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Landwirtschaft im Dialog

Düngeverordnung: Bedarfswerte sind nicht wissenschaftlich begründet

Mit welchen Düngekonzepten lassen sich die Klimaziele erreichen? Darüber wird bei "Landwirtschaft im Dialog" am 11.02 diskutiert. Wir haben Podiumsteilnehmer Prof. Henning Kage vorab befragt.

Lesezeit: 6 Minuten

Herr Prof. Kage, Sie haben über viele Jahre Versuche zur optimalen Düngestrategie in Raps und Getreide durchgeführt. Warum beurteilen Sie die aktuell gültigen Vorgaben der Düngebedarfsermittlung so kritisch?

Prof. Kage: Leider ist in Deutschland die Ableitung der Bedarfswerte der Düngeverordnung (DüV) nicht im engeren Sinne wissenschaftlich begründet, d.h. in einem nachvollziehbaren Rechenverfahren aus Versuchsdaten abgeleitet, sondern das Ergebnis eines Diskussions- und Verhandlungsprozesses von Düngeexperten. Meine Auswertungen legen nahe, dass dies je nach Kulturart unterschiedlich gut gelungen ist. Ursache hierfür ist meines Erachtens auch ein strukturelles Problem. Die Düngeberatung und die Durchführung von Düngeversuchen ist Ländersache. Dies erschwert eine einheitliche Anlage und Auswertung. Dänemark dagegen hat z.B. ein Versuchsnetzwerk von N-Steigerungsversuchen, aus dem die Düngebedarfswerte in einen gleitenden 5-Jahresmittel nachvollziehbar abgeleitet werden.

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Was erwarten Sie für Effekte bei einer Reduktion der N-Zufuhr um 20 % in den Roten Gebieten?

Prof. Kage: Ich halte die 20%ige Reduktion für ein nur wenig zielführendes und im Hinblick auf die Kosten-Nutzen-Relation wenig attraktives Instrument. Diese Erkenntnis ist übrigens nicht neu, selbst die Bundesregierung hat in ihrem Bericht an die EU-Kommission zur Umsetzung der Nitratrichtlinie vom 29. Juli 2016 (http://cdr.eionet.europa.eu/de/eu/nid/envv9krqg/20160729_Mitteilung_Nitratrichtlinie_Artikel_10_Bericht_2016.pdf, Tabelle 14) diese Maßnahme als wenig wirksam und vergleichsweise teuer charakterisiert. Man muss zwar zwischen den Kulturarten unterscheiden, aber für Winterraps und Winterweizen sind bereits die in der Düngeverordnung 2017 definierten Werte nur knapp bedarfsdeckend. Eine weitere Reduktion der Düngung um nochmals 20% hat nach meinen Auswertungen deutliche finanzielle und (bei Weizen) qualitative Einbußen zur Folge. Diese belaufen sich zwischen 100 und 200€/ha bzw. bei ca. 1% Rohproteinabsenkung, ohne das substanzielle Effekte auf die Nitratauswaschung zu erwarten sind.

Dänemark hat bereits seit 1999 strenge Regeln für die Düngung erlassen, sie aber 2016 wieder gelockert. Ist es aus Ihrer Sicht sinnvoll, dass Deutschland sich an Dänemarks Vorgehen orientiert?

Prof. Kage: Wenn man sich alle Maßnahmen Dänemark in ihrer zeitlichen Entwicklung anschaut, kann man sowohl aus guten als auch eher schlechten Erfahrungen lernen. Dänemark hat bereits Mitte der 80er Jahre die Tierhaltung streng an die Flächenausstattung der Betriebe gekoppelt und ist hierbei teilweise unter den Wert der Nitratrichtlinie von 170 kg N/ha aus organischen Düngern gegangen. Hätte man in Deutschland bereits damals einen ähnlichen Weg gewählt, hätten wir uns viele der heutigen Probleme zumindest teilweise erspart.

Bei den Stickstoffquoten ist es wichtig, die Ableitung und Historie der Maßnahme zu betrachten. Die erste Stufe der Reduktion war eine 10%ige Absenkung der N-Mengen gegenüber der ökonomisch optimalen Stickstoffdüngungsmenge, welche die Dänen aus einem Versuchsnetzwerk abgeleitet haben. Meines Erachtens hat Deutschland für Backweizen und Winterraps diesen Schritt mit der Düngeverordnung 2017 bereits vollzogen. Die Effekte auf Erträge und insbesondere die Proteinkonzentration waren in Dänemark mehr als deutlich. Sie waren meiner Wahrnehmung nach ausschlaggebend für die Abwendung von der strengen N-Quotierung. Hier überwiegen also die negativen Erfahrungen. Begleitend zur N-Quote hat es schon länger Verpflichtungen zum Zwischenfruchtanbau gegeben. Durch einen über die Mindestverpflichtung hinausgehenden Zwischenfruchtanbau ließen sich z. B. für die Betriebe zusätzliche N-Quoten generieren. Inzwischen gibt es als Ersatz für die liberalisierten N-Quoten sehr hohe Mindestverpflichtungen für den Zwischenfruchtanbau, die bis zu 50% der Betriebsfläche betragen können. Eine solche Flexibilisierung und die Fokussierung auf den Zwischenfruchtanbau halte ich für einen sinnvollen Ansatz.

