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Spot Spraying: Der Teufel steckt im Detail

Pflanzenschutzmittel einsparen mit Spot Spraying: Seit einigen Jahren kommen die ersten Maschinen und Dienstleistungsangebote in die Praxis. Wir zeigen, wo die Möglichkeiten und Grenzen liegen.

Lesezeit: 6 Minuten

Seit einigen Jahren kommen beim Spot Spraying die ersten Maschinen und Dienstleistungsangebote in die Praxis, Landwirte sammeln erste Erfahrungen. Doch die Technik ist kein Selbstzweck. Und so sollte auch beim Spot Spraying die Frage im Vordergrund stehen: Wozu brauche ich das? Zweifellos ist jeder Liter eingespartes Pflanzenschutzmittel ein guter Liter. Selbst wenn er der Umwelt oder der Kulturpflanze nicht gefährlich wird, spart dies doch Kosten im Betrieb.

Da Spot Spraying aber nicht zum Nulltarif zu haben ist, folgt auf dem Fuße die Frage: Rechtfertigen die Einsparungen diese Kosten? Wenigstens die Politik bleibt als Unsicherheitsfaktor außen vor: In den letzten Jahren hatte über dem Thema das Damoklesschwert politisch verordneter PSM-Einsparungen und deshalb nötiger neuer Technik geschwebt. Das hat sich absehbar erledigt, zumindest in der erwarteten Schärfe.

Was bedeutet Spot Spraying?

Die einfachste Variante ist „Grün auf Braun“, das heißt die Erfassung von Unkraut auf noch unbestelltem Boden mittels Kameras an der Spritze. Immer mehr Landwirte in den USA, in Kanada, Brasilien oder Australien nutzen dieses Verfahren typischerweise in Verbindung mit Glyphosat. Sie erwarten nicht nur geringere Kosten, sondern auch (was eine starke Motivation ist) einen geringeren Resistenzdruck. Dieser gefährdet in manchen Gebieten bereits das jahrelang so erfolgreiche Geschäftsmodell „resistente Kultur plus Glyphosat“.

In Deutschland und Mitteleuropa ist das kein Thema und spielt „Grün auf Braun“ deshalb keine Rolle. Bei uns geht es (wie auch zunehmend in den großen Ackerbauländern) um „Grün auf Grün“, also um das Erkennen und Herausspritzen von Unkräutern im wachsenden Kulturpflanzenbestand. Die Herausforderungen sind hierbei deutlich größer: Gerade kleine Unkräuter müssen präzise erkannt werden, und zwar nach Art und Position.

Ein spezifischer Algorithmus muss programmiert werden bzw. entsteht schrittweise über KI und muss funktionieren. Beim Algorithmus (und nicht bei der Kamera oder der Spritze) liegt zumindest perspektivisch das Geschäftsmodell der Anbieter.

„Das ist vergleichbar mit einem Tintenstrahldrucker“, sagt der kanadische Technik-Spezialist Tom Wolf. „Das Gerät wird nur einmal bezahlt, aber die Patronen muss ich regelmäßig und teuer nachkaufen.“ Überall ist man allerdings noch in der Preisfindung. Denn das Ziel des Anbieters muss es ja sein, dem Landwirt beim Kostensparen zu helfen, aber eingespartes Geld so weit wie möglich aufs eigene Konto zu leiten.

Unkrauterkennung über Drohne oder am Gestänge?

Grundsätzlich bieten sich für die Unkrauterkennung zwei Wege an. Kameras sind in jedem Fall nötig. Die Frage ist aber: Sind sie direkt am Gestänge montiert und steuern unmittelbar den Spritzvorgang bzw. die Düsen, oder läuft es über eine Drohne plus Applikationskarte? Kameras am Gestänge können den Anschaffungspreis einer Feldspritze leicht „mal eben“ verdoppeln.

Man ist über Jahre an eine Technik gebunden und kann die rasanten Fortschritte in diesem Bereich nicht mitnehmen. Da muss die Auslastung im Betrieb schon sehr gut sein. Dafür erspart man sich quasi einen Arbeitsgang (oder den Dienstleister), muss sich weder mit der Übertragung von Applikationskarten herumschlagen noch mit dem Zwang, unmittelbar nach der Unkrautaufnahme behandeln zu müssen.

Der große Vorteil der absetzigen Lösung über Drohnen ist allerdings, dass man mit ihnen die Applikationskarte als Dienstleistung buchen und somit variable statt fixe Kosten ansetzen kann. Über eine große Genossenschaft ist der ha z. B. vom Anbieter SAM Dimension derzeit ab 17,85 € zu haben. Eine solche Drohne fliegt 60 m über dem Bestand, erfasst 40 m in der Breite bei einer Auflösung von 2 mm. Letzteres ist wichtig für das Erkennen von Unkräutern im Keimblattstadium.

