Die Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Gitta Connemann, hat für eine Versachlichung der Diskussion um die neuen Züchtungstechnologien geworben. Connemann bezeichnete die innovativen Züchtungsmethoden wie CRISPR/Cas bei einer Online-Diskussion des Grain Club (s.u.) am Mittwoch als „Schlüsseltechnologie“, die ihr Potential wegen der derzeitigen europäischen Rechtslage leider nicht ausspielen könne.
Vor diesem Hintergrund sieht die CDU-Politikerin die Ende April vorgestellte Studie der Europäischen Union zur Regulierung der neuen Technologien als möglichen Beitrag für einen anderen gesellschaftlichen und politischen Blick auf die Chancen und Risiken der Gen-Schere. Die Studie war zu dem Ergebnis gekommen, dass diese mit dem bestehenden EU-Recht nicht angemessen reguliert werden können. Der Rechtsrahmen müsse deshalb an den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt angepasst werden.
Connemann erinnerte an die „enormen Chancen“, die sich aus gentechnischen Verfahren für die Verknüpfung der Ernährungssicherung mit dem Klima-, Umwelt- und Artenschutz ergeben könnten. Nach ihrer Einschätzung ist dieser potentielle Nutzen im Zuge einer teils „hochideologischen“ deutschen Debatte in den Hintergrund geraten. Sie würde sich stattdessen eher eine Diskussion über den eventuellen Beitrag der Technologie bei der Umsetzung des Green Deal und der Farm-to-Fork-Strategie wünschen, stellte die CDU-Politikerin klar.
Mit der Empfehlung der EU-Studie für eine Weiterentwicklung des europäischen Gentechnikrechts sieht Connemann nun die echte Chance auf einen gemeinsamen europäischen Umgang mit den neuen Zuchtmethoden und deren Nutzung. Nach ihrer Darstellung ist das auch die Position der Unionsfraktion im Bundestag. Dazu gebe es allerdings derzeit noch keinen Konsens im Plenum, wie die stellvertretende Fraktionsvorsitzende einräumte.
Eine Kennzeichnung von Produkten, die mit Hilfe neuer Züchtungsmethoden ist nach Auffassung der CDU-Politikerin dennoch nötig, auch um den Verbrauchern nach dem Prinzip „Klarheit und Wahrheit“ die Möglichkeit für eine bewusste Kaufentscheidung zu geben.
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Prof. Dr. Detlef Weigel, geschäftsführender Direktor des Max-Planck-Instituts für Entwicklungsbiologie, verwies auf den wissenschaftlichen Fortschritt: „Wir wissen heute viel mehr über die Genome von Pflanzen und deren genetische Vielfalt als vor 20 Jahren. Dies hilft uns bei der Sicherheitsbewertung. Das Gentechnikrecht sollte diese Erkenntnis abbilden, ist in der Hinsicht aber veraltet.“ Weigel fügte hinzu: „Bei der Regulierung von Internet und künstlicher Intelligenz vertrauen wir auch nicht auf das Wissen von vor 20 Jahren. Technik-Gesetze müssen den Fortschritt der Technik berücksichtigen.“
Dietmar Brauer, geschäftsführender Gesellschafter der Norddeutsche Pflanzenzucht Hans-Georg Lembke KG, ergänzte: „Die politisch definierten und ambitionierten Ziele des Green Deal werden nicht ohne eine breite Innovationsoffensive in allen Bereichen der Agrar- und Ernährungswirtschaft zu erreichen sein. Pflanzenzüchter arbeiten tagtäglich daran, Sorten zu entwickeln, die die Ansprüche von Landwirtschaft und Verbrauchern hinsichtlich Leistungsfähigkeit und Nachhaltigkeit erfüllen. Neue Züchtungsmethoden ergänzen die klassische Züchtung und die Europäische Kommission bestätigt in ihrer Studie deren Potenzial. Es kommt nun darauf an, dieses Potenzial zu nutzen. Dazu brauchen wir zügig eine Initiative, den veralteten Rechtsrahmen an den aktuellen Stand der Wissenschaft anzupassen. Hierfür müssen sich die Mitgliedstaaten geschlossen auf europäischer Ebene einsetzen.“
Detlef Kurreck, Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes, Präsident des Bauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern und Landwirt, bestätigte: „Wir stehen vor gewaltigen Herausforderungen, was den Klimawandel und die Verringerung der Ressource Boden angeht. Um das Niveau der Ernährung der Weltbevölkerung zu erhalten, um es ökologischer auszurichten und nachhaltiger zu machen, brauchen wir Sorten, die sich diesen neuen Herausforderungen anpassen. Züchtung ist ein langwieriger Prozess, der über Generationen erfolgt. Doch mit den neuen Methoden haben wir die Möglichkeit, Züchtungserfolge wie zum Beispiel Trockenresistenz oder Schädlingsresistenz sehr viel schneller zu erreichen.“
Die Debatte bestätigte die Veranstalter in ihren Forderungen nach einer am Stand der Wissenschaft orientierten, differenzierten Regelung für die verschiedenen Anwendungen neuer Züchtungsmethoden. Dabei sollte im Sinne der Gleichbehandlung sichergestellt werden, dass Pflanzen, die sich von klassisch gezüchteten nicht unterscheiden, nicht als GVO reguliert werden.