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Bewässerung

Bio-Gemüse im Damm am Hang

Mitten im Göttinger Hügelland hat Familie Müller-Oelbke einen großen Bio-Gemüsebetrieb aufgebaut.Grundlage ist die Bewässerung. Fachleute sind verdutzt: Geht das, Gemüse am Hang beregnen?

Lesezeit: 9 Minuten

Nein, eine klassische Beregnungsgegend ist das Göttinger Hügelland Richtung Harz gewiss nicht. Umso erstaunlicher ist die Erfolgsgeschichte des Biolandhofes Müller-Oelbke aus Gleichen-Etzenborn (Kreis Göttingen) an der Grenze zu Thüringen. Was Bewässerungsberater und -hersteller für schwer umsetzbar halten, funktioniert hier bestens: Die Bewässerung von Gemüse – teils in Dammkulturen – am Hang. Letztlich war es die Marktnachfrage, die Christoph Müller (59) und Andrea Oelbke-Müller (58) im Jahr 1989 zum Gemüseanbau brachte.

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Angefangen haben sie mit Kartoffeln und Möhren, dann fragte der Biogroßhändler Naturkost Elkershausen immer größere Mengen und weitere Produkte an. Heute liefert der Betrieb an sechs Großhändler 16 verschiedene Gemüsearten und besitzt eine eigene Verpackungshalle samt Kühlhaus. Seit 2017 ist auch Sohn Johannes (26) Gesellschafter.

Volles Sortiment

Der Pachtbetrieb bewirtschaftet 350 ha, darunter 95 ha Kartoffeln, Zuckerrüben und Sonderkulturen, wie Brokkoli, etliche Kohlarten (Romanesco, Spitzkohl, Blumenkohl, Wirsing, Rot- und Weißkohl), Rote Beete sowie 16 ha Möhren. Möglich macht das alles nur die Beregnung. Sie ist nicht nur fester Bestandteil des Anbaus, sondern auch Lebensversicherung und Risikovorsorge, schildert Christoph Müller.

Auslöser war der Hitzesommer 2003. Damals wurde der Familie klar, dass ein trockener Sommer riesige Schäden anrichten kann. „Der Großhändler fragte immer mehr Ware nach, nur ohne Bewässerung wäre der Gemüseanbau hier in der Region zu riskant“, berichtet Müller. Und Johannes verdeutlicht: „Wir haben hier für 10 000 € Möhrenpflanzen, die in einem trockenen Sommer rund 80 l zusätzliches Wasser benötigen. Auch die Kohljungpflanzen müssen angeregnet werden. Jeder Setzling kostet 5 bis 7 ct pro Stück, der Schaden wäre sonst zu groß. Zudem trocknet der Wind die Jungpflanzen sehr schnell aus.“

Großes Reservoir

Als Glücksfall für den Biolandhof erwies sich der 200 m mächtige Grundwasserspeicher im Buntsandstein unter dem Hof. Hier läuft jährlich so viel Wasser nach, dass die benachbarte Trinkwasserquelle des Ortes Etzenborn nicht gestört wird. Ein Gutachten eines von der Familie bestellten Geologen brachte Gewissheit. Müller rät dabei grundsätzlich dazu, solche Experten zu bestellen: „Das Amt stellte sich anfangs quer, die Beantragung der Genehmigungen war sehr aufwendig. Doch gegen die Analyse des Fachmanns hatten auch die Beamten nichts mehr in der Hand“, erinnert sich der Landwirt.

Dank des Geologen erhielt Müller eine jährliche Entnahmegenehmigung für 45 000 m3 Wasser. „Der Geologe war zwar teuer, auf lange Sicht hat seine Arbeit uns aber sehr viel Geld gespart“, weiß Müller. Er sei auf der sicheren Seite und liefere den Behörden keine Angriffspunkte.

Aus gutem Grund

Heute besitzt der Hof drei Brunnen: Zwei Brunnen auf 220 m über NN liefern zusammen 43 m3/Stunde, der dritte auf 240 m NN 17 m3 Wasser. An heißen, trockenen Tagen stehen so 60 m3 pro Stunde zur Beregnung zur Verfügung. 2019 hat Müller bis Oktober 25 000 m3 Wasser verbraucht.

Die 60 cm breiten Brunnerohre reichen 90 m tief. Im Filterkies der Brunnen wie auch in der Druckerhöhungsstation arbeiten verschiedene Pumpen mit einer Gesamtleistung von 80 kW. Der Strom kommt von der eigenen Solaranlage auf dem Hof, die zudem über einen Batteriespeicher verfügt. Zentrale Verteilstelle ist die Druckstation in der auf 240 m Höhe liegenden Betriebshalle. Hier steht eine Drehkolbenpumpe Q40 mit Impulsgeber. Sie fördert 55 bis 60 m3 Wasser je Stunde.

