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BVL: Art der Mittelzulassung wird sich verändern müssen

Die Bürger wollen keine Pflanzenschutzmittel und die Politik reagiert. Der Schutz von Kulturpflanzen ist damit nicht (mehr) das alleinige und vorrangige Ziel. Alternativen müssen her.

Lesezeit: 4 Minuten

Ein Kommentar von Dr. Martin Streloke, Leiter der Abteilung Pflanzenschutzmittel im Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL).

Die seit Jahren andauernde öffentliche Diskussion zeigt eines sehr deutlich: Die Gesellschaft steht Pflanzenschutzmitteln auf dem Acker, in menschlicher Nähe, in der Umwelt oder in Nahrungsmitteln kritisch gegenüber. Darauf nimmt die Politik Rücksicht und orientiert daran auch die Pflanzenschutzpolitik.

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Sowohl auf nationaler Ebene (Ackerbaustrategie) als auch auf europäischer Ebene (Farm-to-Fork-Strategie) wurden deshalb ambitionierte Reduktionsziele für die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln und der von ihnen ausgehenden Risiken formuliert.

Sicherheit steht vorn

In Europa regelt die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 die Bedingungen für die Genehmigung von Wirkstoffen und die anschließende Zulassung von Pflanzenschutzmitteln. Die wichtigsten Vorgaben lauten: Pflanzenschutzmittel dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier oder unannehmbare Auswirkungen auf die Umwelt haben. Der Schutz von Kulturpflanzen ist damit nicht (mehr) das alleinige und vorrangige Ziel.

Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass die EU-weit erteilte Genehmigung eines Wirkstoffs regelmäßig überprüft wird. Wenn die sichere Anwendung eines Wirkstoffs nicht mehr gezeigt werden kann, wird dieser nicht erneut genehmigt oder sogar Genehmigungen widerrufen. Die dazugehörigen nationalen Zulassungen für Pflanzenschutzmittel fallen weg.

Ein aktuelles Beispiel hierfür ist der fungizide Wirkstoff Chlorthalonil. Er wurde wegen zu hoher Risiken sowohl für die Umwelt als auch für die menschliche Gesundheit nicht erneut genehmigt. Das zeigt, dass das Pflanzenschutzrecht an dieser Stelle funktioniert – ein hohes Schutzniveau für Mensch, Tier und Umwelt wird sichergestellt. Das wirkt sich natürlich aber auch auf die landwirtschaftliche Praxis aus.

Wegfall von Mitteln hat gravierende Folgen

Bei der Kritik am Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wird oft vergessen, welchen Zweck und Nutzen diese haben. Denn sie sollen unsere Kulturpflanzen vor allem vor Schaderregern schützen.

Der Verzicht auf Chlorthalonil-­haltige Pflanzenschutzmittel kann zu gravierenden Pflanzenschutzproblemen bei der Gerste führen. Der Pilz Ramularia z. B. kann ohne Chlorthalonil mit den verfügbaren Fungiziden nur noch unzureichend bekämpft werden. Das Ausweichen auf andere Wirkstoffe kann darüber hinaus zur Ausweitung und Beschleunigung der bestehenden Resistenzen und somit zum Wirkungsverlust anderer zugelassener Mittel sowie zu erheblichen Ertragseinbußen führen.

Immer mehr Notfallzulassungen

In solchen Situationen können Notfallzulassungen wichtig sein: Wenn keine ausreichenden Alternativen bestehen, um bestimmte Probleme im Pflanzenschutz zu lösen, stellen Notfallzulassungen eine gesetzlich vorgesehene, aber zeitlich befristete Möglichkeit dar, Pflanzenschutzmittel unter strengen Auflagen zur Verfügung zu stellen.

In den letzten Jahren ist die Anzahl der Notfallzulassungen bzw. die dabei ausgewiesenen Flächengrößen gestiegen. Notfallzulassungen sind insbesondere im Obstbau wichtig, da die Anzahl der zugelassenen Insektizide hier nicht mehr ausreicht.

Die Zahl der verfügbaren Pflanzenschutzmittel gerade im ökologischen Anbau ist so gering, dass in bestimmten Situationen eine effiziente Bekämpfung von Schaderregern nur über die Bereitstellung von Pflanzenschutzmitteln mittels Notfallzulassung möglich ist.

Auf der Suche nach alternativen Pflanzenschutzmaßnahmen

Für den Pflanzenschutz insgesamt rücken Kreativität und Innovationen deshalb weiter in den Vordergrund. Alternative Pflanzenschutzmaßnahmen werden in Zukunft essenziell sein. Eine im ökologischen Anbau bereits praktizierte Alternative zum Herbizideinsatz sind die mechanischen Verfahren mit Striegel und Hacke – künftig verstärkt digital unterstützt.

Große Hoffnungen werden auch auf Pflanzenschutzmittel mit geringem Risiko gesetzt. Zwar stagniert der Anteil am Markt noch, die Zahl der Zulassungsanträge für Mittel mit geringem Risiko ist in den letzten beiden Jahren jedoch gestiegen. Die gesetzlichen Anforderungen sind auch für diese Präparate hoch. Daher werden auf EU-Ebene gerade die Anforderungen dafür überprüft. Unklar ist aber auch noch, ob diese Mittel einen ähnlichen Pflanzenschutz wie Mittel mit klassischen Wirkstoffen bieten. Bei geringeren Wirkungsgraden sind Prognose- und Schadschwellen-Modelle anzupassen und durch weitere zu ergänzen.

Der Integrierte Pflanzenschutz ist der Schlüssel

Pflanzenschutzmittel sollen in Zukunft nur eine Maßnahme unter vielen darstellen, um einen effektiven und nachhaltigen Pflanzenschutz zu gewährleisten. Wichtig für den Integrierten Pflanzenschutz ist zudem die Züchtung krankheits- und stressresistenter Sorten. Außerdem wird es dazu kommen, dass innovative Ausbringungstechniken in der Zulassung berücksichtigt werden müssen.

Darüber hinaus haben „Spot-Applikation“ sowie Drohnen und Roboter – ausgestattet mit moderner Sensorik – das Potenzial, die ausgebrachten Pflanzenschutzmittelmengen bei gleichbleibender Effektivität deutlich zu reduzieren.

Auch die Art der Mittelzulassung wird diesen neuen Möglichkeiten angepasst werden müssen. Bleibt also zu hoffen, dass dann verlässliche Pflanzenschutzmaßnahmen in ausreichendem Umfang verfügbar sein werden.

Hinweis: Gastkommentare geben nicht in allen Bereichen die Meinung der Redaktion wieder. Wir veröffentlichen sie dann, wenn wir sie für einen interessanten Diskussionsbeitrag zur Weiterentwicklung der Landwirtschaft halten. Wie stehen Sie dazu? Wir freuen uns auf Ihren Kommentar unten.

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