Die Flächenleistung ist mit mehr als 70 ha/Stunde sehr hoch. Allerdings können Drohnen auch witterungsbedingt begrenzte Einsatzfenster haben. Erfahrungen in der Praxis zeigen zudem, dass das leidige Schnittstellenthema, also die Übertragung der Applikationskarte auf das Terminal, auch hier eine Herausforderung sein kann. Und mit der Applikation nach dem Drohnenflug sollte man nicht länger als zwei Tage warten.

Welche Spritze eignet sich fürs Spot Spraying?

Speziell für das Spot Spraying entwickelte Spritzen dürften Nischenmodelle bleiben. Die mittlerweile oft beschriebene ARA von Ecorobotix ist sicherlich technisch spitze. Der Preis dafür ist allerdings nur 6 m Arbeitsbreite und bei 7 km/h Arbeitsgeschwindigkeit eine mit max. 3 ha/Stunde sehr überschaubare Flächenleistung. Auch hier ist eine jährliche Lizenzgebühr für die Algorithmen zu zahlen. Diese Maschine kommt eigentlich nur in Spezialkulturen mit sehr hoher Wertschöpfung infrage, typischerweise im Gemüsebau.

Dreh- und Angelpunkt auch beim Spot Spraying wird die „klassische“ Pflanzenschutzspritze bleiben. Mit einer Isobus-fähigen Spritze und Section Control kommen Sie schon sehr weit. Sie hat jedoch keine Einzeldüsenabschaltung oder gar Pulsweiten-Modulation?

Dann reden wir besser nicht mehr von Spot Spraying, sondern ebenfalls neudeutsch von Patch Spraying. Teilbreiten von 1 oder 3 m eignen sich gut für Distelnester oder Trespen. Die einen hat man allerdings auch zuvor schon mit dem Auge wahrgenommen, die anderen typischerweise vom Rand her behandelt.

Wie bei jeder Teilflächenbehandlung wächst das Potential des Spot Spraying mit den Unterschieden. So beeinflusst der Boden z. B. über die Wasserverfügbarkeit auch das Unkrautvorkommen. Wenn hier die Applikationskarte extreme Aufwandmengen-Unterschiede vorgibt, dann braucht es doch PWM, um nicht die Fahrgeschwindigkeit und somit das Tropfenspektrum zu verändern. Die Düsen, die „realen“ Spritztropfen und ihr Zusammenspiel mit den Algorithmen des Spot Spraying kommen in der Diskussion generell zu kurz, meint Thies Schmoldt von der Firma Syngenta.

Ganz wichtig sind, ergänzt Harald Kramer von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, eine solide Gestängeführung und spezielle, schmalwinklige Düsen. Man könnte ergänzen: und natürlich die Einsatzbedingungen. Denn was nutzt es, wenn die Position der Unkräuter zwar millimetergenau bestimmt ist, der Spritzstrahl wegen externer Einflüsse aber danebengeht?

Wie präzise ist Spot Spraying?

Daraus folgt unmittelbar die Frage: Wie präzise kann man eigentlich spritzen? Pufferzonen um die Pflanze bügeln kleine technische Fehler zwar aus, vermindern aber die möglichen Einsparungen bis hin zur De-facto-Flächenspritzung. Überhaupt wird die mögliche PSM-Reduzierung gern massiv überschätzt.

Thies Schmoldt erklärt das so: Zur Erzeugung der Applikationskarten werde meist der Mittelwert der Flächenbehandlung genutzt. Beim „Spotten“ werde dieser dann zwar die Ausreißer nach oben oder unten angepasst, was sicherlich den Nutzen pro Liter ausgebrachter Brühe verbessert, nicht aber die Gesamtmenge. Auch deren Reduktion im Wissen um eine bessere Verteilung ergebe selten mehr als 10 % Einsparung, so die Erfahrungen von Schmoldt in Zuckerrüben.

Für welche Kulturen eignet sich Spot Spraying am besten?

Im Getreide mit breiter Mischverunkrautung und flächendeckendem Gräserbesatz wird es sicherlich schwierig. Maisflächen wären ideale Kandidaten, aber wegen der geringen PSM-Kosten ist der Nutzen begrenzt. Bleibt die Zuckerrübe. Wegen der dreifachen Anwendung teurer Herbizide und des „systemischen“ Risikos von Kulturschäden mit der Folge geringerer Zuckererträge ist sie neben Gemüse die Kultur, in der sich Spot Spraying am ehesten anbietet.

Fazit

Spot Spraying ist derzeit eine Rechnung mit vielen Variablen. Deshalb hängt jede Aussage dazu zunächst von den individuellen Gegebenheiten im Betrieb ab. Da sich die Algorithmen KI-gesteuert verändern, ist auch eine Portion Vertrauen nötig. Spezielle Maschinen dürften im Ackerbaubetrieb nicht wirtschaftlich sein.

Die „solide“ Pflanzenschutzspritze mit Teilbreitenabschaltungen und guter Gestängeführung dürfte in Verbindung mit externen Angeboten für Applikationskarten eine gute Basis sein, sich schrittweise an das Thema heranzuarbeiten.

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