Deutschlands Pflanzenvielfalt soll auf dem Rückzug sein: Bei über 70 % von mehr als 2.000 untersuchten Arten seien in den letzten 60 Jahren deutschlandweit Rückgänge zu beobachten, teilt das Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit.
Seit den 1960er Jahren hätten die rückläufigen Arten Einbußen von durchschnittlich 15 % zu verzeichnen. Das sei das Ergebnis der bislang umfassendsten Auswertungen von Pflanzendaten aus Deutschland überhaupt, so das BfN. 29 Mio. Daten zur Verbreitung von Gefäßpflanzen seien in die Analysen eingeflossen.
Beteiligt waren Forschende von den Universitäten Jena, Halle und Rostock, des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) sowie des BfN unter enger Beteiligung der oberen Naturschutzbehörden aller 16 Bundesländer.
In der Fläche sei demnach über ganz Deutschland hinweg in jedem Rasterfeld (ca. 5 mal 5 km) ein mittlerer Rückgang der Artenvielfalt um rund 2 % pro Jahrzehnt zu verzeichnen. Zu den Verlierern zählten insbesondere Archäophyten, das sind Arten, die durch den Menschen, aber bereits vor der Entdeckung Amerikas nach Deutschland gelangten. Dazu gehören unter anderem große Teile unserer Ackerbegleitflora, wie die Saat-Wucherblume und der Echte Frauenspiegel, aber auch Arten, wie der Große Klappertopf und der Gute Heinrich. Dagegen konnten sich viele Neophyten, also Arten, die nach 1492 Deutschland erreicht haben, ausbreiten, wie zum Beispiel das Drüsige Springkraut oder das Schmalblättrige Greiskraut.
Die Ergebnisse machen deutlich, dass selbst diese Zunahme die Verluste der Artenzahl pro betrachteter Flächeneinheit nicht ausgleichen konnten.
BfN-Präsidentin Prof. Dr. Beate Jessel fordert dementsprechend ein Umdenken im Umgang mit der Natur. Und sie weiß auch schon wie: "Wir müssen breit in der Fläche an der Land- und Forstwirtschaft ansetzen, die beide zusammen ja 80 % der Flächen in Deutschland einnehmen. Naturverträglichere Nutzungsformen sind dringend geboten."
"Die Ergebnisse haben uns in dieser Deutlichkeit wirklich überrascht. Sie zeichnen ein sehr düsteres Bild des Zustandes der Pflanzenvielfalt in Deutschland", sagt Erstautor Dr. David Eichenberg. "Dabei wurde bestätigt, dass die Rückgänge nicht auf die ohnehin seltenen oder besonders gefährdeten Arten beschränkt sind, sondern offensichtlich schon seit längerem ein schleichender Biodiversitätsverlust der Mehrzahl der Pflanzenarten in Deutschland stattfindet."
Die Autoren halten es für wahrscheinlich, dass der beobachtete Rückgang der Pflanzenvielfalt wesentliche Auswirkungen auf die Biodiversität und die Leistungen von Ökosystemen hat. Aufgrund der oft sehr komplexen Zusammenhänge zum Beispiel über Nahrungsnetze und Kaskadeneffekte, könnten derartige Verluste sehr gravierende Auswirkungen haben. Offensichtlich würden die vielschichtigen Beziehungen bei den Insekten, die sowohl in ihrer Vielfalt als auch in ihrer Häufigkeit abnehmen.