Digital überwacht

„Ein befreundeter Elektriker hat uns das Kontrollsystem gebaut. Wir haben hier eine volumenabhängige Steuerung wegen der großen Höhenunterschiede von bis zu 80 m. Je 10 m Höhenunterschied benötigt man zusätzlich ein Bar Druck“, erklärt der 26-jährige Junglandwirt Johannes und zeigt auf seinem Smartphone ein Controlpanel. Hierüber kann er nicht nur die aktuellen Werte sehen, sondern auch Einstellungen wie Durchflussmenge, Start-Stoppzeiten und Alarme festlegen.

Auch die Pumpen in den Brunnen kann er einzeln ansteuern, und so z. B. bei großem Wasserbedarf alle drei zusammenschalten. An einem Schaltschrank finden sich die gleichen Einstellungsoptionen an einem Monitor. Die Grafik hat der Elektriker programmiert. Damit das so funktioniert, liegen Strom- und Glasfaserkabel neben den Wasserleitungen mit in der Erde. „Man schläft ruhiger mit einem Überwachungssystem“, sagt Müller und möchte die Vorteile der Digitalisierung nicht mehr missen.

Von der Halle aus beliefert die Zentral-Pumpe das komplette Bewässerungsnetz. Müller hat per Dränagefräse 6 km Rohr mit einem Durchmesser von 100 bis 125 mm auf bis zu 1 m Tiefe verlegt. Bei den 100er-Rohrdurchmessern ist ein Druck von 12 bar möglich, die 125 verkraften 16 bar. Alle 80 m liegt ein Hydrant von Perrot.

Intelligent regnen

Für die volumenabhängige Beregnung am Zielort setzt die Familie eine Kanone, einen Düsenwagen sowie einen Gießwagen ein. Die Trommelsysteme kommen von Bauer (Rainstar T61) und RM. Über den Beregnungscomputer lassen sich Menge und Einzuggeschwindigkeit sowie Start- und Stoppzeiten einstellen. Jeder Stativwagen hat 330 m Schlauch mit 100 mm Innendurchmesser an Bord. Mit 4,1 bar kommt das Wasser an der Trommel an, 1,1 bar sind es dann noch am Regner. „Das zeigt, dass 3 bar Druck an der Vollstromturbine für den Einzug verbraucht werden.“

An den drei Beregnungssystemen haben Christoph und Johannes Müller lange getüftelt. Das Vorgehen beschreiben Sie so:

Düsenwagen: Der angeschlossene Düsenwagen sprüht feinen Nebel auf 40 m Breite. Müllers setzen ihn hauptsächlich auf ebenen und auf leicht hängigen Flächen ein. Auch in der Schräge läuft die Bewässerung zuverlässig, berichten die Landwirte, und überraschten damit auch den Hersteller. „Der Vorteil des Düsenwagens ist der Wassernebel. Ton neigt zur Verschlämmung, gerade bei Möhren können wir so eine Verkrustung des Bodens vermeiden“, berichten die Niedersachsen. Zudem sei das System sehr wasser- und energiesparend.

Kanone: Deutlich mehr Druck benötigt die Wasserkanone. Erst ab 6,5 bar Druck beginnt sie zu arbeiten, schafft dann aber auch 40 m3/Stunde. Müllers lassen sie mit noch höherem Druck laufen, damit sie weiter schießt und sich das Wasser beim Regnen stärker vernebelt, um die Pflanzen nicht zu schädigen. Nachts, in der windstillen Zeit, läuft die Kanone, während der Düsenwagen – wenn nötig – morgens laufen kann. Nachteil des Systems: Es kann immer nur ein Regner im Einsatz sein.

Gießwagen: Die dritte Variante haben die findigen Unternehmer selbst gebaut. Aus einer alten Spritze haben sie einen Gießwagen gebaut, der Wasser auf entfernten Pachtflächen ausbringen kann. Er verfügt über eine hydraulische Deichsellenkung sowie einen Verschieberahmen. Die Düsen von Lechler bringen das Wasser dann mit 2 bar Druck gezielt auf die Reihenkulturen aus. „So müssen wir nur ein Fünftel der Fläche tatsächlich beregnen“, erklären die Göttinger.

