topplus Bürokratisch und unfair?

DBV hält Erntegut-Bescheinigung für einseitige Benachteiligung der Bauern

Der Streit um die Erntegutbescheinigung geht weiter. Der DBV sieht keine rechtliche Grundlage für die weitreichenden Erklärungen im STV-System. Die IG Nachbau behält sich rechtliche Schritte vor.

Lesezeit: 4 Minuten

Eskaliert der Streit um die Erntegutbescheinigung erneut? Der Deutsche Bauernverband (DBV) scheint jedenfalls nur noch wenig Verständnis für das Vorgehen der Züchter und Saatgut-Treuhand-verwaltungs GmbH (STV) zu haben. Damit ist er ungewöhnlich einig mit der Interessengemeinschaft Nachbau der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), die ihrerseits nicht mit Kritik an STV und Züchtern spart.

Krüsken: STV-Geschäftsgebaren diskreditiert die Züchter

Der Bauernverband monierte am Mittwoch scharf das Vorgehen der STV, die unverändert den Agrarhandel und damit auch Landwirte mit überzogenen und übergriffigen Abmahnungen unter Druck zu setzen versuche und in das so genannte Erntegut-System der STV zwingen wolle. „Dieses Geschäftsgebaren der STV diskreditiert die Erzählung von der mittelständischen Pflanzenzüchtung, die für sich eine besondere Schutzbedürftigkeit beansprucht“, erklärt DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken.

Inakzeptabel ist ihm zufolge vor allem, dass denjenigen Landwirten, die ordnungsgemäßen Nachbau betreiben oder Z-Saatgut einsetzen, bürokratische und datenschutzrechtlich fragwürdige Prozeduren aufgezwungen werden sollen. Dies führe dazu, dass mehrerer Agrarhändler offenbar unter Druck der STV unverhältnismäßige Forderungen an die Landwirtschaft stellen und den Eindruck erwecken, dass zur Erfüllung des BGH-Urteils zum Erntegut nur noch die Erntegutbescheinigungen der Saatgut-Treuhand STV zulässig seien.

Erntegut-Urteil verlangt nur allgemeine Erkundigungspflicht des Handels

Aus Sicht des DBV hat der Bundesgerichtshof im so genannten Erntegut-Urteil lediglich eine allgemeine Erkundigungspflicht des Handels festgestellt, jedoch keinerlei Vorgaben zur konkreten Ausgestaltung gemacht. Eine rechtliche Verpflichtung zur Nutzung der STV-Erntegutbescheinigung ist daraus nicht abzuleiten. Das BGH-Urteil werde hier bewusst falsch interpretiert und als Druckmittel gegen die Landwirte missbraucht.

Zur Erfüllung der Erkundigungspflicht reicht nach Einschätzung des DBV auch eine einfache Selbsterklärung des Landwirtes aus. Geschäfts- und Lieferbedingungen des Agrarhandels, bei denen Abrechnung und Zahlung gelieferter Ware an die Vorlage einer STV-Bescheinigung gebunden wird, seien hingegen nicht durch das Erntegut-Urteil gedeckt und als problematisch zu bewerten. Landwirte sollten kritisch überprüfen, ob sie eine solche einseitige Benachteiligung in der Lieferbeziehung akzeptieren können, empfiehlt der Bauernverband.

Kartell- und wettbewerbsrechtlich fragwürdig

Der DBV zeigt grundsätzliches Verständnis für die schwierige Lage, in der sich Agrarhändler durch das Vorgehen der Saatgut-Treuhandverwaltungsgesellschaft STV befinden. „Wir verstehen, dass auch die Händler Rechtssicherheit benötigen“, betont Krüsken. Dennoch könne man nicht akzeptieren, dass überzogene Rechtsauslegungen durch die Kette weitergegeben und einseitig zu Lasten der Landwirte ausgetragen werden.

Nach ersten Einschätzungen des DBV sind diese Methoden außerdem kartell- und wettbewerbsrechtlich fragwürdig. Allgemeine Geschäftsbedingungen dürften den Vertragspartner nicht unangemessen benachteiligen – auch nicht zwischen Unternehmern. Der Bauernverband fordert daher die sofortige Einstellung der irreführenden Kommunikation zu angeblich rechtlichen Verpflichtungen und appelliert an die Agrarhändler, zu einem fairen und transparenten Umgang mit ihren landwirtschaftlichen Partnern zurückzukehren.

Janßen: Sind bei BDP und STV auf taube Ohren gestoßen

Die Interessengemeinschaft Nachbau hatte eigenen Angaben zufolge im Januar 2025 den Bund der Deutschen Pflanzenzüchter (BDP) sowie die STV dazu aufgerufen, sich mit dem Agrarhandel und den Bauernvertretungen an einen Tisch zu setzen, um das damalige Chaos vor der Ernte 2024 um Lieferantenerklärungen in diesem Jahr zu vermeiden. IG-Nachbau-Geschäftsführer Georg Janßen stellt allerdings fest, dass man damit auf taube Ohren gestoßen sei.

„BDP und STV haben aus gehabten Schaden nichts gelernt. Sie wollen, dass nur eine STV-Erntegutbescheinigung akzeptiert wird. Dafür verlangt die STV von den Landwirten u.a. die Offenlegung des Flächenverzeichnisses und Rechnungen über Saatgut-Käufe. Informationen, die der STV gar nicht zustehen“, kritisiert Janßen. Wer diese Dokumente nicht vorlegen wolle, müsse sich mit einer STV-Kontrolle auf dem Betrieb einverstanden erklären.

Werden uns dagegen rechtlich wehren

„Diese eingeforderten Dokumente dienen unserer Meinung nach der vollständigen Datenkontrolle durch die STV, wobei die Betriebskontrolle jedenfalls schon seit 2008 rechtlich gar nicht mehr zulässig ist“, so der IG-Nachbau-Geschäftsführer. Er vermutet, dass es in diesem Streit nicht mehr nur um die Ausforschung und um Nachbaugebühren, sondern um Marktmacht über den lukrativen Saatgut-Markt geht. Janßen kündigt an: „Dagegen werden wir uns rechtlich wehren. Wenn BDP und STV meinen, auf Eskalierung setzen zu müssen, dann werden sie von vielen Betroffenen unseren Widerstand ernten.“

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