Welche Maßnahmen sind aus Ihrer Sicht zielführend und gleichzeitig effektiv umsetzbar für die Landwirtschaft, um eine Nitratverlagerung in das Grundwasser zu vermeiden?

Prof. Kage: Meiner Ansicht nach sollten generell möglichst wenig Vorgaben zur Ausgestaltung der Düngung gemacht werden. Die Fülle der Detailregelungen in der DüV ist bereits jetzt kaum überschaubar. Eine kontrollierte und sanktionierte Hoftorbilanz auf betrieblicher Ebene könnte ausreichend sein, um viele Detailregelungen überflüssig zu machen. Bei einzelnen Maßnahmen sind jedoch die Effekte auf N-Bilanz und N-Auswaschung gegenläufig, hier müssen zusätzliche Auflagen oder Anreize geschaffen werden.

Ansatzpunkte zur Verbesserung der N-Bilanz sehe ich insbesondere im Hinblick auf eine auf Menge und Ausbringungszeitpunkt noch stärker bedarfsgerechten Einsatz organischer Dünger. Dies setzt deutlich längere Lagerkapazitäten und entsprechende Investitionen in Ausbringtechnik voraus. Die Herbstdüngung zu Zwischenfrüchten mit organischen Düngern ist meines Erachtens in vielen Fällen pflanzenbaulich sinnvoll. Problematisch ist aber die effektive Kontrolle der ausgebrachten Mengen. Durch eng gesetzte Grenzen der N-Bilanz, kann eine entsorgungsorientierte Ausbringung im Herbst unattraktiv gestaltet werden.

Bestimmte Vorfrucht-/Nachfruchtkombinationen im Ackerbau sind mit einem erhöhten Nitrat-Auswaschungsrisiko verbunden, z.B. Winterraps/Winterweizen, Körnerleguminosen/Winterweizen Mais/Mais. Eine minimierte Bodenbearbeitung bis hin zur Direktsaat kann helfen, die herbstliche N-Freisetzung aus der organischen Bodensubstanz und somit die N-Auswaschung zu verringern. Durch den Wegfall von Glyphosat würde dieser Ansatz jedoch in Zukunft ggf. nicht mehr möglich sein.

Noch effektiver ist Einbindung von ausreichend früh etablierten Zwischenfrüchten in die Fruchtfolgen, wobei dann jedoch eine Sommerung folgen muss. Wirtschaftlich attraktive Sommerungen stellen hier den entscheidenden Engpass dar. Weiterhin sind Minderungen auf die N-Bilanz nur dann zu erwarten, wenn die Stickstoffnachlieferung aus Zwischenfrüchten besser in die Bedarfsberechnung der Folgekulturen einbezogen wird.

Welche Gebietskulisse sollte dabei gewählt werden? Sind die aktuell ausgewiesenen Roten Gebiete der richtige Ansatz?

Prof. Kage: Vor dem Hintergrund der laufenden Diskussion um die Messnetze in Deutschland bin ich zunehmend skeptisch, ob eine belastbare, innerhalb Deutschlands vergleichbare Ausweisung von roten Gebieten anhand der vorhandenen Grundwassermessstellen kurz- bis mittelfristig überhaupt möglich ist. Außerdem ist die regionale Nitratkonzentration innerhalb eines roten Gebietes nicht einzelnen Verursachern zuzuordnen, das Verursacherprinzip also ausgehebelt. Ich würde es daher begrüßen, die betriebliche und regionale Stickstoffbilanz wieder als Richtschnur für eine grundwasser- und klimaschonende Landwirtschaft in den Fokus zu nehmen. Das ist sicher kurzfristig politisch kaum umsetzbar, aber die Diskussion um diesen Punkt sollte geführt werden.

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Die Veranstaltung "Effizient düngen und das Klimas schützen - geht das überhaupt?", die top agrar im Rahmen des Diskussionsformats „Landwirtschaft im Dialog“ durchführt und moderiert, findet am  11. Februar 2020 in Berlin in der Vertretung des Landes Hessen  statt. Die Teilnahme ist kostenlos. Weitere Informationen und die Anmeldung finden Sie unter www.seminare.lv.de. 

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