Mit einer Überfahrt könnten sie 8 l Wasser pro m2 ausbringen. Die 4 000 l des Fasses reichen für 0,25 ha bei 1,7 km/h Fahrgeschwindigkeit. Theoretisch können sie so 4 ha am Tag bewässern. Ein Wasserzubringer sorgt dabei für Nachschub. Dieses Prinzip hat die beiden Gemüsebauern inzwischen so überzeugt, dass sie über den Kauf eines Pumptankwagens nachdenken, der 100 bis 200 m3 Wasser pro ha auf entfernten Kohlflächen ausbringen könnte.

Die Kosten für die gesamte Wassertechnik des Hofes veranschlagen Christoph und Johannes Müller auf insgesamt über 500 000 €, wobei jeder Brunnen etwa 100 000 € gekostet hat.

Ackerbauliche Kniffe

Wasser allein macht aber noch keinen guten Ertrag. Es ist die 17-jährige Erfahrung des Biolandhofes in der pfluglosen Mulchbewirtschaftung, die den ackerbaulichen Erfolg garantiert. Gearbeitet wird quer zum Hang mit einem holländischen GPS-Spurführungssystem und kameragesteuerten Anbaugeräten samt automatischen Verschieberahmen und Spurscheiben. Um Erosion zu verhindern, setzen die Gemüsebauern z. B. auf den Dyker von Grimme. Das Gerät besitzt schräg gestellte Schaufeln und gräbt Löcher in die Furchen zwischen den Dämmen. In diesen kleinen Querdämmen sammelt sich das Wasser. Ein Abfließen des Wassers zwischen den Reihen wird verhindert. Zudem sickert es überall gleichmäßig ein.

Ein weiterer Trick ist das Ausbringen von gehäckseltem Stroh. Dazu kommt ein Einstreugerät von Tomahawk aus der Tierhaltung zum Einsatz. Er streut 12 m breit, etwa in jungem Kohl. Gerade hier muss der Boden sehr fein sein und wäre damit erosionsgefährdet. Dank des Strohs ist eine Beregnung am Hang möglich, erklärt Müller. Es hält die Feuchtigkeit und dämpft den Aufprall der Wassertropfen ab.

Unter anderem vor Zuckerrüben setzt der Ökobetrieb den Kompaktor von Lemken ein. Er liefert ein feinkrümeliges, gleichmäßig tiefes und gut rückverfestigtes Saatbett, argumentieren die Fachmänner. „Das ist ideal für Feinsämereien. Wir arbeiten ganz flach und zerschneiden nur die obersten 2 bis 4 cm. Damit schonen wir den Boden und halten das Wasser“, sagt Johannes Müller.

Bei der Bewässerung an heißen Tagen haben dann Kohl, Brokkoli und Blumenkohl stets Vorrang. „Kohl benötigt bei 30 °C im Sommer mindestens 40 l pro Woche. Insbesondere in der Hauptwachstumszeit und vor der Ernte brauchen die Pflanzen Wasser. Entscheidend ist hier besonders die Qualitätserhaltung“, so Müller.

Auch die Möhren und alles Gemüse, dass knackfrisch geerntet wird, braucht Wasser. Geht es bei den Kartoffeln Richtung Ernte, bekommen auch sie, falls nötig, 18 bis 28 l/m2 Regen, um Erntebeschädigungen der Kartoffel zu minimieren. Für die Zukunft plant der Biolandhof Müller-Oelbke daher noch die Anschaffung von flexiblen Schläuchen für entfernte Kartoffelfelder.

Diese Reportage stammt aus dem neuen top agrar-Ratgeber „Beregnung“. Sie können ihn für 29,90 € (top agrar-Abonnenten zahlen 25,00 €) unter shop.topagrar.com bestellen.

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Betriebsspiegel

Biolandhof Müller-Oelbke GbR,

Gleichen-Etzenborn (Niedersachsen)

Mitarbeiter: 11 Angestellte, 20 Saisonarbeiter

Acker-/Gemüsebau: 350 ha gesamt, davon 95 ha Kartoffeln, Zuckerrüben, Sonderkulturen wie Kohl, Brokkoli; 16 ha Möhren

Boden: Ton-Schluff auf Buntsandstein, 45 bis 70 Bodenpunkte, 650 mm Niederschlag; nutzbare Feldkapazität 120 bis 140 l in durchwurzelbarer Zone

Besonderheit: teils 20 ° Hangneigung, bis zu 80 m Höhenunterschied; Beregnung auch am Hang

Wasser: Genehmigung für 45 000 m3 Wasser; drei Brunnen, insgesamt 60 m3 Förderleistung pro Stunde

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