatgutwirtschaft getragene Aufwand bereits langjährig ohne jeglichen Nutzen für die Anbieter von Rapssaatgut in Deutschland. Es stehen in Deutschland keine zugelassenen insektiziden Beizwirkstoffe mehr zur Verfügung", bedauerte der UFOP-Vertreter in Berlin.

Forderungen

Sein Verband fordert daher von den Zulassungsbehörden, im Rahmen des geltenden Pflanzenschutzrechts der deutschen Landwirtschaft wirksame Pflanzenschutz-Lösungen zur Verfügung zu stellen und dies unter Einhaltung geltender Fristen für die Zulassung.

"Wir fordern, dass es keinen Sonderweg in der nationalen Bewertung geben darf, der die Wettbewerbsfähigkeit des Anbaus in Deutschland in Frage stellt. Darüber hinaus appelliere ich an die Zulassungsbehörde BVL, in einen Dialog mit der praktischen Landwirtschaft einzutreten, um Bekämpfungsprobleme bei Schädlingen und Krankheiten im Raps mit vertretbarem Aufwand zu lösen. Hierbei denke ich insbesondere an die Möglichkeit einer Artikel 53-Genehmigung – der sogenannten Gefahr in Verzug-Zulassung. Diese liegt im Ermessen der nationalen Zulassungsbehörden", sagte Brauer.

Andere EU-Mitgliedsstaaten würden dieses Instrument durchaus im Sinne des heimischen Ackerbaus entsprechend der Notwendigkeit handhaben.

In der Diskussion könne er weitere Beispiele vom Wegfall für uns wichtige Wirkstoffe nennen. Das Verbot des Insektizids Thiachloprid oder die Streichung von Diquat. "Diquat hat uns insbesondere in der Saatguterzeugung zur Ernteerleichterung geholfen. Jetzt müssen Saatguterzeuger, wie vor über 50 Jahren, Schwadleger einsetzen. Das ist tatsächlich Landwirtschaft der Groß- und Urgroßväter."

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